Steuergerechtigkeit
Warum die Steuerklassen 3 und 5 abgeschafft werden sollen

Ab 2030 sollen sich Ehepaare nicht mehr dafür entscheiden können, nach der Steuerklassenkombination 3 und 5 abgerechnet zu werden. Ein Grund für die Abschaffung: Das bisherige Prinzip fördert Ungleichbehandlung und festigt veraltete Rollenbilder.

    Auf einem ausgedruckten Antragsformular liegt ein Kugelschreiber. Das Formular trägt die Überschrift „Antrag auf Steuerklassenwechsel bei Ehegatten“
    Zumindest in die Steuerklassen 3 und 5 werden Ehepartner ab dem Jahr 2030 nicht mehr wechseln können. (picture alliance / ZB / Sascha Steinach)
    Wenn zwei Menschen heiraten, werden sie ab diesem Zeitpunkt gemeinsam „veranlagt“, also gemeinsam steuerlich abgerechnet. Ehepaare können sich dann entscheiden, in welche Steuerklassen-Kombination sie eingeordnet werden wollen.
    Standardmäßig weist das zuständige Finanzamt beiden Ehepartnern mit dem Tag der Hochzeit jeweils die Steuerklasse 4 zu. Darin werden beide erstmal ohne zusätzliche Vergünstigung besteuert – quasi wie zwei Einzelpersonen. Ein steuerlicher Vorteil ergibt sich meist erst rückwirkend, nachdem in jedem Jahr die Steuererklärung eingereicht wird.  
    Alternativ können sich Ehepaare dazu entscheiden, in zwei unterschiedlichen Steuerklassen abgerechnet zu werden – das sind dann die Steuerklassen 3 und 5. Nach diesem Modell zahlt die Person aus Steuerklasse 3 überproportional wenig Steuern und die Person aus Steuerklasse 5 überproportional viel (beides bereits während des laufenden Jahres, also monatlich). Diese Möglichkeit der Aufteilung bei Ehepartnern in Steuerklasse 5 und Steuerklasse 3 soll nach Plänen der Ampelkoalition wegfallen.

    Inhalt

    Wann sollen die Steuerklassen 3 und 5 abgeschafft werden?

    Die Steuerklassen 3 und 5 sollen abgeschafft werden – laut Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im Jahr 2030. Danach würden dann beide Ehe- oder Lebenspartner in der Steuerklasse 4 landen. Sie können aber auch die dann neue „Steuerklasse 4 mit Faktor“ beantragen (dazu unten mehr).

    Warum werden die Steuerklassen geändert?

    Weil es sich nach der derzeitigen Regelung für viele Personen in einer Ehe auf den ersten Blick nicht lohnt, mehr oder überhaupt zu arbeiten. Das ist vor allem dann der Fall, wenn ein Ehepartner nur in Teilzeit oder gar nicht arbeitet. Denn in Steuerklasse 4 hat auch der weniger verdienende Part einer Ehe sehr hohe Abzüge vom Bruttolohn. Netto bleibt von der Mehrarbeit monatlich dann nicht deutlich mehr auf dem Gehaltszettel.
    Bei der Kombination der beiden alten Steuerklassen 3 und 5 kommt dieser Effekt für den weniger verdienenden Part einer Ehe zum Teil noch deutlicher zum Tragen – auch dann, wenn die Grundidee hinter diesem Modell wohl ursprünglich eine andere war. Die Steuerklassen-Kombination 3/5 sollte besonders vorteilhaft für Ehepaare sein, bei denen die Rollenverteilung eher traditionell ist: Eine Person (meistens der Mann) verdient deutlich mehr als die andere Person. In dieser Variante werden die Steuerfreibeträge, die eigentlich beide Partner bekommen, beide dem Besserverdienenden zugeschlagen (Steuerklasse 3). Sie oder er bekommt also einen doppelten Freibetrag (derzeit zwei Mal 11.604 Euro, steigt laut Gesetzentwurf demnächst auf 12.084 Euro). Das reduziert für ihn die monatlich anfallende Lohnsteuer. Betrachtet man das Einkommen beider Ehepartner als Ganzes, wird ein Großteil des gemeinsamen Verdienstes also niedrig steuerlich belastet. Ein Vorteil für die Haushaltskasse.

    Person mit weniger Gehalt wird obendrein stärker besteuert

    Im Gegenzug wird der anderen Person mit dem niedrigeren Gehalt (Steuerklasse 5) ein deutlich höherer Anteil an Steuern abgezogen, denn er oder sie hat ihren Freibetrag an den besserverdienenden Gatten abgegeben.
    Psychologisch hat das einen großen Effekt: Der Geringverdiener in der Ehe – häufig die Frau – bekommt netto deutlich weniger raus, der Beitrag zum Familieneinkommen erscheint niedrig. Das senkt oft den Anreiz, nach der Babypause oder später wieder arbeiten zu gehen oder mehr zu arbeiten.
    Zudem widerspricht das Prinzip dem Gleichstellungsgedanken, den sich die Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben hat. Und es verschärft den Fachkräftemangel.

