Archiv

Steinmeier in Polen
Kritik zwischen den Zeilen

Während seines Staatsbesuchs in Polen schlugen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der polnische Präsident Andrzej Duda versöhnliche Töne an. Zwischen den Zeilen kamen jedoch auch Differenzen zur Sprache - zum Beispiel hinsichtlich der Zusammenarbeit in der EU.

Von Florian Kellermann |
    Das Bild zeigt Bundespräsident Steinmeier, wie er in Warschau von Polens Staatschef Duda empfangen wird. Im Weißen Saal des Präsidialpalastes geben sie sich die Hand.
    Bundespräsident Steinmeier und Polens Staatschef Duda sprachen bei ihrem Treffen auch Differenzen an - zwischen den Zeilen (dpa / Jens Büttner)
    Der offizielle Anlass des Staatsbesuchs ist das große Jubiläum, das Polen in diesem Jahr feiert: Vor hundert Jahren, nach dem Ersten Weltkrieg, erlangte das Land seine Unabhängigkeit zurück. Das ganze 19. Jahrhundert über hatte es auf der europäischen Landkarte keinen eigenständigen Staat Polen gegeben. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erinnerte daran:
    "Ich weiß, wie stolz Polen auf die Erfolge der Zweiten Republik schaut, den Aufbau staatlicher Strukturen, die schwierige und umkämpfte Konsolidierung der Grenzen mit allen damaligen Nachbarn, darunter auch Deutschland, und die Behauptung, die wirklich schwierig war in dem damaligen politischen internationalen Umfeld."
    Versöhnliche Worte
    Steinmeier erwähnte auch, dass Deutschland viel Leid über Polen gebracht hat. Es führte den Untergang der erwähnten zweiten polnischen Republik herbei - durch den Überfall 1939. Auch der polnische Präsident Andrzej Duda suchte versöhnliche Worte. Er betonte die ähnliche Haltung in der Russlandpolitik - Deutschland und Polen treten dafür ein, dass die Sanktionen gegenüber Moskau bleiben. Die großen Differenzen zwischen Berlin und Warschau kamen eher zwischen den Zeilen zur Sprache. Duda sagte:
    "Wir haben gemeinsame Herausforderungen und sollten so handeln, dass es dem gemeinsamen Wohl dient, nicht Einzelinteressen. Wir sollten nicht der Verführung erliegen, egoistisch zu handeln oder dominieren zu wollen. Selbst wenn manche dafür mit wirtschaftlichen Vorteilen werben. Berlin sollte zuhören, was in Warschau gesagt wird - wie wir auch den Stimmen aus Deutschland zuhören."
    Damit meinte Duda unter anderem das Projekt der Gaspipeline Nordstream 2, die Gas aus Russland durch die Ostsee nach Deutschland bringen soll. Polen lehnt die Pipeline ab, weil durch sie deutlich weniger Gas durch die Ukraine und Polen transportiert würde. Dadurch würden diese beiden Länder abhängiger von Russland, so das Argument.
    Unterschiede im Bezug auf die EU
    Unterschiede zeigten sich auch in Bezug auf die Zukunft der Europäischen Union. Polen lehnt eine engere Zusammenarbeit der Euro-Länder ab. Statt weniger will es wieder mehr Kompetenzen für die Nationalstaaten. Es dürfe kein Europa der zwei Geschwindigkeiten entstehen, sagte Duda. Außerdem schätzten die beiden Präsidenten das Rechtsstaatsverfahren der EU-Kommission gegen Polen unterschiedlich ein. Steinmeier sagte am Abend:
    "Auch das darf nicht vergessen werden: Souveränität nach außen hat Voraussetzungen im Inneren. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nämlich. Souverän sind wir Europäer ja nicht, weil wir uns, wo es uns gerade passt, willkürlich irgendwie zusammenraufen, sondern weil wir nach Werten und Regeln handeln, die wir uns selbst gegeben haben."
    Die EU-Kommission hatte ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags gegen Polen eingeleitet. Durch die Gerichtsreform der aktuellen Regierung sieht sie den polnischen Rechtsstaat in Gefahr. Ganz anders Präsident Andrzej Duda:
    "Wenn die EU-Institutionen Mitgliedsländer bestrafen, an den Pranger stellen und ausschließen wollen, dann spielen sie denen in die Hände, die die EU zerschlagen wollen. An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden, dass es in Polen mehr EU-Enthusiasten gibt als in Deutschland."
    Verhältnis soll entspannter werden
    Klar wurde aber auch, dass die Präsidenten das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen entspannen wollen. Duda erwähnte, dass er und Steinmeier im kommenden Jahr gemeinsam des Beginns des Zweiten Weltkriegs gedenken wollen - am 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen.