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Steuergesetzgebung in der EU
Die EU auf der Suche nach einem gemeinsamen Steuerrecht

Auf internationaler Bühne gibt es überraschende Fortschritte bei der Zusammenarbeit von Staaten in der Steuerpolitik. Die G7 wollen eine Mindeststeuer für Großkonzerne. Im Sommer könnte es sogar eine Einigung auf Ebene der OECD geben. Die EU indes tut sich bislang schwer, eine gemeinsame Linie zu finden.

Von Caspar Dohmen |
Wolken ziehen über die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main hinweg.
Viele Anläufe, die Steuergesetzgebung innerhalb der EU zu harmonisieren, sind bislang gescheitert (picture alliance / greatif | Florian Gaul)
Anfang Juni: Pressekonferenz in Brüssel mit EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni, dem Ökonom Gabriel Zucman und dem Grünen-Europaabgeordneten Sven Giegold: "Heute gibt es drei große Ereignisse und es ist ein großer Tag für Steuergerechtigkeit." Denn die Europäische Staatsanwaltschaft habe ihre Arbeit aufgenommen und werde unter anderem Mehrwertsteuerbetrügern das Leben erschweren. Zudem stünden die Verhandlungen über mehr Steuertransparenz in der EU kurz vor dem Abschluss und die neue EU-Beobachtungsstelle für Steuerfragen nehme ihre Arbeit auf.
Leiten wird sie der französische Topökonom Gabriel Zucman, der mehr Kooperation von Staaten bei Steuerfragen für notwendig und möglich erachtet. "Es gibt eine Sichtweise nach der Steuervermeidung, Steuerverlagerung und Steuerwettbewerb Naturgesetze sind, gegen die wir nichts tun können. Ich möchte klarmachen, dass diese Sichtweise falsch ist. Steuervermeidung, Steuerverlagerung und Steuerwettbewerb sind politische Entscheidungen. Wir können wählen zwischen Wettbewerb und Zusammenarbeit."

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft seit 1957

Viele Anläufe, die Steuergesetzgebung innerhalb der EU zu harmonisieren, sind bislang gescheitert. So etwa die Anläufe der EU-Kommission, eine einheitliche Bemessungsgrundlage der Körperschaftssteuer einzuführen, der Steuer also, die die Unternehmen zahlen. Auf dem Gebiet der Unternehmenssteuern gibt es einen enormen Wettbewerb zwischen EU-Staaten: Wiederholt haben Regierungen diese gesenkt, um Unternehmen und Kapital anzulocken.
Was die Umsatzsteuer angeht, waren sich die Gründungsväter der europäischen Staatengemeinschaft einig: Mit der 1957 gegründeten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wollten sie eine europäische Integration durch eine gemeinsame Wirtschaftspolitik erreichen und unter anderem den Handel zwischen allen beteiligten Ländern erleichtern. Deswegen begann man Ende der 1960er-Jahre, die Umsatzsteuersätze anzugleichen. Heute gibt es eine einheitliche Bemessungsgrundlage und eine Mindesthöhe für die Regelsteuer von 15 Prozent. Zudem darf jedes einzelne EU-Mitgliedsland maximal zwei reduzierte Umsatzsteuersätze bestimmen. Wie etwa in Deutschland, wo ein Umsatzsteuersatz von 7 Prozent für den Grundbedarf gilt, um einkommensschwächere Haushalte zu unterstützen.
Angeglichen haben die EU-Mitgliedsländer neben der Umsatzsteuer auch andere indirekte Steuern, beispielsweise auf Kaffee, Tabak oder Alkohol. Dagegen kooperieren die EU-Staaten nur in geringem Ausmaß bei direkten Steuern. Steuerökonom Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung: "Bei den so genannten direkten Steuern auf Einkommen, also natürlich auch auf Arbeitslöhne, aber insbesondere auf Unternehmenseinkommen und Kapitaleinkommen, da ist man in der Harmonisierung noch nicht so weit, weil das natürlich auch von den einzelnen Ländern als Kernelement ihrer nationalen Souveränität gesehen wird und dort dann der Widerstand gegen eine relativ starke Harmonisierung traditionell immer hoch war."

