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"Steuererhöhungen sind für uns nicht verhandelbar"

Keine Steuererhöhung und das Betreuungsgeld muss bleiben - diese Bedingungen stellt der frühere CSU-Vorsitzende Erwin Huber für eine Koalition mit der SPD auf Bundesebene. Was die SPD wolle, sei aber auch erreichbar, ohne dass man an der Steuerschraube drehe.

Erwin Huber im Gespräch mit Peter Kapern |
    Peter Kapern: Eine Woche liegt sie nun zurück, die Bundestagswahl. Ihr Ergebnis hängt den Parteien wie ein Mühlstein am Hals. Wenn sich die Union im Bundestag umschaut, entdeckt sie dort außer den eigenen Abgeordneten nur Mandatsträger von Parteien, die mit der Forderung nach Steuererhöhungen in den Wahlkampf gezogen sind. Genau die aber hat die Union in ihrer Wahlkampagne ausgeschlossen, und nun ist guter Rat teuer. Ist die Union vielleicht bereit, doch hier und da an der Steuerschraube zu drehen, um einen Koalitionspartner zu finden? Die Spekulationen darüber schießen ins Kraut, weshalb am Wochenende Unionspolitiker reihenweise beteuerten, keine Steuererhöhungen zulassen zu wollen.

    Um 7:20 Uhr ist bei uns der frühere CSU-Vorsitzende Erwin Huber am Telefon. Guten Morgen!

    Erwin Huber: Guten Morgen.

    Kapern: Herr Huber, erinnern Sie sich noch an Ihre Zeitungslektüre am 27. Februar 1991?

    Huber: Also das könnte ich natürlich jetzt auf den Tag nicht sagen. Aber es könnte ja drinstehen, dass wir Nein sagen zu Steuererhöhungen.

    Kapern: Nein! Das war was anderes, Herr Huber. Damals lag Helmut Kohl waagerecht auf der Titelseite der "Bild"-Zeitung und oben drüberstand "Die Steuerlüge - Der Umfaller". Passt Horst Seehofer eigentlich auch waagerecht auf die Titelseite der "Bild"-Zeitung?

    Huber: Nein, passt er nicht, und deshalb wird es diesen Umfaller auch nicht geben. Natürlich werden vor solchen Verhandlungen Positionen aufgebaut, aber man muss immer auch wissen, was ist verhandelbar und was nicht, und da sollte die SPD zur Kenntnis nehmen, dass Steuererhöhungen nicht verhandelbar sind und dass es auch bei den Wahlen eine deutliche Mehrheit für die Parteien gegeben hat, die Nein sagten zu Steuererhöhungen. Außerdem ist die SPD ja auch noch eine Begründung schuldig geblieben. Im Grunde möchte sie eigentlich nur Umverteilung, und das ist zu wenig. Das heißt, hier gilt: Steuererhöhungen nein, und zwar auch nein in Mischformen. Das heißt, dass man eine Steuer heraufsetzt und im anderen Bereich herunter, auch das schließen wir aus.

    Kapern: Sie haben gerade gesagt, es habe bei der Bundestagswahl eine Mehrheit für die Parteien gegeben, die gegen die Steuererhöhungen seien?

    Huber: Ja.

    Kapern: Dann kann doch die Union einfach mit denen koalieren.

    Huber: Nein! – Ja gut, die sind ja nicht im Bundestag. Ich habe den Wählerwillen gemeint. Wenn Sie den Wählerwillen nehmen, dann haben die Parteien, die Steuererhöhungen wollen, bei der Bundestagswahl die Mehrheit der Wähler nicht bekommen.

    Kapern: Aber die Regierung wird ja nicht vom Wählerwillen gebildet, sondern von Mehrheiten im Parlament.

    Huber: Aber ich glaube, man muss den Wählerwillen natürlich schon unterstellen und von dem ausgehen, und der Wählerwille war klar: Angela Merkel soll Bundeskanzlerin bleiben und zusammengenommen gab es mehr Stimmen für die Parteien, die Steuererhöhungen ablehnen, als für die, die sie unterstützen und sie bevorzugen. Das heißt also, hier ist in der Tat eine rote Linie. Aber ich sehe dennoch Chancen, dass wir mit der SPD zu einer Bundesregierung, zu einer Koalition kommen. Ich glaube auch nicht, dass es sinnvoll ist, jetzt schon von Neuwahlen irgendwie zu spekulieren. Wir können das den Bürgern auch nicht zumuten, sondern am Beginn der Verhandlungen sind Positionen wie bei Tarifverhandlungen immer auseinander und da muss man den Willen haben, sich zu verständigen in den wichtigen Punkten, und das geht. Wir haben in München übrigens gerade auch die wirtschaftspolitischen Sprecher aller Landtagsfraktionen, auch der CDU, und auch dort gibt es nur ein einhelliges Nein zu Steuererhöhungen. Das wird also in der CDU und in der CSU keinesfalls akzeptabel sein.

    Kapern: Ist es dennoch klug, sich mit einem Ehrenwort an die Adresse der Bürger schon vor Beginn von Sondierungen festzulegen? Gehört das, was der bayerische Ministerpräsident da gestern getan hat, in die Kategorie besonders kluger politischer Schachzüge?

