Alles beginnt mit dem Wal – dem Wal Moby Dick. Er zieht sich quer durch die Station Berlin am Gleisdreieck. Der Text hängt großformatig an den Decken der Messe. Ein langes Kinderbuch, ein "long read" – als Kontrapunkt zur digitalen Kürze. Denn: Länge, Tiefe, nicht Kürze, das ist der Schwerpunkt der Digitalmesse Republica in diesem Jahr.
Das Motto: to long, didn’t read – zu lang, kann ich nicht lesen.
"Im übertragenen Sinn ist es eine Bezeichnung für ein Symptom in unserer Zeit: Uns scheint die Welt komplexer geworden. Man reagiert mit Verkürzungen darauf, weil man Dinge nicht mehr greifen oder fassen kann. Wir wissen aber auch, dass diese Verkürzungen gefährlich sein können, sie werden zu Parolen und Hülsen."
Erklärt Alexandra Wolf das Motto. Sie hat das Programm mitgeplant.
Fehlende inhaltliche Tiefe - auch der Bundespräsident ist besorgt
Zu kurz, zu schnell, zu wenig Tiefe. Eine Entwicklung, die auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besorgt, der die Republica in diesem Jahr eröffnet – und ihr damit noch mehr Aufmerksamkeit und Größe verschafft.
"Was hat eigentlich so eine analoge Institution wie der Bundespräsident auf einer so digitalen Veranstaltung wie der Republica zu suchen. Ich kann ihnen versichern, es ist nicht die Etikette, die uns zusammenbringt, es ist die Sache."
Es geht ihm um Populismus im Netz, aber auch um die Übermacht der Großen – Google, Facebook etwa. Auch sie setzen der Nutzerschaft lange Texte vor, zu lange Texte. Republica-Gründer Markus Beckedahl fragt denn auch: Wie gehen wir mit der Marktmacht von immer weniger Plattformen um, "die einseitig bestimmen, wie wir kommunizieren können, die uns 50-seitige too long didnt read Geschäftsbedingungen vorsetzen, die sie einseitig immer wieder verändern, die wir eigentlich immer nur akzeptieren können."
Auch die Großen müssen Spielregeln beachten
Für den Bundespräsidenten ist klar – die Plattformen dürfen nicht schalten und walten wie sie möchten.
"Wer hier Geschäfte macht, muss geltendes Recht achten und nicht immer wieder Grenzen austesten, Schlupflöcher suchen und Umsetzung verschleppen. Und wer das dennoch tut, der muss mit Konsequenzen und Strafen rechnen, und das gilt generell, vom Datenschutz über das Wettbewerbsrecht bis hin zum Strafrecht."
Die Marktmacht der Großen - sie treibt auch EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager um, die am Dienstag über Fairness in der digitalen Welt spricht. Überhaupt ist die Republica wie schon in den Vorjahren sehr politisch. Mehrere Mitglieder der Bundesregierung sind hier – auffällig, vor allem jene mit SPD-Parteibuch - Bundesfinanzminister Olaf Scholz etwa, oder auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Sie spricht über nachhaltige Entwicklung mit Hilfe der Digitalisierung. Wie können wir unsere Zukunft auf einem gesunden Planeten sichern? Dafür ist in diesem Jahr viel Raum.
Fridays-for-future - auch auf der Republica ein Thema
Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström, plädiert für einen radikalen Richtungswechsel – und Fridays-for-future-Aktivistin Luisa Neubauer beschreibt, warum es wichtig ist, sich zu organisieren. Für Republica-Mitbegründer Jonny Häusler ist dieser Auftritt ein besonderes Anliegen.
"Wenn wir als Erwachsene sie nicht ernst nehmen, sondern auslachen und mit Verweis auf die Schulpflicht in ihre Grenzen verweisen wollen, kann man das nur werten als Angst vor Kontrollverlust."
Trotz aller Nachhaltigkeit, ohne die Großen geht es auch nicht. Porsche ist in diesem Jahr Hauptpartner der Digitalmesse – und direkt daneben präsentiert sich Volkswagen als Anbieter für neue Mobilitätskonzepte. Es mag auf den einen oder die andere etwas befremdlich wirken. Genauso wie die Pappbecher, in denen Cappuccino und Latte verkauft werden.
Immerhin: Das Namenskärtchen, das sich die Teilnehmenden umhängen, um sich auch im Analogen zu erkennen, kann nach Ende der Messe als Lesezeichen wiederverwendet werden.