Ein Holzboot auf dem sich Menschen in orangenen Rettungswesten drängen, in Panik ins Wasser springen, Helfer, die versuchen, sie in Schlauchboote zu retten – Szenen, die die italienische Küstenwache in dieser Woche veröffentlicht hat. Szenen, die sich so täglich wiederholen und die Seenotretter und Gemeinden in Italien zunehmend überfordern.
"Wir sind überladen, überladen, überladen. Wir haben keine Plätze und wissen nicht, wohin wir die Menschen packen sollen. Wir sind voll. Wir haben keine Unterbringungsmöglichkeiten mehr, nur Zelte. Was sollen wir tun, ich weiß nicht, was wir tun sollen."
Ruf nach einer Obergrenze
Giuseppe Gerarci, Bürgermeister der kalabrischen Kleinstadt Corigliano Calabro. Im Süden des Landes sind in den vergangenen Tagen etwa 5.000 Flüchtlinge und Migranten angekommen, für das Wochenende soll sich die Zahl auf 7.000 erhöhen, so die Wochenbilanz der Nachrichtenagentur Ansa. Sie kommen zusätzlich zu den fast 85.000, die Italien in diesem Jahr bereits erreicht haben – und den mindestens 2.300 Menschen, die das nicht lebend geschafft haben. Inzwischen macht auch in Rom der Ruf nach einer Obergrenze die Runde.
"Das Ziel ist es, das Spiel in Europa zu spielen und das gemeinsam anzugehen. Aber wenn das nicht geschieht: Mehr als eine bestimmte Zahl können wir nicht aufnehmen. Da gibt es die Vision der Rechten: Wir schicken alle weg und die der Linken: Wir nehmen alle auf. Und dann gibt es die große Mehrheit der Italiener, die vernünftig denken, dass es richtig ist alle Männer, Frauen und Kinder aus dem Meer zu retten, aber dass wir sie dann nicht alle aufnehmen können", so Matteo Renzi in dieser Woche, Chef des regierenden Partito Democratico und Ex-Premier.
Nachdem er in den Sozialen Medien gepostet hat, Migranten solle erst einmal bei ihnen Zuhause geholfen werden, wird die vermeintlich "neue Linie" Renzis viel diskutiert, dem auch Parteikollegen Populismus vorwerfen. Der Ansatz aber, die Ursachen von Flucht und Vertreibung zu bekämpfen, ist so neu nicht. Am Donnerstag ist Italiens Innenminister Marco Minniti deshalb zum wiederholten Mal nach Tripolis gereist. Mitgebracht hat er einen Pakt gegen kriminelle Schleuser. Doch Kooperationen wie diese, so kritisiert der Migrationsverantwortliche von Caritas Italien, würden das Problem nicht lösen.
"Mich hat das nie wirklich überzeugt, die Frage der Flüchtlingsströme gemeinsam mit einem Land zu lösen, das keine Einheitsregierung hat, in dem es einen enorm hohen Korruptionslevel gibt. Die Situation mit Libyen zu lösen, obwohl das nicht mal mit der EU funktioniert, das wirkt auf mich sehr realitätsfern. Denn die Menschen dort sind nicht sicher, wir registrieren ständige Verstöße gegen ihre Rechte. Das ist zuallererst unsere Sorge", so Oliviero Forti im Interview mit Radio Vatikan.
Drohungen aus Rom
Auch er plädiert für mehr europäische Solidarität bei der Verteilung und Aufnahme von Flüchtlingen. Nachdem die italienische Regierung vor zwei Wochen gefordert hatte, dass auch andere EU-Staaten ihre Häfen für Flüchtlinge öffnen, folgt nun die nächste Drohung. Aus Brüsseler Diplomatenkreisen heißt es, Italien wolle die Verlängerung der EU-Mission Sophia blockieren. Nur wenige Tage bevor das Mandat am Montag verlängert werden sollte. Konsequenzen für die Seenotrettung befürchtet Roland Schilling vom Flüchtlingshilfswerk UNHCR jedoch nicht:
"Ich glaube, das hat keinen Einfluss darauf denn die Zielrichtung von Sophia war die Schmuggelbekämpfung und Sophia war nur beschränkt natürlich effektiv, denn sie konnten nie in libyschen Gewässern operieren, das wäre ja dann eine Einschränkung der Souveränität gewesen. Das heißt, auf dieses Schmugglergeschäft hatte Sophia relativ geringen Einfluss."
Den Ton in der Flüchtlingskrise wird die erneute Drohung aus Rom wohl dennoch verschärfen.