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Steinbrück weist Vorwürfe in Honorardebatte zurück

In der Debatte über seine Nebeneinkünfte geht SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in die Offensive. Er habe kein schlechtes Gewissen, sagte Steinbrück. Er betont, dass die aktuellen Transparenzrichtlinien für Abgeordnete gegen den Widerstand von Union und FDP verabschiedet worden seien.

Peer Steinbrück im Gespräch mit Peter Kapern |
    Peter Kapern: Ob er sich das so vorgestellt hat? Seit gut einer Woche ist klar, dass Peer Steinbrück für die SPD als Kanzlerkandidat in die nächste Bundestagswahl ziehen wird. Seither hat er aber wenig Gelegenheit, deutlich zu machen, wie Deutschland denn regiert würde, wenn er Kanzler wäre. Stattdessen redet alle Welt darüber, wo der Bundestagsabgeordnete Steinbrück geredet hat - für Geld und für wie viel Geld. Gestern hat der Kanzler in spe dann eine Gegenoffensive angetreten, und die kann er uns nun erklären. Guten Morgen, Herr Steinbrück!

    Peer Steinbrück: Guten Morgen, Herr Kapern!

    Kapern: Herr Steinbrück, was haben sie in der vergangenen Woche über das Leben eines Kanzlerkandidaten gelernt?

    Steinbrück: Ich habe ja vorher, wenn Sie sich erinnern, noch in der Phase, lange bevor der Parteivorsitzende mich vorgeschlagen hat, gesagt, dass jeder Kandidat an der Wand entlang gezogen wird, zersägt wird, auseinander genommen wird, dass jeder Stein umgedreht wird, um zu sehen, ob darunter Getier ist, und dass eben jedes Kaugummi unter die Fußsohle geklebt werden soll. Und es ist sehr durchsichtig, dass das einige jetzt versuchen zu tun.

    Kapern: Wie zersägt sind Sie, und wie viele Kaugummis haben Sie unter der Sohle?

    Steinbrück: Gar nicht, weil ich ja kein schlechtes Gewissen habe, sondern ich habe bei Unternehmen wie Banken, Versicherungen, auch Anwaltskanzleien, die gewinnorientiert sind, für eine Leistung, die ich erbracht habe, ein Honorar genommen. Daran kann ich nichts Merkwürdiges, nichts Ehrenrühriges finden. Während ich bei allen anderen, bei Schulen, bei Universitäten, bei ehrenamtlichen Organisationen, Vereinen, Betriebsräten, Gewerkschaften et cetera selbstverständlich kein Honorar genommen habe. Und diese Angaben habe ich, lupenrein den Regeln des Deutschen Bundestages entsprechend angegeben. Das wissen übrigens diejenigen, die das heute aufmischen, seit zwei oder drei Jahren.

    Kapern: Wenn Sie nun der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt als "Liebling der Spekulanten" bezeichnet, weil Sie Vorträge bei Banken gehalten haben, trifft Sie das?

    Steinbrück: Na ja. Herr Dobrindt aus Bayern ist ohnehin als lose Kanone an Deck bekannt, siehe seine Einlassung zu Europa. Aber es ist einfach absurd, denn es waren ja viele Journalisten auch dabei, die bei solchen Veranstaltungen mich haben reden hören. Und die werden bestätigen können, dass ich alles andere als ein Knecht des Kapitals gewesen bin. Im Gegenteil. Und mein jüngst vorgestelltes Papier zur Bändigung der Finanzinstitute beweist ja auch das Gegenteil. Dass ich darüber mein eigenes Denken nicht abgegeben habe. Insofern ist es, gelinde gesagt, absurd, man kann auch sagen, dämlich.

    Kapern: Sie sagen, an Ihren Reden vor Banken, für Banken, sei nichts Ehrenrühriges. Wenn nun unter den Finanziers Ihrer Reden auch Finanzinstitute aus der Schweiz und aus Liechtenstein gewesen wären, wie das der "Fokus" heute Morgen berichtet, würde das Ihr Urteil dann ändern?

    Steinbrück: Gar nicht! Denn ich habe jüngst eine Rede gehalten in der Schweiz in der Nähe von Zürich, vor 750 Gästen, und habe dort sehr dezidiert zu Europa, der europäischen Integration, der Bankenregulierung und auch zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug geredet. Übrigens in Gegenwart von vielen Journalisten, und einige haben darüber auch sehr korrekt berichtet. Wo soll das Problem liegen? Ich habe mich in diesen Jahren für eine Bankenregulierung, für die Bekämpfung der Steuerhinterziehung, Steuerbetrug eingesetzt und rede in diesen Sälen nicht anders als ich öffentlich rede. Und das wissen die Menschen auch.