Zentrale Wirtschaftspolitik in Brüssel

Die politischen Architekten der EU hatten sich dafür entschieden, wesentliche Bereiche der Wirtschaftspolitik in Brüssel zu zentralisieren. So handelt beispielsweise die EU-Kommission Handelsabkommen mit Drittstaaten aus. Mit der Einführung des Euro als gemeinsame Währung übertrugen die Länder des Euroraums das Instrument der Geldpolitik von nationalen Notenbanken auf die europäische Zentralbank EZB mit Sitz in Frankfurt. Das gilt mittlerweile für 19 der 27 EU-Mitgliedsstaaten. Wichtige wirtschaftliche Kompetenzen wie die Fiskal- und Steuerpolitik verblieben dagegen in den Händen jedes einzelnen Mitgliedsstaates. Ein "Konstruktionsfehler", sagt der Sozialdemokrat und Europaabgeordnete Joachim Schuster.
"Der uns auch noch in anderen Bereichen richtig also belasten wird, wenn wir ihn nicht korrigieren. Das ist nämlich, dass man einen einheitlichen Binnenmarkt geschaffen hat, eine einheitliche Währung und damit einen einheitlichen Währungsraum, aber gleichzeitig gesagt hat, die Wirtschaftspolitik und die Finanzpolitik und die Steuerpolitik, die bleibt in der Kompetenz der Mitgliedstaaten. Das passt auf Dauer nicht zusammen."
Außenansicht des US-Finanzministeriums
Eine Steuer für gerechtere Wettbewerbsbedingungen
Staaten unterbieten sich bei der Besteuerung von Unternehmen. Viele Weltkonzerne zahlen deshalb kaum Abgaben. Um das zu ändern, forderte Finanzminister Olaf Scholz einst eine globale Mindeststeuer für Unternehmen. Die US-Regierung greift die Idee nun auf.
Um die Souveränität der Nationalstaaten zu gewährleisten, gilt in der EU bei Steuerfragen prinzipiell das Einstimmigkeitsprinzip. Alle 27 Regierungen müssen zustimmen, um etwas zu verändern. Damit verfügt jede Regierung in Steuerdingen über ein Vetorecht. Zwar gibt es die Möglichkeit, dass einige Staaten im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit vorangehen. Dafür müssen sich mindestens neun EU-Mitgliedsländer zusammentun. Wie schwierig das jedoch ist, zeigte sich zuletzt bei der Finanztransaktionssteuer. Nachdem die EU-Kommission 2012 mit ihrem Gesetzentwurf für eine breit angelegte Steuer auf Finanzgeschäfte gescheitert war, tat sich eine Staatengruppe zusammen. Aber sie hatten ebenfalls unterschiedliche Vorstellungen davon, welche Finanzgeschäfte sie in welchem Umfang besteuern wollten. Finanzpolitiker Sven Giegold:
"Sehr viele Staaten, die behaupten für die Steuer zu sein, sind in Wirklichkeit gar nicht dafür. Denn eine umfassende Finanztransaktionssteuer, die also auch die komplexeren Finanzprodukte, den Hochfrequenzhandel, umfasst, ist von sehr vielen Staaten in Europa nicht gewünscht und deshalb gibt es sie nicht."
Zwar haben sich 2019 dann doch zehn EU-Staaten prinzipiell auf eine geringfügige Besteuerung von Aktienkäufen geeinigt. Aber selbst dieser Minimalkompromiss ist bis heute nicht umgesetzt. In Sachen Finanz- und Steuerpolitik gehen die Interessen der EU-Mitglieder weit auseinander – besonders eklatant etwa zwischen großen Volkswirtschaften wie Deutschland, Frankreich und Italien und kleineren Ländern wie Luxemburg und Malta. Oder zwischen Ländern, die wirtschaftlich weit entwickelt sind und solchen, die aufholen wollen. Ein dadurch entstehen der Wettbewerb sei grundsätzlich sinnvoll, meint Clemens Fuest, Ökonom und Präsident des Ifo-Instituts:"Wie soll denn ein Land wie Estland sich eigentlich wirtschaftlich entwickeln? Wie hätte Irland das schaffen sollen, wenn nicht mit günstigen Steuersätzen, die haben ja sonst massive Standortnachteile?"

Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik: sinkende Steuern für Firmen

Eine Zeitlang hielten viele Experten sinkende Steuern für Unternehmen und Kapital sogar für alternativlos, erinnert sich der Ökonom Stefan Bach. "In den neoliberalen Nullerjahren hieß es in jeder fünften Talkshow: Das Kapital ist ein scheues Reh. Damit wurde eben dann deutlich gemacht, dass es eben in einer globalisierten, internationalisierten Wirtschaft gar nicht mehr möglich ist, Unternehmens- und Kapitaleinkommen hoch zu besteuern."
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten Staaten wie England und die USA Einkommen hoch besteuert, bei Großverdienern teils mit über 90 Prozent. Aber dann wechselten Regierungen von einer auf die Nachfrage fokussierten keynesianischen Wirtschaftspolitik zu einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik. Die Regierungen versuchten, Unternehmen zu höheren Investitionen anzuregen und senkten deswegen auch Unternehmenssteuern. Damit sie, so die Überlegung, mehr investierten und so für neue Jobs und Wachstum der Wirtschaft sorgten. "Der letzte große Move in der Hinsicht, das war ja die Steuerreform in den USA, wo die Steuersätze drastisch reduziert wurden durch die Trump-Regierung seinerzeit. Das ist ein allgemeiner Trend und den haben wir insbesondere ganz stark in der EU", sagt der Jurist und Steuerfachmann Joachim Englisch von der Universität Münster. Trotzdem gebe es in der EU noch erhebliche Unterschiede.
"Wir dürfen nicht nur auf die Körperschaftssteuer schauen. Wir müssen ja auf alle Ertragssteuern schauen, in Deutschland zum Beispiel auch auf die Gewerbesteuer. Wenn wir das mal so mit einbeziehen, dann müssen wir feststellen, das liegt ziemlich weit auseinander. Ungarn oder Bulgarien, die haben so um die zehn Prozent. Und auf der anderen Seite haben wir Staaten wie Frankreich, Deutschland, die haben so um die 30 Prozent. Und dazwischen haben wir ein sehr breites Spektrum, wobei man schon sagen muss, es gibt nur noch sehr wenige, die über 25 Prozent hätten."

"Die meisten wichtigen Unternehmenssteueroasen liegen in der EU"

Das Warenlager von Amazon in Leipzig. Ein Manager steht auf einer Brücke. "Unter uns kommt die Ware an, das heißt, hier kommen die Lkw an mit der Ware, werden hier vorne entladen und gehen dann hier in den Bereich, den wir receive nennen."
Im Pandemiejahr 2020 hat der Logistikkonzern seinen Umsatz weltweit um mehr als ein Drittel erhöht. Auch in der EU stieg der Umsatz von Amazon um 36 Prozent auf rund 44 Milliarden Euro. Aber weil die Luxemburger Tochter von Amazon, in der das Europageschäft weitgehend gebündelt ist, gleichzeitig einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro auswies, zahlte Amazon in dem Rekordjahr null Euro Körperschaftssteuer in der EU. Die Luxemburger Steuerbehörden stellten dem Unternehmen sogar eine Steuergutschrift in Höhe von 56 Millionen Euro aus. Um diesen Betrag vermindert sich eine künftige Steuerzahlung des Unternehmens. Das ist alles ganz legal. Dafür benötigt das Unternehmen keine fernen Steueroasen in der Karibik.
"Die meisten wichtigen Unternehmenssteueroasen liegen tatsächlich in der EU." Christoph Trautvetter hat früher bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gearbeitet und ist heute für das Netzwerk Steuergerechtigkeit tätig. "Das ist Luxemburg, die Niederlande und Irland, die einen großen Teil der Unternehmenssteuervermeidung der Welt ausmachen. Diese Steuervermeidung funktioniert meistens so, dass die Gewinne aus den europäischen Ländern, aber auch aus anderen Ländern in der Welt, in diese drei Steueroasen geleitet werden und von da dann unbesteuert weiter zu den Muttergesellschaften."
Der europäische Hauptsitz von Amazon in Luxemburg
Steueroase Luxemburg - Mit dieser Methode spart Amazon Steuern
Der Amazon-Konzern lässt 75 Prozent seiner Geschäfte außerhalb der USA über Tochterunternehmen in Luxemburg laufen. Dort fährt das Unternehmen gezielt Verluste ein, die in Steuerrabatte umgewandelt werden. Ein Überblick.
Amazon ist kein Einzelfall. Legale Möglichkeiten der Steuervermeidung nutzten die meisten Großkonzerne. Alle DAX-Unternehmen, so Trautvetter, hätten Niederlassungen in Steueroasen und auch viele deutsche mittelständische Unternehmen, viele große Familienunternehmen, die international aufgestellt sind, praktizierten auf diese Weise legale Steuervermeidung. "Da ist es nicht so wie bei Apple oder bei Amazon, dass irgendwo Milliardengewinne mit 0,1 Prozent besteuert werden, sondern da geht es dann eher darum, den deutschen Steuersatz von eigentlich 30 Prozent Richtung 21, 20, 19 – ja also in diese Größenordnung – zu senken. Und deswegen stehen die auch nicht so offensichtlich am Pranger und auch zu Recht nicht so offensichtlich im Zentrum der Aufmerksamkeit."
Sinken die Unternehmenssteuern, hat dies aber in jedem Fall Folgen für Staaten und Bürger. Rechtswissenschaftler Joachim Englisch: "Weil dann die Körperschaftssteuer ihre Funktion verliert, nämlich im Wesentlichen letztlich sicherzustellen, dass eben auch auf Kapitalerträge rechtzeitig bei deren Entstehung schon Steuern gezahlt wird. Und weil dann es dazu kommen kann, dass andere faktisch die Tätigkeiten dieser großen Gesellschaften subventionieren, nämlich im Wesentlichen Verbraucher und Arbeitnehmer, die dann die Steuerlasten ganz wesentlich zu tragen haben und weil dadurch auch irgendwann, wenn es zu exzessiv wird, Standortentscheidungen massiv verzerrt werden und das letztlich auch nicht effizient dann ist."
Das Problem ist bekannt. Regelmäßig prangern Politiker den Zustand auch an. Politikökonom Thomas Rixen von der Freien Universität Berlin: "Ich glaube aber, dass die Politik aber auch aufpassen muss, dass sie es sich damit nicht zu leicht macht. Weil letzten Endes ist das Ganze natürlich ein strukturelles Problem. Es gibt eben diese Möglichkeiten Steuergestaltung zu nutzen. Und dass es die gibt, das liegt in der Verantwortlichkeit der Politik. Da gibt es natürlich Lobbying von Firmen usw. Aber da gibt es immer noch die Politik, die diesem Lobbying stattgibt. Deshalb ist es in der Verantwortung der Politik diese Regeln abzuschaffen. Solange die so sind, kann man es in gewisser Hinsicht natürlich auch keinem Unternehmen übel nehmen, dass es sie nutzt. Weil das Unternehmen, dass sie nicht nutzt, hat natürlich einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den anderen Unternehmen."

