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Steuerhinterziehung
Kritik an der Selbstanzeige wächst

Die strafbefreiende Selbstanzeige rückt immer mehr in den Mittelpunkt der Debatte über Steuerhinterziehung. Nach den Fällen Schwarzer und Schmitz fordern einige Politiker die Abschaffung, das Bundesfinanzministerium will nun zumindest die Regeln verschärfen.

    Finanzamt Marke
    Die Selbstanzeige steht in der Diskussion (dpa / picture-alliance / Armin Weigel)
    Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Michael Meister (CDU), sagte im Deutschlandfunk, entsprechende Vorschläge zur Verschärfung der Regelungen für die strafbefreiende Selbstanzeige lägen bereits vor. "Wir hoffen, dass die Staatssekretärsebene der Länder und des Bundes im nächsten Monat auch einen Vorschlag an die Finanzminister macht, um dann Anpassungen bei dem Instrument strafbefreiender Selbstanzeige vorzunehmen." Möglich wären eine Erhöhung der Geldbuße oder die Verlängerung der Zeiträume, die aufgeklärt werden müssen.
    Allerdings lehne seine Partei die komplette Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige ab. Durch den Ankauf von CDs mit Steuerdaten etwa bekämen die Steuerbehörden viele Informationen, die Auswertung sei aber komplex. Der Haupteffekt läge darin, dass Betroffene von dem Instrument der Selbstanzeige Gebrauch gemacht hätten. "Dadurch sind dann die wesentlichen Fälle aufgedeckt worden und auch die wesentlichen Einnahmen für den Fiskus erzielt worden."
    Stegner: "Das schützt die Reichenkriminalität"
    Beim Koalitionspartner SPD drängt der stellvertretende Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel auf eine Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige. "Der Koalitionsvertrag sieht vor, Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Jetzt muss Herr Schäuble liefern", sagte er der "Frankfurter Rundschau". Wie Schäfer-Gümbel forderte auch SPD-Vize Ralf Stegner eine Überprüfung der Verjährungsfristen bei schwerer Steuerkriminalität. Die Strafbefreiung der Selbstanzeige sei "ein Relikt feudaler Gesinnung. Das schützt in der Tendenz die Reichenkriminalität." Bei den meisten Steuerbetrügern, die sich dem Fiskus offenbarten, könne man "nicht von Reue reden, sondern von Angst vor dem Knast", sagte Stegner.
    Ohne Selbstanzeige könnten Einnahmen ausbleiben
    Die Forderung nach einem Verzicht auf Straffreiheit für reuige Steuerhinterzieher stößt allerdings auch in der SPD auf Widerstand. "Wir brauchen volle Kassen, nicht volle Gefängnisse", sagte der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Ja zur Selbstanzeige und den Fahndungsdruck erhöhen - das ist der richtige Weg."
    Auch der Steuerzahlerbund sprach sich dafür aus, die Regelung beizubehalten: "Es ist die einfachste und effektivste Form für den Staat, an hinterzogene Steuern heranzukommen", sagte Präsident Reiner Holznagel.
    Vorwürfe gegen CDU-Schatzmeister Linssen
    Derweil muss sich der Bundesschatzmeister der CDU, Helmut Linssen, Vorwürfen stellen. Nach einem Bericht des "Stern" soll er jahrelang Geld in einer Briefkastenfirma auf den Bahamas und später in Panama verborgen haben. Linssen soll demnach 1997 umgerechnet mehr als 400.000 Euro bei der Bank HSBC Trinkaus & Burkhardt International eingezahlt haben. Mit Hilfe der Bank sei das Geld auf die Briefkastenfirma transferiert worden. "Bei dem Geld handelt es sich um privates Vermögen meiner verstorbenen Eltern, das unsere Familie steuerlich korrekt erwirtschaftet hat", sagte Linssen. Er bedaure "den öffentlich zwischenzeitlich entstandenen Eindruck", bestritt aber den Vorwurf der Steuerhinterziehung. Aufgrund von Verjährungsfristen habe er nur die Zinserträge von 2001 bis 2005 nachweisen müssen, jedoch habe er in dieser Zeit gar keinen Gewinn mit dem Geld im Ausland gemacht. Das Strafverfahren gegen ihn wurde 2012 eingestellt. Linssen war von 2005 bis 2010 Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, seit 2010 ist er Bundesschatzmeister der CDU.
    Helmut Linssen soll Geld in der Karibik versteckt haben.
    Helmut Linssen soll Geld in der Karibik versteckt haben. (dpa / picture-alliance / Martin Gerten)
    In Steueroasen gibt es "wenig Finanzbeamte und viele Briefkästen"
    In Berlin wird Aufklärung von Linssen gefordert. "Ob Briefkastenfirmen auf den Bahamas oder in Panama ein akzeptables Betätigungsfeld für den Bundesschatzmeister einer demokratischen Partei sind, darf man wohl mit Fug und Recht bezweifeln", sagte SPD-Parteivize Ralf Stegner "Spiegel online". "Es ist daher im Interesse aller, wenn der Sachverhalt aufgeklärt wird und alle offenen Fragen zügig beantwortet werden." Sahra Wagenknecht, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, sagte: "Der Fall zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, endlich die Kanäle trocken zu legen, die Steuerflucht ermöglichen. Das schließt ein, gegen die beteiligten Banken vorzugehen. Geldhäusern, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten, gehört die Lizenz entzogen."
    Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, sagte der "Mitteldeutschen Zeitung": "Ein ehemaliger Finanzminister hat eine besondere Verantwortung, Steuern zu zahlen. Und wer sein Geld in Steueroasen parkt, hat in aller Regel etwas zu verbergen. Es gibt dort wenig Finanzbeamte und viele Briefkästen. Ein ehemaliger Finanzminister weiß das."
    Debatte seit Bericht über Alice Schwarzer
    Die Diskussion um Steuerehrlichkeit war Anfang der Woche durch zwei weitere Fälle erneut ausgelöst worden. Die Publizistin Alice Schwarzer hatte am Sonntag nach einem Bericht des Magazins "Der Spiegel" eingeräumt, seit den 80er-Jahren ein Schweizer Konto geführt und es erst 2013 beim Finanzamt angezeigt zu haben. Zudem hatte der bisherige Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz Steuervergehen zugegeben und ist mittlerweile von seinem Amt zurückgetreten.