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Stationierung von NATO-Truppen
Bulgarien fühlt sich zwischen den Stühlen

Die NATO erwägt eine dauerhafte Präsenz in Osteuropa. Die Republik Bulgarien stürzt das in einen tiefen Interessenskonflikt, denn historisch bedingt gibt es eine große Verbundenheit zu Russland - und eine starke Abhängigkeit von russischen Rohstoffen.

Von Andrea Rehmsmeier |
    Ein Bus steht an einer Grenze zur Ukraine.
    Die Krise auf der Krim betrifft auch die Nachbarstaaten. (dpa/picture alliance/Darek Delmanowicz)
    Das Stadtzentrum von Sofia wird bis heute von einem Russen beherrscht: Überlebensgroß und in Siegerpose reitet Alexander II. über den Vorplatz des bulgarischen Parlaments. "Befreier-Zar", steht in kyrillischen Buchstaben auf dem Sockel der Reiterstatue. Das Denkmal erinnert an den Krieg gegen das Osmanische Reich, mit dem Russland im Jahr 1878 die türkische Herrschaft über das Territorium des heutigen Bulgarien beendete.
    Doch seit die Ukraine-Krise zum neuen Ost-West-Konflikt eskaliert, wird die historische Verbundenheit zu Russland auf eine harte Probe gestellt. In einem nahegelegenen Park spielen Männer Schach, und Jugendliche stehen in Grüppchen zusammen. Bulgariens Spagat zwischen dem alten Verbündeten und den neuen NATO-Partnern sei hier ein Dauerthema, erzählt ein junger Mann – spätestens seit dem Sofia-Besuch von NATO -Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen vor gut einem Monat.
    "Bulgarien kann ja gar keine selbständigen Entscheidungen treffen – schon deshalb, weil wir so schwache Politiker haben. Unsere Regierung kommt mir vor wie eine Schein-Institution, die nur wiederholt, was die NATO, die Vereinten Nationen oder die USA ihr vorsagen. Die bulgarische Bevölkerung hat in diesem Konflikt keine Stimme. Ich persönlich mag Russland zwar nicht, aber die Amerikanisierung halte ich für ein ebenso großes Problem – damit meine ich den extremen Kapitalismus, der hier gerade Einzug hält. Da ist es schwierig, Position zu beziehen."
    Wie soll sich Bulgarien verhalten, wenn die NATO über eine dauerhafte Truppenstationierung in Osteuropa entscheidet? Soll es seine Schwarzmeer-Häfen als Stützpunkte für mögliche Militäreinsätze gegen Russland zur Verfügung stellen? Auch für zwei junge Frauen, die auf einer Parkbank die Frühlingssonne genießen, ist das eine wichtige Frage.

    "Die Republik Bulgarien ist jetzt NATO-Mitglied, und damit ist sie verpflichtet, als solches zu handeln. Ich bin zwar nicht begeistert von dieser Vorstellung, denn ich selbst habe nichts gegen Russland. Aber da wir diese Verantwortung nun einmal übernommen haben, sollten wir jetzt nicht ausscheren."
    Ein Alptraum für die Regierung
    Auch für die sozialistisch dominierte Regierung ist die NATO-Mitgliedschaft inzwischen ein größeres Problem, als sie öffentlich zugibt, vermutet der Politologe Vihar Georgiev. Er ist Experte für Europapolitik an Universität Sofia.
    "Das Ganze ist vermutlich ein Albtraum für unsere derzeitige Regierung – allein die Vorstellung, in Bulgarien die Infrastruktur für militärische Operationen zur Verfügung stellen zu müssen. Unsere Regierung sitzt zwischen den Stühlen - ebenso wie unsere Bevölkerung, die ja auch traditionell russlandfreundlich ist. Wir Bulgaren sehen die Russen traditionell als Befreier, die uns kulturell nahe stehen. Gleichzeitig aber wissen wir, dass uns die EU-Mitgliedschaft eine Menge Vorteile bringt. Und genau das ist das Problem: Mit einer Regierungsentscheidung, aus der NATO auszutreten oder unseren Verpflichtungen nicht nachzukommen, würde Bulgarien seine EU-Finanzhilfen riskieren - und dieses Geld würde uns niemand ersetzen."
    Zehn Jahre NATO-Mitgliedschaft hätten Bulgarien und die gesamte Region zum Guten verändert. Das hatte Bulgariens Staatspräsident, Rossen Plewneliew, vor einem Monat nach den Gesprächen mit NATO-Generalsekretär Rasmussen betont, und für eine Aufstockung der Verteidigungsausgaben plädiert. Doch wird Sofia auch dann noch bei seinem NATO-treuen Kurs bleiben, wenn sich die Konfrontation mit Russland weiter zuspitzt? Das ist eine überaus heikle Frage, glaubt der Politologe Georgiev. Mehr als vage Vermutungen mag er nicht anstellen.
    "Wir sind NATO-Mitglied, und ich denke, dass wir unseren Verpflichtungen am Ende nachkommen werden. Aber Bulgarien ist stark abhängig von russischen Rohstoffen. So wie es im Moment aussieht, ist Bulgarien ohne Energie aus Russland gar nicht überlebensfähig. Uns bleibt also gar nichts anderes übrig, als uns im Ukraine-Konflikt auf eine defensive, neutrale Position zurückzuziehen. Aber die Spannung steigt. Ja, wir spielen nach den Regeln. Aber wir fühlen uns immer unwohler in unserer Rolle, je mehr wir in den Konflikt mit Russland verwickelt werden."