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Stella Donnellys "Beware of the Dogs"
Was passiert nach #MeToo?

Die Australierin Stella Donnelly nimmt kein Blatt vor den Mund: Alltagssexismus und sexuelle Gewalt beschäftigten die Newcomerin bereits vor zwei Jahren auf einer EP. Nun, auf ihrem ersten Album "Beware of the Dogs", greift sie aktuelle Debatten auf - und plädiert für weibliche Selbstermächtigung.

Von Jessica Hughes | 09.03.2019
c: George Foster Die Musikerin Stella Donnelly Nur für DLF Corso, Tel. 1634
Stella Donnelly nutzt Einflüsse verschiedener Genres: Ihr gelingt der Schritt vom reduzierten Songwriter-Folk zum Band-Sound (George Foster)
Der Song "Boys will be Boys". Die Geschichte einer Vergewaltigung, die eine Freundin von Stella Donnelly erleben musste. Als wäre das noch nicht genug, wurde das Opfer im Nachhinein selbst in die Täterrolle gedrängt. "Warum hat sie sich auch so aufreizend angezogen?", und so weiter. "Victim Blaming" ist dafür der Fachbegriff. Geschrieben hat Donnelly den Song noch vor der #MeToo-Bewegung, zu hören war er schon auf einer ersten EP. Die meisten Lieder auf dem Debüt "Beware of the Dogs" fragen allerdings: Was passiert nach #MeToo? Der Song "Old Man" zum Beispiel.
Stella Donnelly: "Ich wollte das Gefühl festhalten, dass sich für mich Dinge verändert haben: Wenn ein Mann mich schlecht behandelt, dann kann ich ihn jetzt dafür zur Rechenschaft ziehen."
Intime Tagebuchnotizen
Weibliche Selbstermächtigung als zentrales Thema. Die Australierin, Mitte 20 von kleiner Statur, besingt ihre Beobachtungen und Erfahrungen aus der Ich-Perspektive. Die 13 Songs ihres Albums lesen sich wie ein intimes Tagebuch. Mit zuckersüßen und eingängigen Melodien täuschen ihre Einträge häufig über das hinweg, was Donnelly eigentlich besingt. Vermeintliche Tabus werden in charmante Pop-Songs verpackt. Dabei helfen auch zarte Synthie-Klänge, die auf der sparsam instrumentierten EP noch nicht zu hören waren.
"Warum darf ich keine eigenen Entscheidungen für meinen Körper treffen?", fragt sie im Song "Watching Telly" - ein Song, der einen Schwangerschaftsabbruch thematisiert, etwas, womit sich auch Donnelly mit Anfang 20 konfrontiert sah. In New South Wales, einem von sieben australischen Bundesstaaten, ist Abtreibung nach wie vor strafbar: "Wir müssen das Recht bekommen, unsere eigene Entscheidung treffen zu dürfen. Es ist verrückt, dass 50 Prozent der Bevölkerung für die andere Hälfte mitentscheiden und Religion als Entschuldigung anbringen dürfen.
Wir ruinieren unser Land
Stella Donnelly greift aktuelle Debatten auf und verpackt sie in eingängige Pop-Songs. Häufig erzählen ihre Songs von unangenehmen Typen. Insbesondere ein Typus Mann taucht auf "Beware of the Dogs" gleich mehrfach auf: der australische Redneck, einer, der ein "Southern-Cross-Tattoo trägt", wie Donnelly es besingt, einen Ausschnitt der australischen Nationalflagge, nach Meinung von Donnelly symbolhaft für die Verleugnung der problematischen australischen Geschichte: "Wir ruinieren unser Land, wir betreiben Bergbau an heiligen Orten, das Great Barrier Reef ist tot. Das alles passiert, weil wir nie auf die Leute gehört haben, die dort schon seit tausenden Jahren leben. Deswegen singe ich im Chorus: 'Es gab Pläne, aber wir haben alles falsch herum aufgebaut.' Damit will ich sagen: Wir sind gekommen und haben alles falsch gemacht."
Kein meckernder Millenial: Die Musikerin Stella Donnelly im Porträt
Kein meckernder Millenial: Die Musikerin Stella Donnelly (George Foster)
Wer in Donnelly nur einen meckernden Millenial sieht, liegt falsch. Auch sich selbst reflektiert die Musikerin auf "Beware of the Dogs" kritisch: Die Beziehung, die sie aufgrund ihres neuen Lebens als aufstrebende junge Musikerin nicht halten konnte, das Heimweh und die Distanz, mit der sie nun lernen muss umzugehen.
Immerhin: Alleine auf Tour ist die Musikerin nun nicht mehr - eine Bassistin, eine Schlagzeugerin und ein weiterer Gitarrist sind mit von der Partie. Ihrem Sound hat das nur gut getan. Von sonnigen Indie-Akkorden, über Synth-Pop bis zur reduzierten Songwriter-Ballade: Stella Donnelly nutzt Einflüsse verschiedener Genres. Dabei gelingt ihr der Schritt vom reduzierten Songwriter-Folk zum Bandsound. Bei so viel verträumtem Indie-Pop, kann man über den Text durchaus mal hinweghören, genau zuzuhören lohnt sich aber.