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Steuerabsprachen
"Es geht um Steuergerechtigkeit in der Wirtschaft"

Die EU-Kommission geht dagegen vor, dass einzelne Länder Großkonzernen Steuervorteile gewähren. Christian Kmiotek, Co-Vorsitzender der Luxemburger Grünen, begrüßt die Entscheidung. Ob es jedoch zu den Nachzahlungen komme, sei fraglich, sagte er im DLF. Er befürchte einen längeren Rechtsstreit.

Christian Kmiotek im Gespräch mit Gerd Breker |
    Moselbrücke von Perl (Deutschland) nach Schengen (Luxemburg).
    Christian Kmiotek, Luxemburger Grüne, sieht die von der EU-Wettbewerbskommission geforderten Steuernachzahlungen der Konzerne als "willkommenen Regen" für sein Land. (dpa / picture-alliance / Romain Fellens)
    Gerd Breker: Die Praxis ist weiter verbreitet als man glauben möchte, und sie funktioniert nach der Devise, besser etwas als gar nichts. Großkonzerne verhandeln mit den Finanzverwaltungen von Staaten über Steuerzahlungen. Steuervorbescheide benennen die zu erwartende Steuerlast, und die können die multinationalen Unternehmen oftmals erreichen, indem sie sich arm rechnen. So geschehen in den Niederlanden mit Starbucks und in Luxemburg mit der Finanztochter von Fiat. Nun werden, so die Wettbewerbskommissarin der EU-Kommission, Nachzahlungen fällig, denn das Ganze gilt als illegale Staatsbeihilfe.
    Am Telefon begrüßen wir nun Christian Kmiotek. Er ist der Co-Vorsitzende der Luxemburger Grünen. Guten Abend, Herr Kmiotek.
    Christian Kmiotek: Guten Abend!
    Breker: Begrüßen Sie die heutige Entscheidung der EU-Kommission? Finden Sie das richtig?
    Kmiotek: Wenn es um Steuergerechtigkeit geht, das können wir ja nur begrüßen. Ich kenne zwar jetzt nicht die Details, aber es ist ja so, dass man nur begrüßen kann, wenn gesagt wird, große Unternehmen, die können sich vielleicht ärmer rechnen, kleinere Unternehmen bleiben außen vor, und ich denke, dass die Kommission ihre Rolle spielt und Wettbewerbsverzerrung verhindern wird. Wie das dann nachher ausgeht, das kann ich mir vorstellen, dass das vor dem Europäischen Gerichtshof landet, aber prinzipiell begrüße ich diese Entscheidung.
    "Das wurde anscheinend ziemlich sportlich gemacht in der Zeit"
    Breker: Es kann noch lange dauern. Aber um das für unsere Hörer klarzustellen, Herr Kmiotek: Es handelt sich nicht um die Praktiken der sogenannten Lux-Leaks-Affäre, sondern es handelt sich um Sonderabsprachen zwischen Unternehmen und Steuerverwaltungen, in dem Fall in den Niederlanden und in Luxemburg, Absprachen, mit denen die Unternehmen ins Land gelockt wurden und nicht gerade ein Beispiel für europäische Solidarität. Oder doch?
    Kmiotek: Ich weiß nicht, ob die Unternehmen ins Land gelockt wurde. Was ich weiß ist, dass es um Steuervorentscheidungen geht, wo eine gewisse Konstruktion den Steuerbehörden vorgelegt wird und dann die Steuerbehörde vorab sagt, wenn Sie es so machen, dann sind wir damit einverstanden, auch mit den Transferpreisen, Verkäufe in andere Länder oder von anderen Ländern.
    Jedenfalls ist das so, dass das anscheinend, wie verschiedene Steuerberater mir sagen, ziemlich sportlich gemacht wurde in der Zeit.
    Breker: Diese heutige Entscheidung soll ja auch nur ein Anfang sein, denn solche Absprachen zwischen Konzernen und Steuerverwaltungen gibt es offenbar in vielen Ländern in der Europäischen Union.
    Kmiotek: Ja. Deshalb ist die Entscheidung der Europäischen Kommission auch so wichtig. Heute stehen die Niederlande und Luxemburg am Pranger, Irland und andere sollen eventuell folgen, und es ist ja so, ich glaube, von den 28 EU-Ländern sind 25, die diese Praxis der Vorentscheidungen von solchen Firmenkonstruktionen kennen, sodass es wirklich am Ende darauf hinausläuft, auf wirklich Steuergerechtigkeit auf europäischer Ebene.
