Es sind ungewohnte Bilder: keine Schlange vor dem Louvre in Paris, kein Gedränge in den Uffizien in Florenz. Nach dem Shutdown haben zwar viele Museen wieder geöffnet. Von Besuchermassen aber kann keine Rede sein. In vielen Häusern wird sogar nur ein Bruchteil der erlaubten Eintrittskarten verkauft. Blockbuster-Ausstellungen als Tourismusmagnet? Die wird es wohl auf absehbare Zeit nicht geben. Und wollen wir – nach Corona – überhaupt dahin zurück? Wie sinnvoll ist es, Menschen und Gemälde über die Kontinente zu schicken? Weite Reisen auf sich zu nehmen, um einen kurzen Blick auf die Mona Lisa zu werfen? Geht Kunstkonsum auch anders? Und welche Folgen hat das für Museen und Kunstinteressierte?
Kunstredakteurin Lorch: Die Form von Kunsttourismus wird sich so nicht fortführen lassen
Catrin Lorch ist Autorin und Kunstredakteurin bei der "Süddeutschen Zeitung".
"Die Frage wird wahrscheinlich in Zukunft gar nicht mehr so sein, ob wir Kunsttourismus möchten oder brauchen. Denn nicht nur wegen der Coronakrise, sondern auch aus den Überlegungen, die Museumsdirektoren und Ausstellungsmacher auf aller Welt anstellen wegen der Klimadebatte, wissen wir eigentlich schon heute, dass die Form von Tourismus und auch die Form von Kunsttourismus sich so nicht werden fortführen lassen. Am prominentesten hat das die Tate Modern in London klargemacht, die gesagt hat: Wir stellen uns jetzt sowieso vollkommen um. In einem Einzugsgebiet von sechs Millionen Menschen in London und im Umland von London ist es für uns gar nicht mehr das Hauptziel, eine internationale Destination zu sein. Die Frage wird sein, ob Museen überhaupt noch so wie bisher mit Besucherzahlen allein argumentieren und kalkulieren können. Und es ist grundsätzlich die Frage, ob es überhaupt jemals eine sinnvolle Idee war, die Kunstwerke und die Besucher reisen zu lassen.
Musemusdirektor: Rein eventbasierter Blockbuster-Tourismus wird in Zukunft noch schwieriger
Stephan Berg ist Direktor des Kunstmuseums in Bonn.
"Wir haben uns ja über Jahrhunderte ganz mühsam das Recht erarbeitet, dass Museen demokratische, niedrigschwellige Orte sind, die potenziell für jeden offen sind, natürlich auch für jeden, der von weit her kommt. Und ich glaube, mal jenseits der Blockbuster-Diskussion, dies müssen wir uns für die Zukunft auf jeden Fall erhalten. Wahrscheinlich ist tatsächlich ein rein eventbasierter Blockbuster-Tourismus in Zukunft noch schwieriger, als er heute ist, und auch noch problematischer. Da sind wir wahrscheinlich alle einer Meinung. Man muss aber auch sehen: Diese Form von Blockbuster-Ausstellungen trifft ja nur auf einen ganz schmalen Prozentsatz an wirklich großen Museen zu, die das heute überhaupt noch machen können. Die meisten kommunalen Häuser wie unseres auch betreiben ein ganz anderes Geschäft und setzen von vornherein nicht auf den Massentourismus, aber auf eine große Offenheit."