    Huber: Ich glaube, man muss auch vor Tarifverhandlungen und in dem Falle auch vor Koalitionsverhandlungen sagen, wo ist der Verhandlungsspielraum, und wir sehen in der Frage Steuererhöhungen natürlich auch ein großes Glaubwürdigkeitsproblem. Und Ihr Hinweis auf die Zeitung vom Februar 1991 zeigt ja nun genau das Problem. Wir wollen in Sachen Steuern auf keinen Fall die Leute hinters Licht führen. Wir haben klipp und klar gesagt, eindeutig nein, und dabei muss es bleiben. Im Übrigen gibt es, glaube ich, eine ganze Menge, die man verhandeln kann. Übrigens auch das, was die SPD mit den Steuern machen will, Bildung, Verkehr, Länder stärken, Kommunen stärken, das ist bei den höchsten Steuereinnahmen, die wir jetzt haben, durchaus machbar. Das heißt, das Ziel, das die SPD will, das ist erreichbar, ohne dass man an der Steuerschraube dreht. Und eines muss ich auch unterstreichen: Horst Seehofer hat ja gesagt, Hände weg vom Betreuungsgeld. Das steht natürlich für uns auch nicht zur Disposition. Wir haben gerade diese Leistungen für die Familien eingeführt. Also das sind zwei Punkte, an denen sich die SPD orientieren kann.

    Kapern: Lassen Sie uns noch mal eben, Herr Huber, bei diesem Ehrenwort von gestern bleiben. Was passiert eigentlich, wenn es am Ende der Koalitionsverhandlungen doch zu Steuererhöhungen kommt? Kann Horst Seehofer das politisch überleben? Wiegt so ein politisches Ehrenwort in Bayern vielleicht nur halb so viel wie im Rest der Republik?

    Huber: Das Ehrenwort gilt in Bayern wie überall gleich. Ich glaube, man soll nicht spekulieren, wie es ausgeht, aber eines ist für uns klar und das ist, glaube ich, deutlich geworden: Steuererhöhungen sind für uns nicht verhandelbar. Und je schneller das die SPD einsieht, umso schneller kommt man voran. Ich glaube durchaus, dass eine Chance besteht, dass man das in diesem Jahr zu einem guten Ergebnis bringt, und die Bürger erwarten auch von der SPD, dass sie staatstragend handelt. Sie ist eine Volkspartei, sie ist gestärkt worden, zwar nur um ein paar Prozent, aber sie weiß auch, was die Bürger erwarten, nicht Steuererhöhungen, sondern eine stabile Regierung.

    Kapern: Warum ist eine Partei eigentlich, die die Bürger per Pkw-Maut melken will, beim Thema Steuererhöhungen so empfindlich?

    Huber: Der Vorschlag der CSU, Pkw-Maut, bezieht sich ja nur auf ausländische Nutzer unserer Autobahnen. Das heißt also, die Inländer würden damit nicht belastet, also damit nicht gemolken. Das passt also schon zusammen.

    Kapern: Das bezweifeln aber alle, die sich ein wenig mit Europarecht auskennen.

    Huber: Wir haben ja eindeutig gesagt, wir wollen keine allgemeine Pkw-Maut. Die inländischen Autofahrer werden nicht belastet. Das heißt, die CSU ist da schon konsequent. Wir sagen, keine Steuererhöhungen, wir sagen also, keine Belastungen der Autofahrer durch eine Pkw-Maut. Das würden wir auch verrechnen mit der Kfz-Steuer. Wir sagen übrigens auch, keine Erhöhung von Sozialversicherungsbeiträgen, denn wir haben ja auch in den Sozialversicherungen hohe Reserven und auch dort ist eine Mehrbelastung nicht notwendig. Das heißt also, wir wollen insgesamt die Belastungen der Bürger nicht erhöhen. Im Übrigen ist es ja auch so, dass unsere Konjunktur durchaus labil ist. Wir haben ein Wachstum von weniger als ein Prozent und Europa ist noch lange nicht heraus aus der wirtschaftlichen Krise.

    Kapern: Herr Huber, lassen Sie uns noch mal eben zusammenfassen.

    Huber: In dieser Situation Steuern erhöhen, wäre falsch.

    Kapern: Lassen Sie uns ganz kurz zusammenfassen, weil die Nachrichten heranrücken. Wir wollen mal festhalten: Keine Steuererhöhungen, kein Abrücken vom Betreuungsgeld, kein Abrücken von der Pkw-Maut, keine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge. Soll die SPD eigentlich einen Koalitionsvertrag unterschreiben oder einen Kapitulationsvertrag?

    Huber: Einen Koalitionsvertrag und sie muss jetzt auch sagen, was sie für das Wichtigste hält, nicht einfach nur auf Steuererhöhungen das ganze reduzieren. Dann bleibt eine große Palette dessen, was man machen kann, im Bereich des Arbeitsmarktes, für mehr Beschäftigung, für die junge Generation, für Bildung, auch für mehr Verkehrsausgaben. Also es bleibt eine große Menge, um gemeinsam Deutschland in eine gute Zukunft zu führen.

    Kapern: Der frühere CSU-Chef Erwin Huber heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Herr Huber, danke für das Gespräch.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.