Viele Firmen wandern ab, wenn Steuern erhöht werden

Andererseits stecken Regierungen in einem Dilemma, wenn andere Staaten bei Steuerfragen nicht kooperieren wollen. Entscheidet sich eine Regierung dafür, ihren Unternehmen wesentlich höhere Steuern aufzuerlegen, riskiert sie deren Abwanderung. Das ist immer wieder geschehen. Wenn Regierungen erfolgreich die Unternehmenssteuern erhöhen wollen, müssen sie versuchen, Kooperationspartner zu finden – so wie zurzeit US-Präsident Joe Biden, der sich momentan für eine internationale Zusammenarbeit bei Steuern einsetzt, weil er daheim die Unternehmenssteuern anheben will. Das versucht auch die EU-Kommission, etwa indem sie versucht, die Bemessungsgrundlagen für die Körperschaftssteuer zu vereinheitlichen. "Der Vorschlag hat tatsächlich eine sehr lange Tradition, der reicht eigentlich zurück bis 2011, hat aber bis heute keine Mehrheit gefunden."
Gegenwind kommt in der EU von zwei Gruppen von Staaten, erklärt Steuerjurist Joachim Englisch: "Zum einen habe ich da eine Gruppe von Staaten, vor allem in Skandinavien, die sagen, wir haben eine sehr starke Produktionsbasis. Nach diesem Vorschlag soll aber ein Teil des Steueraufkommens dahin gehen, wo die Märkte sind, wo die Umsätze sind, das gefällt denen nicht. Sie hätten die Steuerbasis lieber da, wo die Produktion ist, nämlich bei ihnen selbst. Und dann gibt es sozusagen die üblichen Verdächtigen. Das sind die kleinen Staaten, die sich als Niedrigsteuerstandorte profilieren, also Luxemburg, Malta beispielsweise. Sie sind auch dagegen, weil sie natürlich damit ihr Geschäftsmodell verlören."
Denn künftig soll ein neuer Maßstab bei der Verteilung der Unternehmensgewinne gelten. Es wäre eine Revolution gegenüber dem von Staaten Anfang des 20. Jahrhunderts beschlossenen Prinzip, wonach Unternehmenssteuern in dem Land anfallen, wo die Güter produziert werden. Künftig sollen auch andere Faktoren eine Rolle spielen. "Der Vorschlag sieht eben vor, dass es eine abstrakte Verteilung nach einer Formel gibt, des Steueraufkommens. Je nachdem, wo sie ihre Wirtschaftsgüter haben, wo sie ihre Arbeitnehmer haben und wo sie ihre Umsätze haben, da wird Steueraufkommen hin verteilt. Während das derzeitige Modell ja vorsieht, dass sie das in relativ hohem Maßen gestalten können, indem sie Risiken oder bestimmte Unternehmensfunktionen oder eben auch vor allen Dingen Immaterialgüter, Patente und so in einen bestimmten Staat reinstecken, was eben relativ einfach möglich ist, und dann fließen da die Gewinne hin. Das sind eben typischerweise diese Niedrigsteuerstandorte Luxemburg, Irland, Malta usw."
Vertreter der G7-Staaten, mittig sitzt der britische Finanzminister Rishi Sunak.
Kampf gegen Steueroasen - Was hinter der globalen Mindeststeuer steckt
Die G7 haben sich auf ein Grundgerüst für eine weltweite Steuerreform geeinigt: Eine globale Mindeststeuer für Großkonzerne in Höhe von mindestens 15 Prozent soll eingeführt werden. So sollen Steueroasen trockengelegt werden.
Als Instrument zur Beseitigung von Steuerungerechtigkeit setzt die EU-Kommission auch das Wettbewerbsrecht ein. Ins Visier nahmen ihre Wettbewerbshüter beispielsweise Steuervorteile Luxemburgs an Amazon oder Irlands an Apple. Zur Begründung hieß es, es handele sich um unerlaubte Subventionen und die verzerrten den Wettbewerb. Politikökonom Thomas Rixen. "Das ist aus meiner Sicht eine vollkommen überzeugende Argumentation. Leider ist man ja jetzt mit diesem Versuch, zumindest im Fall von Apple, gescheitert." Denn die EU-Richter folgten der Argumentation der EU-Kommission nicht. In beiden Fällen muss aber noch letztinstanzlich der Europäische Gerichtshof entscheiden.

