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Steinzeit
Genetische Analysen belegen Herkunft von Ötzis Kleidung

Über die Gletschermumie Ötzi wird seit vielen Jahren immer wieder berichtet. Kein Jäger und Sammler, sondern ein Bauer soll der Steinzeitmann gewesen sein. Er litt offenbar an Karies und Parodontose, hatte zahlreiche Tattoos auf der Haut und starb an einer Schussverletzung. Jetzt haben Forscher neue Details über den Mann aus dem Eis veröffentlicht.

Von Lucian Haas |
    Die heute weltberühmte Gletschermumie Ötzi wurde vor knapp 25 Jahren im Eis der Ötztaler Alpen gefunden. Seither haben sich schon viele Forscher daran gemacht, anhand von Indizien interessante Details über diesen Steinzeitmann herauszufinden: Wie er lebte, wovon er sich ernährte, wie er sich kleidete. Doch es gibt immer noch Neues zu entdecken, zumal sich auch die Untersuchungsmethoden immer weiter entwickeln. Wissenschaftler am Forschungsinstitut EURAC in Bozen haben jetzt erstmals die ledernen Überreste der Kleidung Ötzis einer genetischen Analyse unterzogen – auf der Suche nach Spuren von alter DNA.
    "Diese Technik ist noch nicht häufig bei altem Leder angewendet worden. Normalerweise wird sie bei anderen Überresten wie Knochen eingesetzt, die ja viel häufiger für archäologische Studien zur Verfügung stehen. Eine Besonderheit von Ötzi ist aber, dass so viel organisches Material erhalten geblieben ist, wie etwa die Lederkleidung. Das gab uns die Möglichkeit, das Leder für Untersuchungen zu nutzen."
    Von welchen Tieren stammte das Leder?
    Niall O’Sullivan ist Paläo-Genetiker. Für die Analysen entnahmen er und Kollegen jeweils rund 250 Milligramm Probenmaterial aus dem Beinkleid, dem Umhang, dem Hut, einem Köcher und den Schuhbändeln von Ötzi. Dann nutzten die Forscher modernste Verfahren der Gen-Sequenzierung und der Bioinformatik, um die bruchstückhafte Information aus noch vorhandenen Überresten alter DNA im Leder herauszulesen und einzuordnen. Anhand typischer Genmarker konnten sie schließlich zuordnen, von welchen Tierarten die einzelnen Lederstücke kamen.
    "Die Kleidung stammte hauptsächlich von domestizierten Tieren: Rinder, Schafe und Ziegen. Wir fanden zudem heraus, dass der Deckel des Pfeilköchers aus Rehleder bestand. Ötzis Hut wiederum war aus dem Fell eines Braunbären. Dieser gehörte zur gleichen Abstammungslinie wie die Braunbären, die heute noch in den Alpen leben."
    Schon frühere Studien hatten gezeigt, dass der Umhang der Gletschermumie aus Schaffell besteht. Die neuen Analysen zeichnen allerdings ein noch genaueres Bild: Es handelt sich um ein Patchwork von Fellstücken verschiedener Schafe und Ziegen. Niall O’Sullivan vermutet, dass die Teile einfach so zusammengenäht wurden, dem Zufall gehorchend, was gerade greifbar war. Dass Ötzi dabei Material von typischen domestizierten Tierarten verwendete, lässt neue Rückschlüsse auf seine Lebensweise zu.
    Ötzi war ein viehaltender Ackerbauer
    "Die Haupterkenntnis unserer Studie besteht darin, dass Ötzi ein viehhaltender Ackerbauer war. Es war ja schon bekannt, dass er Bauer gewesen sein muss. Aber jetzt konnten wir zeigen, dass er Rinder, Schafe und Ziegen nutzte. Und diese Tiere gehören zur gleichen Population wie die Rinder, Schafe und Ziegen, die heute noch in Europa gehalten werden."
    Die gefundenen Spuren von Reh- und Bärenfell deuten wiederum darauf hin, dass Ötzi möglicherweise auch als Jäger- und Fallensteller unterwegs war. Niall O’Sullivan findet zudem noch ein weiteres Detail bemerkenswert.
    "Wir haben die interessante Beobachtung gemacht, dass eine andere Lederhose aus jener Zeit, die in den Schweizer Alpen gefunden wurde, auch aus Ziegenleder war. Das legt nahe, dass die Menschen damals diesem Material bewusst den Vorzug gaben für ihre Beinbekleidung."
    Ist diese Übereinstimmung nur Zufall, war es eine Art von Steinzeitmode oder einfach nur ein ganz zweckorientierter Einsatz von Ziegenleder? Niall O’Sullivan weiß darauf noch keine Antwort. Die Spurensuche bei Ötzi geht aber weiter. Und gerade mit Hilfe der Paläo-Genetik hoffen die Forscher, bald noch mehr Geheimnisse der Mumie aus dem Eis zu entschlüsseln.