An der Terrasse wird noch gebaut, und auch sonst sind am und im Haus noch etliche Baustellen. Die kurdisch-alevitische Unternehmerin Nare Yesilyurt ist eine zierliche Frau, das Gesicht umrahmt von dichtem, schwarzem Haar, eine breite lila gefärbte Haarsträhne auf einer Seite, ihr Mantel leuchtend gelb, ebenso die Stiefeletten. Sie führt über das Hospiz-Gelände im brandenburgischen Mahlow, wo ab morgen die ersten Hospizpatienten einziehen werden. "Kulturspezifisch" nennt sie das Konzept für das Haus. Das meint aber nicht, wie man erwarten könnte, ein Hospiz für Muslime.
"Kulturspezifisch heißt, Menschen werden individuell nach ihren Gewohnheiten und Religionen versorgt, und wenn Sie sehen, an unserem Gebäude: Wir haben keine religiösen Symbole. Sondern für mich persönlich sind religiöse Symbole Symbole, die uns voneinander trennen."
"Einige Bewohner hatten Bedenken"
Die Fassade und das Dach des langgestreckten Hauses, das ein bisschen an eine Finca im Süden erinnert, sind mit Mosaiken versehen - Pfauen und Kraniche.
"In der Mythologie, in allen Religionen der Welt ist es so in der Mythologie, dass Kraniche ein Zeichen dafür sind, dass sie die Seelen der Toten auf ihren Rücken in den Himmel tragen. Kraniche symbolisieren Wiederkehr, Reinkarnation und Wachsamkeit und Treue und deshalb habe ich mich für die Kraniche entschieden auf dem Dach, die nach oben fliegen."
Das gesamte Haus ist ebenerdig, jedes der 12 Patientenzimmer führt auf eine Terrasse, ringsum Bäume. Die Gemeinde Mahlow hat der Unternehmerin zu ihrem Grundstück noch einen kleinen Wald verkauft und ein kleines Häuschen, das zu einem Hostel für Angehörige umgebaut wird.
"Seitens der Politik war mein Projekt willkommen gewesen, das einzige Problem ist, einige Bewohner hatten Bedenken und dachten, hier wird jetzt eine Hochburg vom Islam entstehen und hier kommt eine Türkin und jetzt ist das alles für Moslems. Aber die Nachbarn ringsrum haben dann gesehen, dass es nicht so ist."
Anfangs wurden die Scheiben eingeschlagen, sie musste einen Wachschutz engagieren.
Trauerarbeit in der Natur
Über den 14.000 Quadratmeter großen Wald freut sich Nare Yesilyurt ganz besonders, denn Bäume, Natur, sagt sie, sind für die Trauerarbeit wichtig.
"Wenn sie den Verlust des Allerliebsten haben, dass Sie rausgehen können, schreien, heulen, an einen Baum anlehnen, statt sich von Menschen trösten zu lassen, die Sie eigentlich gar nicht mögen."
Nare Yesilyurt spricht aus eigener Erfahrung. Als ihre Mutter tödlich verunglückte, wurde sie von wildfremden Menschen umarmt, das fand sie unangenehm. Trost fand sie in der Natur.
"Hier fehlt was"
Auch in der Gestaltung des Hospizes hat sich die Unternehmerin vor allem davon leiten lassen, was sie selbst schön findet. Bei der Architektur des Hauses hat sie mit der Technischen Universität Berlin zusammengearbeitet, aus mehreren Entwürfen das herausgesucht, was ihr am meisten zusagte: hohe Decken, Licht, Luft, viel Platz, warme, helle Farben. Als der Rohbau fertig war, habe sie einen Baustopp verfügt.
"Irgendwie habe ich gesagt, hier fehlt was, ich kann jetzt nicht weiterbauen. Die Rohbauer waren fertig gewesen, habe ich erst mal Baustopp gemacht, irgendwas fehlt, weiß nicht was - und ich bin auch sehr mystisch veranlagt. Dann habe ich eine Reise nach Barcelona geschenkt bekommen, bin mit meiner Freundin dorthin und habe Gaudi gesehen, da wusste ich: Das ist es, was mir fehlt."
"Ich dachte, ich muss meine Mutter unsterblich machen"
Aus den eckigen Badezimmerwänden wurden runde. Und sie engagierte den Mosaikkünstler Robert Kaller. Der schuf mit seiner Studierendenklasse Mosaikkunstwerke, die jetzt in allen Zimmern, in den Gemeinschaftsräumen, an der Außenfassade und auf dem Dach zu sehen sind - eine einzigartige Kunstlandschaft.
"Einige haben dadurch ihre eigene Trauerarbeit gehabt. Und Abschiednehmen. Ich hatte mich mit einer Studentin unterhalten, ihr Vater ist im Hospiz gestorben und sie hatte immer das Gefühl, dass das Bild, das im Zimmer des Vaters hing, dass ihn das stört. Und für sie war es wichtig, etwas zu machen, wo der Mensch sich nicht gestört fühlt. Schauen Sie mal das Kunststück."
Nare Yesilyurt zeigt auf ein Wandmosaik mit golden und rosa schimmernden Natursteinen, das Empfindungen weckt von Kostbarem und Heiligem. So individuell wie jedes Kunstwerk sind auch Möbel, Geschirr und Bettwäsche. Drei Jahre lang hat Nare Yesilyurt an diesem Konzept gearbeitet und alles Geld, das sie mit den Pflegediensten einnimmt, in dieses Hospiz gesteckt. Das Projekt ist auch ihre ganz persönliche Trauerarbeit. Weil sie sich nicht von ihrer Mutter verabschieden konnte, die so plötzlich mitten aus dem Leben gerissen wurde.
"Ich dachte, ich muss meine Mutter unsterblich machen, also bau ich ein Hospiz. Und neulich hab ich von ihr geträumt, sie hat sich so gefreut, ich hab so richtig sie auch gespürt, sie sagte: Nare, du hast mich wieder zum Leben erweckt."