"Die EU amputiert sich selbst"

Leichter fällt es den EU-Staaten sich auf eine Linie zu einigen, wenn es Druck von außen gibt. Bestes Beispiel ist der automatische Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden verschiedener Länder. Darauf drängten die USA bereits unter Präsident Barack Obama. Sie drohten, Banken, deren Herkunftsländer nicht an dem Informationsaustausch teilnahmen, eine Lizenz für die USA zu verweigern. Daraufhin gab unter anderem Luxemburg klein bei.
"Die EU als Ganzes hätte auch ausreichend Marktmacht, nach meiner Einschätzung. Sozusagen die ökonomische Position wäre ausreichend stark, um unilateral da in Gang zu kommen. Aber die EU verfügt eben am Ende nicht über diese Macht und das hat genau mit den institutionellen Grundlagen zu tun. Die EU amputiert sich selbst, mit dem Einstimmigkeitsprinzip und der Tatsache, dass man da eben die internen Steueroasen nicht in den Griff kriegt. Deshalb fällt die EU aus und ist eben umgekehrt dann auf die Hilfe der USA angewiesen, da was durchzusetzen." Doch auf die USA sei keineswegs immer Verlass, so Rixen – auch die Demokraten nähmen Rücksicht auf die Wirtschaftslobby. "Grundsätzlich würde ich mir natürlich wünschen, dass die Europäer da handlungsfähig werden und ihre interne institutionelle Blockade auflösen können."
Die Finanzminister der G7-Staaten haben es vor wenigen Wochen bei ihrem Treffen in London vorgemacht: Sie einigten sich auf eine Mindestbesteuerung für Unternehmen und darauf, so genannte Steueroasen auszutrocknen. Die allergrößten multinationalen Unternehmen sollen künftig zudem nicht mehr nur dort ihre Steuern bezahlen, wo sie ihren physischen und rechtlichen Sitz haben, sondern einen Teil auch dort, wo sie die meisten Umsätze machen. Über die Vorschläge verhandeln als nächstes nun die G22 und die OECD, ein Zusammenschluss überwiegend reicher Industriestaaten. Wären sie erfolgreich, dürfte dies auch eine Angleichung von Steuern in der EU erleichtern. Ob es in dieser Hinsicht Fortschritte gibt, wird vor allem davon abhängen, ob die Regierungen der Mitgliedsländer künftig stärker miteinander kooperieren. Die EU-Kommission hat das Thema zumindest auf der Agenda, wie EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni in seiner Pressekonferenz in Brüssel Anfang Juni betonte: "Sie wissen, dass die Tatsache der Steuervermeidung, der Steuervermeidung und der aggressiven Steuerplanung eine Priorität für diese Kommission und für mich ist."