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Steffi Grafs Rekordjahr
30 Jahre Golden Slam

Vor 30 Jahren gelang Steffi Graf etwas, was in der Tenniswelt einzigartig ist: Der Golden Slam – der Gewinn aller vier Grand Slam Titel in einem Jahr, vergoldet mit dem Olympiasieg. 1988 war ein denkwürdiges Jahr mit einem denkwürdigen Olympiafinale gegen Gabriela Sabatini.

Von Jessica Sturmberg |
    Steffi Graf, Olympiasiegerin 1988 in Seoul
    Steffi Graf, Olympiasiegerin 1988 in Seoul (Norbert Schmidt/dpa)
    Es war noch Vormittag in Seoul, als Steffi Graf und Gabriela Sabatini zum olympischen Finale antraten. Zwei junge Gegnerinnen, die sich 1988 bereits einige Male spannende Matches geliefert hatten. Die 19 Jahre alte Steffi Graf, Weltranglistenerste, aus dem Örtchen Brühl bei Mannheim und die 18 Jahre alte Argentinierin Gabriela Sabatini. Sabatini war die einzige, die Steffi Graf in dem Jahr zwei Mal bezwungen hatte, wenn auch nicht bei den ganz großen Turnieren.
    Jetzt standen sich die beiden zum Ende eines besonderen Tennisjahres gegenüber. Erstmals nach 64 Jahren war Tennis wieder olympisch. Das Stadion in Seoul füllte sich am Vormittag erst nach und nach. Was die Zuschauer dann zu sehen bekamen, war ein hochklassiges, wenn auch kein hochspannendes Match. Das Spiel von Steffi Graf war zu klar, auch wenn Sabatini immer wieder ihre Klasse aufblitzen ließ. Wie beim heiß umkämpften vorletzten Spiel zum 5:3.
    Beeindruckt von den Ballwechseln
    "Das versetzt die 10.000 Koreaner ins Staunen – Sabatini – zwischen den Beinen hindurch ging dieser Schlag wie ihn Yannick Noah populär gemacht hat, den auch Boris Becker kann."
    ZDF-Kommentator Rainer Deike war beeindruckt von den spektakulären Ballwechseln der beiden, hier holte Sabatini den Punkt, nachdem sie den Ball durch die Beine gespielt hatte und ein Lob von Steffi Graf ins Aus gegangen war.
    Krönender Höhepunkt
    Es war ein Match, wie gemacht als krönender Höhepunkt für alle Tennisfans: Eine anspruchsvolle Begegnung zweier Topspielerinnen auf Höchstniveau. Steffi Graf hatte das Jahr begonnen als Weltranglistenerste, aber nicht unbedingt auch schon als die große Favoritin für alle Grand Slams. Da war noch die starke Martina Navratilova, die sie im Jahr zuvor in Wimbledon besiegt hatte, die US-Amerikanerin Chris Evert und eben jene Gabriela Sabatini.
    In Melbourne gewann Steffi Graf das Finale gegen Evert, die sie vor allem im zweiten Satz herausforderte, in Wimbledon drehte sie das Match gegen Navratilova, als diese sich schon auf dem Weg zum Sieg wähnte, bei den US Open brauchte sie ebenfalls drei Sätze gegen Sabatini. Aber welche Dominanz sie auf dem Platz ausspielte, wurde vor allem im Finale der French Open deutlich, als sie die völlig überforderte Natalia Zvereva aus der Sowjetunion in 32 Minuten mit 6:0 und 6:0 vom Platz fegte.
    "Kann man nicht programmieren"
    Zvereva hatte in diesem denkwürdigen Finale ganze 13 Punkte geholt, 11 davon waren Fehler von Steffi Graf, die sich nach dem Spiel für ihre Überlegenheit entschuldigte. Ein paar Jahre später, 1996, als ihr fast nochmal ein Grand Slam gelang, sagte sie:
    "Es ist auch für mich immer wieder ein verrücktes Gefühl einfach danach da zu sitzen und dann diese Frage zu beantworten: "Wie hast Du es geschafft?" Weil, ich hab keine Ahnung wie ich es immer wieder hinkriege, muss ich ehrlich sagen. Also ich versuch zwar immer mich möglichst gut vorzubereiten und alles dafür zu tun aber dass ich dann immer auf den Punkt fit bin, vom Kopf her da bin, das kann man nicht programmieren, das scheint vielleicht ein bisschen so im Moment bei mir, aber es ist immer wieder etwas Besonderes."
