Archiv

Steinkohleförderung
Vom Revier hinaus in die Steinkohlewelt

In Bottrop wird die letzte Steinkohlezeche im Ruhrgebiet geschlossen, der deutsche Steinkohlebergbau ist danach Geschichte. Was machen die Unternehmen, die ihre Wurzeln im Bergbau haben? Der Maschinenbauer Eickhoff schickt Anlagen und Know-how hinaus in die Steinkohlereviere der Welt.

von Klaus Deuse |
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Ein Koloss für den Kohleabbau - Walzenlader von Eickhoff (Eickhoff/ Dradio)
    Ganz langsam setzt sich das gelblackierte, rund 140 Tonnen schwere Gebilde aus Stahl in der Montagehalle der Bochumer Maschinenfabrik Eickhoff in Bewegung. Ein mehr als zehn Meter langer und drei Meter hoher Koloss, an dessen beiden Enden zwei große Tragarme allmählich in die Höhe fahren.
    "Wir sehen hier eine SL 1000. Das ist die größte Maschine, die im Moment von Eickhoff hergestellt wird. Die ist für den chinesischen Markt, und der Kollege bedient die Maschine jetzt. Wir werden die über die Winden nach links fahren. Und was Sie jetzt auch sehen, dass die beiden Walzentragarme gehoben werden. Ich sag mal in einer Stellung, um die Kohle abzubauen",
    beschreibt Detlef Wessel, Vorabeiter in der Endmontage, diese mächtige Abbaumaschine für den Untertagebergbau, die weltweit gefragt ist.
    Krise begann vor fast vierzig Jahren
    Stückpreis dieses Walzenschrämmladers: einige Millionen Euro. Von der Konstruktion dauert es bis zur Fertigstellung allerdings auch über ein Jahr, erläutert Geschäftsführer Dr. Rolf Wittor auf dem Weg von der Montagehalle zum Sitzungszimmer im ersten Stock des Verwaltungsgebäudes. Ein mit dunklem Holz getäfelter Raum mit Portraits der Firmeninhaber, in denen sich die lange Geschichte des Unternehmens spiegelt. Seit 1864 stellt Eickhoff Abbaumaschinen für den Bergbau her. Jahrzehnte lang vorwiegend für den heimischen Bergbau. Doch als sich die Krise des deutschen Steinkohlenbergbaus in den 1980er Jahren zuspitzte, musste man neue Absatzmärkte finden, sagt der 54jährige Geschäftsführer.
    "Wir haben die Maschinen nicht einfach exportieren können, weil der deutsche Kohlenbergbau mit relativ geringen Flözmächtigkeiten ausgekommen ist. Die internationalen Kohleabbaugebiete weisen viel größere Flöze auf, sodass für uns die große Herausforderung bestand, leistungsstärkere Maschinen zu bauen."
    Maschinen wie den Walzenschrämmlader SL 1000, erklärt Rolf Wittor:
    "Weil die Walzen, die dort schneiden, inzwischen bis knapp vier Meter groß sind und davon zwei Stück sich an einer Maschine befinden, kommt eine Monatsleistung von 1,5 Millionen Tonnen heraus, die unsere Maschine schneidet. Das ist Weltrekord übrigens, den wir erst in diesem Jahr wieder eingestellt haben mit einer Maschine, die in Russland läuft."
    China, Russland, Australien machen weiter
    Die Jahresproduktion liegt bei rund 20 Maschinen. Hauptabsatzmarkt ist China, gefolgt von Russland und Australien. Hinzu kommen Kohleförder in Polen und Tschechien. Außerdem liefert Eickhoff Maschinen für den
    Untertageabbau in Gruben in Südafrika und Indien. Nicht zu vergessen, ergänzt Ralf Wittor, Maschinen für den Abbau von Kalisalzen. Mit dem im deutschen Steinkohlebergbau erworbenen Knowhow ist es dem Traditionsunternehmen gelungen, in einer Marktnische zum Weltmarktführer zu avancieren. Und da Kohle nicht gleich Kohle ist, blickt Ralf Wittor durchaus zuversichtlich in die Zukunft. Schließlich gibt es neben der thermischen Kohle für die Energieerzeugung auch metallurgische Kohle, die zur Stahlherstellung genutzt wird.
    "Und wenn man an die Stahlwerke denkt und auch an die Zukunft von Stahl, gehen wir mal davon aus, dass das nicht abgeschafft wird, so dass auch die Kohleförderung, die nicht der reinen Verbrennung dient, sondern der Reduktion im Stahlherstellungsprozess, dass dort auch weiterhin Kohlemaschinen gebraucht werden."
    Früher Kohle, heute auch Windkraft
    Insgesamt beschäftigt Eickhoff rund 1.200 Mitarbeiter, davon 340 im Bereich Bergbau. Der Jahresumsatz beläuft sich auf knapp 300 Millionen Euro. Etwa die Hälfte davon erwirtschaftet man übrigens mit einem zweiten Standbein, das im Zuge der Energiewende aufgebaut wurde: der Herstellung von Getrieben für Windkraftanlagen. Auch hier konnte das Unternehmen auf Technologien aufbauen, die sich im Bergbau bewährt haben. Aber auch bei den Bergbaumaschinen wird die Entwicklung vorangetrieben.
    "Es ist also so, dass die Güte der Maschinen nicht nur in der Mechanik liegt, sondern die Anforderung heißt: Maschinen zu bauen, wo kein Mensch mehr daneben stehen muss in dieser gefährlichen Umgebung. Und das Stichwort heißt: mannloser Streb."
    'Mannloser Streb'- das ist der Fachbegriff für Industrie 4.0 unter Tage. Mit Hilfe von Kamera- und Messsystemen lassen sich die Maschinen von über Tage steuern.
    In einem anderen Bereich arbeitet Eickhoff aber durchaus nicht 'mannlos', im Gegenteil: Ohne Service vor Ort kommt man in den Kohlerevieren der Welt nicht aus. So unterhält Eickhoff zur Wartung der Maschinen in Russland, China und Australien eigene Werkstätten. Denn um zur Überholung sozusagen am Stück nach Bochum transportiert zu werden, sind die Maschinen zu kompakt.
    Digital in den Kohlerevieren der Welt
    Das gilt auch für die Auslieferung nach der Fertigstellung. Unter der Aufsicht von Detlef Wessel werden die Maschinen darum in der Werkhalle intensiv auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft.
    "Wir bauen die Maschinen aus den einzelnen Komponenten in der Endmontage auf. Montieren die komplett, verdrahten die, Schläuche verbinden und auch noch einen 24-Stunden-Test über Nacht durchgefahren. Und dann wird wieder alles zerlegt und für den Versand bereitgestellt."
    In diesem Fall nach China, um vor Ort von Ingenieuren und Monteuren aus dem Ruhrgebiet für den Abbaubetrieb vorbereitet zu werden. Das Kohlegeschäft geht weiter. Andernorts auf der Welt.