Auch 2017 umwerben alle Parteien die Normalverdiener aus der Mitte und die Geringverdiener. Die Schlagworte lauten "Soli", "Grundfreibetrag", "Mittelstandsbauch" oder "Spitzensteuersatz":
"Der Spitzensteuersatz tritt viel zu früh ein. Es ist doch absurd, dass wir bei knapp über 50.000 Euro Einkommen schon im Bereich des Spitzensteuersatzes sind." Hiermit steht Wolfgang Schäuble nicht allein da. Aktuell beträgt der Spitzensteuersatz 42 Prozent und greift ab einem zu versteuernden Einkommen von etwa 54.000 Euro im Jahr. Union und SPD wollen diesen Schwellenwert auf 60.000 Euro anheben; Union und FDP zusätzlich den steilen Anstieg des Steuertarifs bei Einkommen ab 14.000 Euro, den sogenannten Mittelstandsbauch, abflachen.
Was so bei Union und FDP auf eine echte Steuerentlastung hinausläuft, entpuppt sich bei der SPD als Umverteilung. Denn die SPD will im Gegenzug Besserverdienende höher besteuern. "Wer besonders reich ist, kann einen größeren Beitrag zur Finanzierung von Investitionen und zur Entlastung der unteren und mittleren Einkommen leisten. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit", sagt Spitzenkandidat Martin Schulz. Ein Spitzensteuersatz von 45 Prozent ab 76.000 Euro und eine Reichensteuer von 48 Prozent ab 250.000 Euro sollen es richten.
Rechnerische Ersparnisse zwischen 33 und 100 Euro
Auch die Grünen wollen kleine und mittlere Einkommen entlasten und Einkommen ab 100.000 Euro stärker belasten. Noch radikaler ist die Linke, so Fraktionschef Dietmar Bartsch: "Wir als Linke fordern einen Steuerfreibetrag von 12.000 Euro und wollen dann allerdings in der Spitze auch mehr abholen. Da reicht die sanfte Erhöhung des Spitzensteuersatzes nicht aus, wir sind dafür, den so zu gestalten wie zu Zeiten Helmut Kohls, nämlich 53 Prozent." Und für Einkommensmillionäre sollen es 75 Prozent sein.
Die AfD will ebenfalls untere und mittlere Einkommen entlasten unter anderem durch eine Senkung der Mehrwertsteuer von derzeit 19 auf 12 Prozent. Weitere Details nennt die AfD nicht.
Allzu viel mehr Netto vom Brutto sollten sich Steuerzahler aber von keiner Partei versprechen. Das zeigt der Steuerrechner des Ifo-Instituts. Ein Single mit 25.000 Euro im Jahr spart pro Monat bei der Union 45 Euro, bei Grünen und der FDP zwischen 33 und 39 und bei der SPD nur knapp sechs Euro im Monat ein. Nur die Linke ragt heraus – hier wären es gut 100 Euro mehr netto im Monat.
Länder woll nicht sparen – muss der Soli weg?
All dies, was Parteien im Bund versprechen, kann an den Ländern allerdings auch noch scheitern. Diese müssen im Bundesrat zustimmen; ihre Bereitschaft, Einnahmeausfälle hinzunehmen, tendiert allerdings gegen Null, betont Stefan Weil, der Ministerpräsident von Niedersachsen: "Ich bin sehr für Steuersenkungen, und das kann der Staat auch bezahlen, aber der Staat – das ist in diesem Fall der Bund."
Deshalb kommt hier der Soli ins Spiel. Er fließt allein dem Bund zu, kann also auch ohne Zustimmung der Länder gesenkt oder abgeschafft werden – und darauf setzt vor allem die SPD. "Wir schaffen den Solidaritätszuschlag ab – im ersten Schritt für die unteren und mittleren Einkommen vollständig", verspricht Martin Schulz und gemeint sind damit alle Einkommen bis 52.000 Euro – und zwar ab 2020. Für einen Single brächte dies bis zu 62 Euro mehr netto im Monat. Die höheren Einkommen sollen vier Jahre länger warten, aber 2024 wäre der Soli damit abgeschafft.
So lange will die FDP nicht warten – bei ihr verschwindet der Soli bereits 2019, und zwar komplett. CDU und CSU versprechen eine Soli-Senkung für alle, aber zunächst nur um vier Milliarden Euro und dies auch erst ab 2021. Wie es danach weiter geht, will Angela Merkel von der Kassenlage abhängig machen: "Wenn sich die Möglichkeiten ergeben, werden wir es so schnell wie möglich tun, aber zu sagen, wir sind 2025 damit fertig – das sind 18 Milliarden Euro! Das wäre auch vermessen."
Was ist mit den niedrigsten Einkommen?
Bleiben die unteren Einkommen, die von Steuersenkungen nichts haben, weil sie kaum Steuern zahlen. Martin Schulz verspricht deshalb: "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bis 1.300 Euro verdienen, entlasten wir aus Steuermitteln bei den Sozialabgaben." Die Sozialdemokraten wollen zusätzlich die Kita-Gebühren schrittweise abschaffen, und die Krankenkassenbeiträge sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wieder wie früher je zur Hälfte tragen. "Das bringt eine Entlastung von fünf Milliarden Euro."
Die Union hat Vergleichbares für Geringverdiener nicht im Angebot. Dieses Manko will Angela Merkel aber an anderer Stelle ausgleichen. Sie will den Kinderfreibetrag auf den Grundfreibetrag für Erwachsene anheben. "Das bedeutet dann, dass in entsprechender Weise auch das Kindergeld erhöht wird. In einem ersten Schritt werden wir das Kindergeld pro Monat um 25 Euro für jedes Kind, das bedeutet 300 Euro mehr für jedes Kind."