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Absurdes Theater
Der Tanz um das Schwarze Loch

Vor der Veröffentlichung des Bildes vom Schwarzen Loch in der Milchstraße führte das internationale Team ein kurioses bis entwürdigendes Schauspiel auf. Man wollte mit allen Mitteln verhindern, dass das Bild zu früh verbreitet wird.

Von Dirk Lorenzen |
Streng geheim bis zum 12. Mai 2022, 15.07 h MESZ: Ausschnitt des Fachartikels zur Beobachtung des Schwarzen Lochs
Streng geheim bis zum 12. Mai 2022, 15.07 h MESZ: Ausschnitt des Fachartikels zur Beobachtung des Schwarzen Lochs (ApJL/EHT Coll.)
Bei wissenschaftlichen Entdeckungen gilt oft eine Frist, bis zu deren Ablauf die Geschichte nicht in den Medien veröffentlicht werden darf. Beim Schwarzen Loch endete diese am 12. Mai um 15.07 Uhr MESZ. Auf die Minute genau wurde das Bild zeitgleich an verschiedenen Orten präsentiert.
In den Wochen zuvor tobte innerhalb des Teams ein erbitterter Kampf, wer wann mit der Presse sprechen dürfe – und ob es vorher nur Hintergrundinformationen geben oder ob es schon konkret um das Bild gehen sollte.
Eine große Sternwarte drohte, eine Pressekonferenz platzen zu lassen, sollte das Ereignis nicht mehr exklusiv sein. Eine nationale Forschungsstiftung setzte junge Forscher unter Druck, dass sie weniger Mittel bekämen, sollten sie zu früh mit der Presse sprechen.
Topastronomen verteilten heimlich Ausdrucke von Publikationen an ausgewählte Personen, aus denen aber das Bild herausgeschnitten war.
In der Forschung arbeiten Menschen – und Menschen pflegen ihre Eitelkeiten. Beim Bild vom Schwarzen Loch hoffen letztlich alle auf den Nobelpreis.
Das setzt die Freiheit von Wissenschaft und Presse aber nicht außer Kraft. Auch wer tief in den Kosmos blickt, sollte die Bodenhaftung nicht verlieren. Die Sterne im Zentrum der Milchstraße drehen sich um das Schwarze Loch – aber nicht die ganze Welt.