Nach diversen Affären - unter anderem in Steuerangelegenheiten - gibt es erneut Ermittlungen gegen gegenwärtige und ehemalige DFB-Funktionäre. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt verdächtigt sie der schweren Steuerhinterziehung und durchsuchte in dieser Woche die Geschäftsräume des DFB in Frankfurt und Privatwohnungen von sechs gegenwärtigen und früheren DFB-Verantwortlichen.
Sie sollen in den Jahren 2014 und 2015 Einnahmen aus der Bandenwerbung von Heimländerspielen der Fußball-Nationalmannschaft bewusst unrichtig als Einnahmen aus der Vermögensverwaltung erklärt haben, "damit der DFB insoweit einer Besteuerung in Höhe von etwa 4,7 Millionen Euro entging", teilte die Staatsanwaltschaft Frankfurt mit.
Müller: Sommermärchen-Affäre wirkt bis heute nach
Für den Verband bedeute das ein "ganz derber Rückschlag", da der DFB seit Jahren und auch sein seit einem Jahr amtierender Präsident Fritz Keller behaupteten, für Transparenz eintreten zu wollen, sagt der Sportjournalist Marcus Bark. Das Schlimme sei, dass es niemanden mehr überrasche, dass es negative Schlagzeilen über den DFB gibt.
Jan Christian Müller von der Frankfurter Rundschau stellt fest, "dass noch immer dieser dunkle Schatten des Sommermärchens über dem DFB liegt". Dem DFB würden "alle Schlechtigkeiten dieser Welt" zugetraut. Bei der Sommermärchen-Affäre geht es im Kern um zehn Millionen Franken, die vom deutschen OK-Chef für die WM 2006, Franz Beckenbauer, an den katarischen Fußball-Funktionär Mohammed bin Hammam flossen. Was dahinter steckte, wurde bislang nicht aufgeklärt.
Thomas Kistner, Sportjournalist bei der Süddeutschen Zeitung, sieht es so: Franz Beckenbauer als zentrale Figur sei zugleich über viele Jahrzehnte die Lichtgestalt der Nation gewesen. Das wirke sich auch auf die schleppenden Ermittlungen aus: "Da geht man natürlich nicht mit dem großen Besteck ran."
Die Rolle von DFB-Präsident Fritz Keller
Beim DFB sieht Kistner grundsätzlich eine Haltung der Unantastbarkeit. Ein Grund dafür sei die Vernetzung des Verbandes mit wichtigen Politikerinnen und Politikern. Marcus Bark findet ein gewisses Auftreten typisch für den DFB: "Uns kann keiner was." Bei den aktuellen Ermittlungen verwundert ihn das Vorgehen des Fußballverbandes. Dort habe man von den Schwierigkeiten bei der Versteuerung der Bandenwerbung gewusst. Er frage sich: "Warum macht man keine Selbstanzeige oder warum geht man nicht an die Öffentlichkeit?" Damit hätte man der Angelegenheit aus Barks Sicht die Dramatik nehmen können, die sich nun in den Razzien gezeigt habe.
Bark verweist auf DFB-Präsident Fritz Keller, der vor einem Jahr mit dem Vorsatz angetreten sei, für Transparenz zu sorgen und den DFB in ruhigere Fahrwasser zu bringen. Keller sei anfangs überfordert gewesen, so Müller: "Jetzt hatte man den Eindruck, dass er ein bisschen Boden unter den Füßen bekommt, seinen Laden in den Griff bekommt." Die Steuerrazzia sei ein Rückschlag. "Er hat es nicht geschafft, eine Agenda aufzusetzen", so Bark über Keller.
Kistner rechnet mit wichtigen Erkenntnissen für die Behörden
SZ-Journalist Kistner konstatiert für den DFB: "Wann immer eine Affäre oder Ermittlungsbehörden einen Kopf der Hydra abschlagen, wächst eben irgendein anderer nach, der aber aus der gleichen politischen Entwicklungsgeschichte stammt." Sportfunktionäre kämen immer aus demselben Milieu.
Im DFB würden sich Funktionäre mit den Aufräumarbeiten der Sommermärchen-Affäre beschäftigen "und dabei sind sie selbst schon von einer eigenen, neuen Affäre eingeholt worden." Kistner vermutet, dass die Ermittlungsbehörden bei der Steuerrazzia bewusst oder im Beifang an weitere Dokumente gekommen seien, "dass man jetzt sicherlich auch noch Licht in andere Vorgänge bringen kann".
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