    "Das ist eine gute Nachricht für den Finanzminister und die anderen Steuerzahler"
    Breker: Nun werden Nachzahlungen fällig von 20 bis 30 Millionen Euro. Das Dumme ist nur, diese Nachforderungen gehen dann an die jeweiligen Staaten. Das heißt, die Staaten profitieren noch mal?
    Kmiotek: Ja. Ob es jetzt zu diesen Nachzahlungen kommt? Der Luxemburger Finanzminister hat ja gesagt, dass er die Auffassung und die Argumentation der Europäischen Kommission nicht teilt. Ich denke, dass da ein längerer Rechtsstreit entstehen wird. Aber wenn es dann zu Nachzahlungen kommen sollte, dann ist das ja eine gute Nachricht dann wieder für den Finanzminister, aber auch natürlich für die anderen Steuerzahler, weil dann kommt mehr Geld in die Kasse, und man weiß ja, wie die Budgets der europäischen Staaten sind. Auch Luxemburg hat Schulden und das wäre dann ein willkommener Regen.
    Breker: Um das deutlich zu machen: Solche Absprachen benachteiligen ja nicht nur die anderen Mitgliedsstaaten, denen Steuerzahlungen entgehen, sondern die benachteiligen auch den Mittelstand, denn der kann ja keine vergleichbaren Absprachen mit den Finanzverwaltungen treffen.
    Kmiotek: Das ist ganz richtig und deshalb geht es nicht nur um Steuergerechtigkeit, auf der einen Seite die Betriebe, auf der anderen Seite Privatpersonen, sondern es geht wirklich um Steuergerechtigkeit in der Wirtschaft. Und sie haben vollkommen recht: Es ist schwierig für den kleinen Handwerker um die Ecke, solche Konstruktionen aufzuziehen. Die bezahlen ganz brav ihre Steuern und sind dann im Nachteil, eben im Wettbewerbsnachteil, und das rügt ja die Kommission gegenüber von multinationalen Konzernen.
    "Der Druck der Straße auf die Konzerne nimmt zu"
    Breker: Aufseiten der Unternehmen wird die Möglichkeit des Steuerdumpings ja gern genutzt. Wir haben ja gesehen bei Lux-Leaks, dass 350 Großkonzerne Sonderkonditionen bei den Steuern in Anspruch genommen haben. Das heißt, vonseiten der Industrie, von den Großkonzernen wird es keinen Druck geben, Steuerdumping zu beenden. Im Gegenteil: Die freuen sich darüber. Wer muss es denn dann beenden und wer kann es beenden?
    Kmiotek: Mich freut ja, dass die Kommission hier auf Grundlage der Wettbewerbsverzerrung aktiv wird. Aber ich denke auch, dass das der Druck der Straße ist, und wenn ich an die großen TTIP-Demonstrationen erinnere oder Anti-TTIP-Demonstrationen vom vergangenen Wochenende, dann sehe ich, dass der Druck der Straße ja auch in die Richtung geht, dass nicht mehr die Konzerne die Politik derart mit Lobbying beeinflussen, sondern dass wirklich Gerechtigkeit eintritt.
    "Die EU-Kommission ist gefordert"
    Breker: Die EU-Kommission ist also aus Ihrer Sicht gefordert?
    Kmiotek: Ja, sie ist gefordert. Aber die Mitgliedsländer sind natürlich auch gefordert.
    Ich sehe aber auch, dass da schon erste Fortschritte gemacht wurden. Es ist ja so, dass die Holdings in Zukunft ausgetauscht werden. Das heißt, dass offengelegt wird zwischen den verschiedenen Steuerverwaltungen, was da abläuft. Und das Bankgeheimnis wurde ja auch abgeschafft. In dem Sinne geht das alles in Richtung mehr Transparenz.
    Breker: Herr Kmiotek, Sie haben die Einzelstaaten angesprochen. Wir hatten die Lux-Leaks-Affäre. Wir haben jetzt wieder Luxemburg als ein Land, was in Bedrängnis geraten ist durch diese Steuerdumpings. Kann das denn überhaupt sein, dass der ehemalige Finanz- und Premierminister Jean-Claude Juncker von dem, was in Luxemburg vorgegangen ist, nichts wusste?
    Kmiotek: Da hat er sich ja erklärt vor dem Untersuchungsausschuss des Europaparlaments und die Sache ist ja anscheinend abgeschlossen.
    Breker: Also er wusste nichts und das halten Sie für glaubwürdig?
    Kmiotek: Es ist nicht an mir, das zu beurteilen.
    Breker: Die Einschätzung von Christian Kmiotek. Er ist Co-Vorsitzender der Grünen in Luxemburg.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.