Dass die Stasi auch die rechtsextreme Szene in der Bundesrepublik im Auge hatte, ist seit Langem klar - neu ist das Ausmaß. Insgesamt 42 Neonazis aus dem Westen arbeiteten als Informanten für die Stasi - so schreibt es die "Berliner Zeitung" heute. Weitere 30 waren als IM-Vorläufer registriert, sprich, die Staatssicherheit der DDR bereitete ihre Anwerbung als Spitzel vor. Zuständig dafür war die Hauptabteilung 22, Terrorabwehr. Der Historiker Tobias Wunschik aus der Forschungsabteilung der Stasi-Unterlagenbehörde hat sich mit dieser Abteilung beschäftigt. Die Zahlen der "Berliner Zeitung" kann er allerdings nicht bestätigen.
"Die Stasi verstand es recht geschickt, auch in dieser Szene, die ja weltanschaulich weiter von ihr entfernt lag, Quellen anzuwerben. Dazu gab es klassische Methoden der Camouflage, wo man sich selber als Angehöriger einer anderen rechten Gruppe tarnte, um erst mal ins Gespräch zu kommen.
Das Augenmerk des Ministeriums für Staatssicherheit MfS lag zum einen auf möglicherweise geplanten rechtsextremistischen Anschlägen auf die innerdeutsche Grenze. Außerdem machte sich die Stasi Sorgen über zunehmende Kontakte von westdeutschen Rechtsextremen in die DDR.
"Und so befürchtete die Stasi eben auch, dass die Rechtsextremen in der Bundesrepublik mit der beginnenden, wachsenden rechtsextremen Szene in der DDR in Verbindung treten, einander beeinflussen, bestärken, unterstützen könnte und auf diese Weise eben auch Rechtsextremismus in die DDR einsickern könnte."
Historiker: Vermutlich sind keine großen Summen geflossen
Hat die DDR ihren ideologischen Gegner, die Neonazi-Szene in der Bundesrepublik, gestärkt, in dem sie nicht unbeträchtliche finanzielle Mittel an die Stasi-Spitzel zahlte? Diese Frage kann nicht endgültig beantwortet werden, der Historiker Tobias Wunschik geht allerdings davon aus, dass keine großen Summen an die Neonazis im Westen gezahlt worden sind.
"Gegenüber den Linksterroristen, die der Stasi weltanschaulich näher standen, jedenfalls waren die Gelder nicht besonders der Rede wert. Dass gegenüber der rechtsextremen Szene nun sehr viel mehr Geld gezahlt worden sei, wäre erst einmal zu begründen, erscheint mir nicht sehr plausibel."
Viele Fragen bleiben unbeantwortet - wer genau auf der Gehaltsliste der Stasi stand und wie groß ihr Einfluss war - dazu kann die Stasi-Unterlagenbehörde keine Angaben machen. Grund dafür ist die schlechte Aktenlage - die Stasiunterlagenbehörde geht davon aus, dass ein Großteil der Akten aus der Abteilung "Terrorabwehr" vernichtet wurde.
"Da die meisten dieser Gruppen 1989 noch aktiv waren, lagen auch die operativen Vorgänge noch auf den Schreibtischen bzw. standen in den Panzerschränken der Stasi-Offiziere. In der kurzen Zeit, in der die Aktenvernichtung möglich war für die Stasi, war es daher ein Leichtes, sie aus dem Regal oder aus den Panzerschränken zu ziehen und in den Reißwolf zu stecken."
Bislang waren Nachforschungen zum Oktoberfestattentat erfolglos
Immer wieder wird spekuliert, die Stasi-Akten aus der Abteilung Terrorabwehr könnten zur Aufklärung des rechtsextremen Terroranschlags auf das Münchener Oktoberfest im Jahr 1980 beitragen - die Bundesanwaltschaft hatte ja vor einigen Monaten die Ermittlungen zu diesem Attentat neu aufgenommen. Ausgeschlossen sei dies nicht, meint Stasi-Experte Wunschik. Der Historiker hält es aber auch nicht für wahrscheinlich - gab es doch schon mehrmals Nachforschungen zum Oktoberfestattentat in der Behörde, die nicht von Erfolg gekrönt waren.