    Doch damals 1988 war es noch wie ein Rausch. Für ihre Doppelpartnerin bei den Olympischen Spielen, Claudia Kohde-Kilsch, mit der sie ein Appartmentzimmer im Olympischen Dorf teilte und Bronze holte, war es gar nicht zu begreifen:
    "Also was das eigentlich bedeutet, weil man das Siegen von Steffi auch irgendwie gewohnt war und die Goldmedaille von ihr war eigentlich auch irgendwie von der Öffentlichkeit eingeplant."
    Mit ihrer Doppelpartnerin Steffi Graf (r.) gewinnt Claudia Kohde-Kilsch 1987 in Vancouver den Federation-Cup.
    Mit ihrer Doppelpartnerin Steffi Graf (r.) gewinnt Claudia Kohde-Kilsch 1987 in Vancouver den Federation-Cup. (picture-alliance / dpa)
    Von ihr selbst wahrscheinlich auch. Ihre Ausstrahlung ließ an diesem sonnigen Tag keinen Zweifel, dass sie fest an sich glaubte. Nach einer Stunde 22 Minuten beim Stand von 6:3 und 5:3 hatte sie Matchball. Der Kommentator damals:
    "Das ist er. Was hat dieses Mädel geleistet in diesem Jahr. Sie gewinnt nach dem Grand Slam auch nun das olympische Gold mit 6:3 und 6:3 und nun läuft sie, das ist schon Tradition hinüber zu ihrem Vater (…) Umarmung mit dem Teamchef, dem Bundestrainer Klaus Hofsäss und nun strahlt Peter Graf natürlich. Was gibt es im Tennis noch mehr zu gewinnen als den Grand Slam, die vier großen Profiturniere und dann Olympia?"
    Kohde Kilsch sagt heute: "Und das ist einem dann erst hinterher bewusst geworden – wow – jetzt hat sie alle vier Grand Slams gewonnen plus noch die Goldmedaille als Sahnehäubchen obendrauf."
    "Das wird nie wieder erreicht werden"
    Welche Bedeutung dieser Golden Slam historisch gesehen hatte, war damals nicht nur Claudia-Kohde-Kilsch kaum klar, die Tenniswelt feierte einfach ihren jungen Superstar. Und die Sportart, die gerade erst wieder auf die olympische Bühne zurückgekehrt war, hatte ihre Geschichte. Eine, die bis heute unerreicht ist und nach Ansicht von Bundestrainerin und Wegbegleiterin Barbara Rittner auch wohl unerreicht bleiben wird:
    "Also ich persönlich glaube, dass der Golden Slam nie wieder von jemandem erreicht wird, es ist was ganz Besonderes. Da muss so viel in einem Jahr zusammenkommen, dass man alle vier Grand Slams und Olympia gewinnen kann. Ich sehe im Moment niemanden. Ich glaube auch, dass Serena Williams es nicht mehr schaffen wird, auch wenn sie sogar mehr Grand Slam-Turniere dann insgesamt gewonnen hat, aber dieser Golden Slam, den kann niemand mehr Stefanie Graf nehmen."
    Tennis-Bundestrainerin Barbara Rittner
    Tennis-Bundestrainerin Barbara Rittner (dpa/picture alliance/Arne Dedert)
    Die mittlerweile 49-Jährige selbst äußert sich nicht und zeigt sich kaum noch in der Öffentlichkeit. So sehr sie Tennis liebte, war der damit verbundene Ruhm nie ihre Sache. Schon früh hatte sie davon gesprochen "am liebsten nach Amerika zu verschwinden", was sie wahr gemacht hat. Seit 17 Jahren ist sie mit André Agassi verheiratet, mit dem sie zwei Kinder hat. Dem Publikum hat sie bis 1999, ihrem letzten Grand Slam-Sieg in Paris und dem darauffolgenden Rücktritt viele Jahre großes Tennis beschert. Steffi Graf war insgesamt 377 Wochen Nummer eins der Welt im Frauentennis.