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Sternstunden
Ginette Neveu spielt Brahms

Mit dem Namen Ginette Neveu ist ein Mythos verbunden, der nicht nur ihre Persönlichkeit und ihre Begabung betrifft, sondern auch ihren tragischen, frühen Tod. Das Violinkonzert von Brahms hat sie insgesamt drei Mal eingespielt, die grandiose Aufnahme aus Baden-Baden gehört zu den weniger bekannten.

Am Mikrofon: Christiane Lehnigk |
    Schwarz-weiß Foto, aufgenommen um 1900, mit dem spielenden Geiger Joseph Joachim, er trägt einen scharzen Anzug und schaut auf das Griffbrett, er trägt einen weißen Vollbart und hat weiße Haare, unten rechts ist seine Unterschrift verzeichnet
    Der Geiger Joseph Joachim half Johannes Brahms bei der Konzeption seines Violinkonzertes. Ginette Neveu spielt Joachims Kadenz. (imago images / Leemage)
    Joseph Joachim gilt als einer der bedeutendsten Geiger seiner Zeit und er war gleichzeitig einer der einflussreichsten Musiker im Musikleben des Zweiten Deutschen Kaiserreichs. Er hatte viele bedeutende Schülerinnen und Schüler und stand im Austausch mit den großen Komponisten seiner Zeit.
    So war er auch mit Johannes Brahms befreundet und beriet ihn bei der Komposition seines Violinkonzertes op. 77, beide Musiker hatten intensiv um die Form des Werkes gerungen. Mit Brahms am Dirigentenpult hat Joachim es auch am Neujahrstag 1879 im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt.
    Ginette Neveu hat Joseph Joachims Kadenz für ihre Einspielung des Violinkonzertes von Brahms am 25. April 1948 in Baden-Baden ausgesucht. Neveu, die noch bei Carl Flesch studiert hatte, war damals 29 Jahre alt und ihre Karriere entwickelte sich rasant.
    Schwarz-weiß Foto im Halbprofil der Geigerin Ginette Neveu, sie hat dunkel-gelockte, halbkurze Haare und dunkle Augen
    Ginette Neveu war eine Ausnahmeerscheinung im internationalen Musikleben und arbeitete unermüdlich an der Vervollkommnung ihrer Interpretationen (imago stock&people)
    Nachdem sie 1935, noch vor David Oistrach, den Wieniawski-Wettbewerb gewonnen hatte, galt sie als die weltbeste Geigerin. Kritiker lobten ihr ausdrucksstarkes, leidenschaftliches, brillantes und souveränes Spiel, wenn es auch manchen doch zu wenig "weiblich" erschien, was auch immer damit gemeint war. Sie setzte dem entgegen: "Das Wichtigste für den Künstler ist die Individualität, die sich immer weiter steigern muss."
    Leider war es Neveu nicht vergönnt, ihre vielversprechende, einzigartige Karriere fortzusetzen. Sie, wie auch ihr Bruder und Klavierbegleiter Jean-Paul, verstarb am 28. Oktober 1949 auf dem Weg zu einer Konzertreise in die USA bei einem Flugzeugabsturz.
    Johannes Brahms, Joseph Joachim (Kadenz)
    Konzert für Violine und Orchester D-Dur, op. 77
    Ginette Neveu, Violine
    Orchestre National de la Radiodiffusion Télévision Française
    Leitung: Roger Desormière
    Aufnahme von 25.4.1948 aus dem Kurhaus in Baden-Baden, Großer Saal