Bundespräsident Frank Walter Steinmeier will genau wissen, was bei den Jamaika-Sondierungen schief gelaufen ist. Er hat sich Protokolle bringen lassen und empfing nach Kanzlerin Merkel heute auch andere Parteichefs. Um Neuwahlen zu vermeiden, hatte Steinmeier die Parteien aufgefordert, politische Verantwortung zu übernehmen.
Am frühen Nachmittag hat er sich zunächst mit der Grünen-Spitze Simone Peter und Cem Özdemir getroffen, nach knapp einer Stunde war das Gespräch vorbei. Danach kam FDP-Parteichef Christian Lindner ins Schloss Bellevue. Der verließ bereits nach etwa einer halben Stunde das Gebäude wieder. Ergebnisse der vertraulichen Treffen wurden nicht bekannt.
"Vielleicht besinnt sich ja die FDP"
Die Optionen nach Abbruch der Sondierungen bleiben die selben. Der Blick zunächst auf die Jamaika-Parteien: Dass sich bei CDU, CSU, FDP und Grünen noch was bewegt, will Carsten Schneider, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, im Gespräch mit n-tv nicht ausschließen. Er: "will den Gesprächen des Bundespräsidenten nicht vorgreifen. Die werden in den nächsten Tagen geführt und da wird man sehen, ob man zu Neuwahlen kommt. Vielleicht besinnt sich ja die FDP."
Danach sieht es allerdings nicht aus, wenn man einen Brief von FDP-Chef Christian Lindner an Parteimitglieder liest. Im Wesentlichen wiederholt Lindner darin seine Aussagen von Sonntag Nacht.
Nach vier Wochen Sondierungen habe mein unverändert nur ein Papier mit zahllosen Widersprüchen, offenen Fragen und Zielkonflikten. Kein Konsens in den Bereichen Finanzen, Bildung, Zuwanderung - und fehlendes Vertrauen.
Neuauflage einer Großen Koalition?
Stellt man diesem Brief den Brief von CDU-Generalsekretär Peter Tauber an dessen Parteibasis gegenüber, erhält man den Eindruck, beide Politiker hätten unterschiedliche Sondierungen besucht. Die Unions-Verhandler sind aus Sicht von Tauber überzeugt gewesen, dass man sich auf Inhalte hätte einigen können. Er listet mehrere Punkte auf, darunter auch FDP-Themen: Abbau des Soli, Investitionen in Bildung und Forschung.
Wenn die heutigen Gespräche des Bundespräsidenten mit FDP und Grünen und das Treffen morgen mit der CSU nicht zu einem Umdenken geführt haben, wird es als Nächstes auf die SPD ankommen, ob die sie sich nochmal auf Gespräche zur Neuauflage einer Großen Koalition bewegen lässt.
Richtige Schlussfolgerungen ziehen
Die Parteien üben schon mal sanften bis stärkeren Druck auf die Sozialdemokraten aus, wie sich aus Fernsehinterviews von Alexander Dobrindt (CSU), Jürgen Trittin (Grüne) und Peter Altmaier (CDU) heraushören lässt.
"Ich kann auch nicht sagen, ob wir inhaltlich in einer großen Koalition noch zusammenkommen könnten das müsste man auch sondieren, aber die Verweigerung zu Gesprächen. Das ist kein politischer Stil, ich würde sagen, das ist sogar schäbig. - Die wird nun wirklich sich überlegen müssen, ob sie ihre selbst gewählte Politikauszeit weiter verlängern will oder anfangen will, verantwortlich zu handeln. - Wir sollen uns nicht von außen uns einmischen, sondern sollten auch der SPD die Gelegenheit geben die Worte des Bundespräsidenten zu wägen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen."
Vorbereitungen auf Gespräche
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles sagte im ZDF-Morgenmagazin, wie sich ihr Parteichef Schulz auf das Gespräch mit dem Bundespräsidenten übermorgen Vormittag vorbereitet:
"Wir werden uns diesen Gesprächen nicht verweigern, aber - wie gesagt - Frau Merkel hat eigentlich jetzt den Regierungsauftrag. Wir haben allerdings auch eine klare Haltung. Wir sagen, die Große Koalition hatte auch am Ende inhaltlich nicht mehr die Substanz und die Kraft, die sie vielleicht über Jahre hatte und es gibt auch keinen Automatismus, Wir sind auch nicht der Notnagel von Frau Merkel."
Bliebe noch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung, Würden die Sozialdemokraten denn eine solche unter Führung der Union tolerieren?
"Das hängt davon, da müssen wir jetzt drüber reden."
Neuwahlen vor Minderheitsregierung
Über diese Option wird schon seit Tagen geredet, meist aber schlecht. Kanzlerin Angela Merkel sagte, sie würde Neuwahlen einer Minderheitsregierung vorziehen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält eine Minderheitsregierung mit seiner Partei für unwahrscheinlich. "Das Land habe keine Tradition in dieser Hinsicht", sagte er in Stuttgart. Sollte es zu Neuwahlen kommen, will die Fraktionschefin seiner Partei, Katrin Göring-Eckardt, die Grünen erneut als Spitzenkandidatin durch den Wahlkampf führen, sagte sie dem Spiegel.
Die Debatte um die Regierungsbildung ist auch im Parlament angekommen: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble mahnte dabei:
"Es braucht also Verständnis für die schwierige Gratwanderung, die es für alle bedeutet, die politische Verantwortung tragen, für mehrheitsfähige Kompromisse auch in Teilen vom eigenen Wahlprogramm abzurücken. Das ist kein Umfallen, auch keine Profilschwäche."
Schäuble warnte auch davor, die Lage überzubewerten:
"Es ist eine Bewährungsprobe, aber es ist keine Staatskrise. Die Aufgabe ist groß, aber sie ist lösbar."
Wie sie gelöst wird, das zeigt sich in den kommenden Tagen und Wochen.