    Kapern: Das Problem, Herr Steinbrück, könnte darin liegen, dass beispielsweise, wie der "Fokus" schreibt, einer der Mitfinanziers der Reden die Liechtensteiner Lebensversicherung Prisma Live gewesen sein könnte. Und deren Chef, Markus Brugger, wirbt für seine Produkte damit, dass die Liechtensteiner die Vorteile des Versicherungsgeheimnisses ausnutzen, das ganz dem Schweizer Bankgeheimnis entspreche.

    Steinbrück: Das ist alles sehr konstruiert. Ich bin eingeladen worden von einer Gruppe von Gastgebern. Ich weiß im Einzelnen gar nicht, ob da ein Liechtensteiner Unternehmen dahinter gestanden hat, sondern ich bin eingeladen worden von seriösen Leuten, ich habe auf dem Panel zusammengesessen ebenfalls mit seriösen Leuten. Also es scheint mir jetzt alles der Versuch zu sein, in der vierten oder fünften Ableitung etwas zu finden, was irgendetwas Ehrenrühriges oder irgendetwas Merkwürdiges haben soll. Journalisten sind hinterher und befragen eine ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin von mir, wie es um meine Integrität bestellt ist. Es werden Dinge ausgegraben, die sich hinterher als absolut nichtig herausstellen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Da sind Journalisten, die glauben, ich hätte mein Aufsichtsratsmandat bei Borussia Dortmund in der Vergütung nicht richtig angegeben. Selbstverständlich habe ich es angegeben. Der Deutsche Bundestag hat es nur nicht veröffentlicht, weil es unter die Bagatellgrenze fällt. Das heißt, in vielen Fällen stellt sich hinterher als ganz normal heraus, was vorher skandalisiert wird. Es sind offenbar einige sehr nervös darüber geworden, dass ich Kanzlerkandidat der SPD bin.

    Kapern: In den vergangenen Tagen und auch eben wieder haben Sie ja betont, Herr Steinbrück, dass Sie alle Transparenzregeln des Bundestages eingehalten haben. Und jetzt wollen Sie trotzdem noch transparenter werden. Erweckt das nicht den Eindruck, dass Sie mit Ihrer Wahlkampagne in die Defensive geraten sind?

    Steinbrück: Nein. Sondern ich sage schlicht und einfach, ich habe mich allen Regeln entsprechend, steuerrechtlich sowieso, korrekt verhalten, stelle aber fest, dass einige den Versuch unternehmen oder es für richtig halten, dass das noch transparenter wird. Das ist der Grund, warum ich jetzt einen Wirtschaftsprüfer beauftragt habe, alle Daten noch einmal zusammenzusammeln. Das ist nicht ganz leicht, weil gelegentlich ja auch privatrechtliche Verträge dazu führen, dass ich den Vertragspartner erst fragen muss, ob diese Daten veröffentlicht werden dürfen. Wenn das der Fall ist, dann wird das an die Öffentlichkeit gegeben. Bei manchen meiner Angaben sind Redneragenturen, Veranstaltungsagenturen in der Liste des Deutschen Bundestages enthalten. Da wäre ich gerne bereit und möchte gerne, dass deutlich wird, wer der konkrete Veranstalter gewesen ist.

    Kapern: Haben Sie die Debatte um Ihre Rednerhonorare bislang unterschätzt?

    Steinbrück: Na ja, die hat es ja schon gegeben vorher - das habe ich ja vorhin angedeutet. Die ist ja nicht neu. Die Tatsache, dass ich insbesondere 2010, im ersten Jahr als Oppositionspolitiker, sehr viele Reden auch honorarpflichtig gehalten habe - das ist alles hinlänglich bekannt. Sondern es findet jetzt statt eine Art Aktualisierung oder eine Art Schub, der natürlich etwas damit zu tun hat, dass ich seit einer Woche vorgeschlagen bin als Kanzlerkandidat der SPD. Insofern ist der Resonanzboden, auf dem das stattfindet, eigentlich ziemlich klar und übersichtlich.

    Kapern: Nun wollen Sie ja bald auch Ihre Durchschnittshonorare veröffentlichen, die jährlichen Durchschnittshonorare, die Sie für die Reden bekommen haben. Was ließe sich daraus überhaupt ableiten, denn schließlich zielen Ihre Kritiker ja gerade darauf, dass Sie möglicherweise eine zu große Nähe zu einigen wenigen Großzahlern gehabt haben könnten.