    Welche Auswirkungen hat die Abschaffung?

    Damit würde die Lohnsteuerbelastung gerechter auf die Ehepartner verteilt. Denn ab 2025 soll bei jedem Ehe-Part einzeln berechnet werden, wie viel er oder sie zum Familieneinkommen beiträgt. Die Partner werden damit –  verhältnismäßig – gleich stark besteuert.
    Damit wäre es für die weniger verdienende Person möglicherweise attraktiver, ihre Teilzeit aufzustocken oder überhaupt Arbeit aufzunehmen, weil netto mehr auf ihrem Gehaltszettel auftaucht.
    Der Splittingvorteil bliebe allerdings erhalten: Paare, bei denen einer deutlich mehr verdient als der andere, bekommen den Splittingvorteil erst nach der Steuererklärung am Jahresende erstattet. Oder sie können ihn im Jahresverlauf nutzen, indem sie künftig Steuerklasse 4 mit Faktorverfahren nutzen.

    Was ist das Faktorverfahren?

    Anders als bei der simplen Kombination „zweimal Steuerklasse 4“, nimmt die Eingruppierung in „zweimal Steuerklasse 4 mit Faktor“ Rücksicht darauf, wie die Lohnsteuer tatsächlich zwischen den Partnern verteilt ist. Es mildert damit die starre Einstufung in „zweimal Steuerklasse 4“ etwas ab, die von zwei gleich hohen Gehältern ausgeht.
    Ein Beispiel für das neue Prinzip „zweimal Steuerklasse 4 mit Faktor“:
    Wenn ein Partner drei Viertel des Haushaltseinkommens verdient, kann er das auf der Steuerkarte eintragen lassen. Dann muss er zwar mehr Steuern bezahlen als früher in der günstigen Steuerklasse 3, aber etwas weniger, als wenn er einfach in der Steuerklasse 4 (ohne Faktor) landet.
    Steuerklasse 4 mit Faktor berücksichtigt damit den sogenannten Splittingvorteil des Ehegattensplittings schon während des laufenden Jahres und noch vor der Steuererklärung. Paare, die in den Steuerklassen 4 / 4 bleiben (ohne Faktor), können sich erst mit der Steuererklärung das Geld vom Finanzamt zurückholen.
    Festzuhalten ist: Wer mehr verdient als der Partner oder die Partnerin und bislang in Steuerklasse 3 war, bekommt künftig mit dem Faktorverfahren etwas weniger netto raus. Denn mit dem Faktorverfahren wird der Grundfreibetrag eben nur einmal und nicht wie bisher doppelt berechnet. Umgekehrt bekommt diejenige Person, die bislang in Steuerklasse 5 war, künftig etwas mehr Geld raus – weil ihr jetzt auch einer von zwei Grundfreibeträgen angerechnet wird.

    Werden Familien mit der Neuerung schlechtergestellt?

    Nein. Insgesamt und aufs Jahr gerechnet soll sich die Steuerlast nicht verändern. Was sich ändert, ist der Zeitpunkt, zu dem Steuern abgezogen werden.
    Mit der bisherigen Wahl der Steuerklassen 3 und 5 können Paare erreichen, dass ihre Arbeitgeber jeden Monat etwas weniger Lohnsteuer ans Finanzamt abführen, als sie eigentlich aufs Jahr gerechnet bezahlen müssen. Am Jahresende müssen sie dann oft nachzahlen. Dafür erhalten sie während des laufenden Jahres quasi einen zinslosen Kredit vom Staat.
    Mit der neuen Regel – beide sind in Steuerklasse 4 (mit Faktor) – ändert sich nur der Zeitpunkt, zu dem die Steuer bezahlt wird. Dann nämlich werden, wenn die Einkommen stark unterschiedlich sind, bereits Monat für Monat mehr Steuern abgezogen. Bei Paaren mit sehr ungleichem Einkommen kann es also passieren, dass die Familie erst einmal – auf den Monat gerechnet – weniger Geld zur Verfügung hat. Das bekommt sie aber später mit der Steuerrückerstattung wieder. Spätestens mit der Steuererklärung gleicht sich also alles aus.
    Einen echten Steuervorteil gegenüber der individuellen Besteuerung, der sich nicht am Ende des Jahres wieder nivelliert, bringt das sogenannte Ehegattensplitting. An diesem Prinzip, bei dem beide Einkommen zusammengezählt und anschließend durch zwei geteilt werden, soll sich vorerst aber nichts ändern.

    Sandra Pfister, jma