Addis Abeba am vergangenen Montag. Die Staatsoberhäupter von Ägypten, Äthiopien und dem Sudan haben hinter verschlossenen Türen getagt. Jetzt halten sie sich demonstrativ an den Händen, präsentieren sich so der Öffentlichkeit in ihren Heimatländern. Der ägyptische Präsident Abdel Fatah El Sisi:
"Machen Sie sich keine Sorgen! Wir sind uns einig, dass keines der drei Länder Schaden nehmen wird. Die Interessen von Äthiopien und vom Sudan sind auch die Interessen meines Landes. Wir sprechen als ein Staat. Mit einer Stimme."
Ein Reporter hakt nach, ob denn die Krise jetzt beendet sei. Welche Krise er meine, gibt Sisi zurück, es gebe keine Krise. Dabei hatten sich in letzter Zeit die Beziehungen Ägyptens zum Sudan und zu Äthiopien deutlich verschlechtert. Der Sudan, der immer an der Seite Ägyptens gestanden hatte, schien alte Rechnungen begleichen zu müssen und zog seinen Botschafter aus Kairo ab.
Und dann schien auch eine kriegerische Auseinandersetzung greifbar: Sudan und Äthiopien machten ihre Grenzen zu Eritrea, dem Nachbarn im Nordosten, dicht und verlegten Truppen dorthin. Weil, so hieß es, Kairo zuvor seine Soldaten in das wiederum mit Ägypten befreundete Eritrea entsandt hatte.
Im Mittelpunkt der Krise, die, so die offizielle Lesart vom vergangenen Montag, nicht existiert, steht "GERD", ein Mega-Stauprojekt, das Äthiopien am Oberlauf des Nil baut – seit 2012, als Ägypten ohne starke Führung da stand und das Land von Unruhen gezeichnet war.
Staudammprojekt der Superlative
Im Internet wirbt die äthiopische Botschaft in London um internationale Reputation, wirbt für "GERD", den "Grand Ethiopian Renaissance Dam". Er soll Symbol sein für die "Auferstehung" der äthiopischen Nation. Der Werbeclip zeigt fantastisch anmutende Bilder eines Stauprojekts der Superlative: das größte Wasserkraftwerk Afrikas.
Die äthiopische Regierung braucht Fortschritte - angesichts eines rasant wachsenden 100-Millionen-Volkes. Wobei mehr als 70 Prozent der Bevölkerung ohne Strom seien, so heißt es. Minister Sileshi Bekele:
"Sie können sehen, wie motiviert die Menschen sind. Denn wir wollen die Armut überwinden. Energie ist dabei die Grundlage für alles."
Noch der ägyptische Ex-Präsident Husni Mubarak und auch sein Nachfolger Muhammad Mursi waren gegen den Damm und drohten mit Raketenbeschuss. Das heutige Staatsoberhaupt stellte die Weichen neu: Ägypten gehöre nicht nur zur arabischen Welt, so Sisi, es sei ein Land Afrikas, es gehe darum, gemeinsam Lösungen zu entwickeln – zum Wohle aller.
Wasser ist eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit
Dennoch: Mit Fortschreiten des Bauprojekts wuchsen die Sorgen. Ägypten mit seinen ebenfalls 100 Millionen Menschen ist fast vollständig vom Nil abhängig. Es beharrt auf alten Verträgen, die dem Land große Mengen Wassers garantieren. Für Sisi ist Wasser eine Angelegenheit der nationalen Sicherheit, die dürfe nicht angetastet werden. Äthiopien hält die Sorgen für unbegründet:
"Es handelt sich um einen Damm der Energie produziert", so Sileshi Bekele noch vor wenigen Wochen, "er verbraucht kein Wasser. Wie also kann ein solcher Damm die nationale Sicherheit irgendeines Landes gefährden?"
"GERD" soll Ende 2018 fertig gestellt sein. Absehbar ist, dass Äthiopien bald damit beginnen wird, das Wasser zu stauen. Und genau dieser Vorgang versetzt die Menschen am Unterlauf in Angst und Schrecken. Denn: Offen ist, wie schnell das zu erfolgen hat. Je schneller gestaut wird, desto tiefer der Wasserstand in Ägypten.
Es gibt weitere strittige Punkte. So hat Äthiopien bis heute keine Verträglichkeits-Studien vorgelegt - und akzeptiert auch keine anderen. Externe Experten bezeichnen "GERD" als sogenannten black hole dam, einen Damm, der alles am Weiterfließen hindert - also auch Sedimente, Fische, alles, was lebt. Das dürfte immense Schäden zur Folge haben, die technisch abgemildert werden könnten, wenn auch unter hohen Kosten.
Kein Eingreifen von außen erwünscht
Die strittigen Punkte sollten in Verhandlungen geklärt werden – darauf hatten sich die drei Staatschefs 2013 geeinigt. Doch die Verhandlungen zogen sich hin, ergebnislos, über Jahre. Jahre, in denen Äthiopien weiterbaute, dabei versicherte, keiner Partei zu schaden. Jüngste Vorschläge Kairos, die Weltbank einzubinden, den Konflikt zu internationalisieren, wurden von Addis Abeba abgelehnt.
Und jetzt also die überraschend positiven Worte beim Gipfel in Addis Abeba. Die offizielle Lesart, es gebe keine Krise, die drei Staaten würden sich einigen, ohne das Eingreifen anderer. Und: Innerhalb eines Monats gebe es Antworten auf die noch offenen technischen Fragen.
Samar Ibrahim ist Afrika-Expertin, arbeitet für die – relativ unabhängige - ägyptische Tageszeitung "Masr al-Yaum". Anders als andere in ihrem Land ist sie optimistisch. Sie hält die Entscheidung Kairos, eine militärische Lösung auszuschließen, dafür auf Kooperation und Integration zu setzen, für richtig:
"Ich vertraue auf die Diplomatie und die Führung meines Landes. Präsident Sisi ist ein ehemaliger Mann des Militärs. Er wird nicht hinnehmen, dass Ägypten seine Rechte am Wasser verliert. Aber er wird damit weise umgehen."