    Steinbrück: Ich habe solche Nähe nicht. Entschuldigen Sie - wenn ich bei der Deutschen Bank rede und dem Publikum und auch der Deutschen Bank gelinde gesagt auch einen einschenke über all das, was verkehrt gelaufen ist, dann wird man mir eine solche Nähe, und wie ich vorhin gesagt habe, eine solche Abhängigkeit nicht unterstellen können mit Blick auf das, was ich dort gesagt habe. Übrigens auch nicht mit Blick auf die Schlussfolgerung, die ich gerade vorgelegt habe zur Bankenregulierung. Das ist wirklich - noch mal, es ist absolut absurd. So. Das Thema der Höhe der Honorare ist schwierig im Einzelnen darzustellen, weil ich jeden einzelnen Vertragspartner bitten möchte, die Erlaubnis zu erteilen, dass die konkrete Zahl bekannt gegeben wird. Also halte ich es für richtig, dass ich für 2009, 2010, 2011 klar mache, was habe ich durchschnittlich für einen Vortrag bekommen vor Steuern und nach Steuern. Ich habe übrigens sehr viele Steuern gezahlt, was ich ganz richtig finde.

    Kapern: Die Diskussion, der Sie sich stellen müssen in diesen vergangenen Tagen, das kann man mutmaßen, ist vielleicht für Sie nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig - haben Sie eine Vorstellung davon, wie Transparenzregeln im Bundestag aussehen müssten, damit solche Diskussionen künftig ausgeschlossen sind?

    Steinbrück: Na ja, dann mache ich gerne den Schritt nach vorne, und das habe ich ja gestern getan, dann verschärfen wir die Transparenzrichtlinien des Deutschen Bundestages. Dann muss jeder Abgeordnete mit jedem Cent genau angeben, was er über Nebeneinkünfte bekommen hat, bei wem, wofür und wann. Übrigens: Die derzeitigen Transparenzrichtlinien sind gegen den Widerstand von CDU/CSU und FDP durchgesetzt worden. Und CDU/CSU und FDP in dieser Regierung wehren sich dagegen, das zu übernehmen, was die UNO beschlossen hat mit Blick darauf, dass Abgeordnetenbestechung unter Strafe gestellt werden soll. So viel zur Scheinheiligkeit, die man da gelegentlich auf der anderen Seite auch vorfindet.

    Kapern: Die Idee eines gläsernen Abgeordneten, ist die Ihnen wirklich in der Substanz sympathisch?

    Steinbrück: Nein, sie ist es nicht. Aber das ist nun in Fahrt gekommen. Und da sage ich dann, dann bringe ich mich da gerne ein. Diejenigen, die glauben, mich da jetzt im Augenblick angreifen zu können, die können die Auseinandersetzung gerne darüber haben. Ich glaube, dass eine gewisse Privatheit gelten muss. Ich glaube, dass es Transparenz nur in Diktaturen gibt und dass die Art der Debatte, die wir führen, der Politik und der, sagen wir mal, politischen Klasse auch nicht guttun. Es werden viele Vorurteile, viele Ressentiments bei den Wählerinnen und Wählern, bei den Bürgerinnen und Bürgern bestätigt nach dem Motto: Die sind so, die sind in einem System der Vorteilsgewährung und Vorteilsnahme, die bereichern sich et cetera. Und da muss man aufpassen, dass man über Parteigrenzen hinweg nicht einen Prozess in Gang setzt, der die Politik insgesamt beschädigt. Und bei einigen Stellungnahmen bezogen auf meine Person habe ich den Eindruck, das merken die gar nicht.

    Kapern: Das heißt aber doch, dass der Kanzlerkandidat Steinbrück Transparenzregeln fordert, die dem, sagen wir mal, Politiker Steinbrück, gar nicht so in den Kram passen.

    Steinbrück: Na ja, ich glaube schon, dass ein Politiker Rechenschaft ablegen muss über das, was er neben seinem Mandat oder neben seiner Funktion als Politiker tut, und dazu bin ich auch gerne bereit. Auf der Grundlage der bisher geltenden Regeln habe ich mich lupenrein und entsprechend verhalten. Wenn diejenigen sagen, das reicht nicht, dann bin ich gerne dabei und sage, dann steigern wir das Ganze, dann müssen die Angaben noch deutlicher, noch präziser sein.

    Kapern: Wenn es zu dieser Steigerung kommen soll, dann müsste ja auch die SPD mitziehen. Die linke Abgeordnete Dagmar Enkelmann hat gestern berichtet, dass bei der letzten Sitzung der Rechtstellungskommission des Deutschen Bundestages, bei der es um das Thema Transparenz gehen sollte, die SPD einfach nicht anwesend war.

    Steinbrück: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht Mitglied bin dieser Kommission oder dieses Ausschusses.

    Kapern: Aber Sie gehen schon davon aus, dass Ihre Partei Ihre Transparenzvorschläge unterstützt?

    Steinbrück: Ja. Insbesondere nach den Einlassungen von einigen führenden Mitgliedern meiner Fraktion, ja.

    Kapern: Der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Steinbrück, danke für das Gespräch, und ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

    Steinbrück: Ich Ihnen auch, Herr Kapern, Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.