Die Steuerschätzer korrigieren ihre Prognose nach oben, aber die potenziellen Jamaika-Koalitionäre müssen dennoch Abstriche bei ihren Ausgabewünschen machen. "Die Lage ist gut, sie hat sich auch ein Stück weit verbessert, aber Bäume wachsen nicht in den Himmel." So beschreibt der geschäftsführende Finanzminister Peter Altmaier die unter dem Strich recht komfortable Finanzlage nach der neuen Steuerschätzung.
Bund, Länder und Gemeinden können bis 2021 mit 26,3 Milliarden Euro mehr rechnen als noch bei der letzten Steuerschätzung vom Mai. Insgesamt wird der Staat in diesem Jahr gut 734 Milliarden Euro einnehmen - das sind noch einmal zwei Milliarden mehr als bisher geschätzt - und diese Gesamteinnahmen steigen bis 2021 auf knapp 858 Milliarden Euro.
Das meiste entfällt auf Länder und Kommunen
Allerdings sind die Zuwächse ungleich verteilt, was vor allem für die Ausgabenwünsche der Jamaika-Koalitionäre im Bund bedeutsam ist. Der Löwenanteil der Mehreinnahmen entfällt auf die Länder und Kommunen, beim Bund wird die Bilanz unter anderem durch die zusätzlichen Zahlungen verhagelt, die ab 2020 an die Länder im Rahmen des neuen Länderfinanzausgleichs zu leisten sind. Doch auch wenn dies berücksichtigt wird – die Jamaika-Koalitionäre wissen jetzt, woran sie sind, so Peter Altmaier, der seine Rechnung mit den Auswirkungen dieser Steuerschätzung beginnt:
"Für den Bund ergibt sich als reiner Effekt der Steuerschätzung für die nächsten vier Jahre zusätzliche Steuereinnahmen von 15 Milliarden Euro gegenüber der letzten Steuerschätzung vom Mai."
Hinzu kommen noch einmal knapp 15 Milliarden Euro, die noch Wolfgang Schäuble in seiner Finanzplanung für die kommenden Jahre als Rücklage eingeplant hatte. Heißt unter dem Strich: Eine Jamaika-Koalition könnte - käme sie zustande - in den nächsten vier Jahren insgesamt etwa 30 Milliarden Euro mehr ausgeben - für Investitionen, für Steuersenkungen, zur Finanzierung von anderen Wahlgeschenken oder für Ausgaben, die aus anderen Gründen unausweichlich sind, ohne dabei neue Schulden zu machen.
Keine bunten Wunschlisten
Genau darauf haben sich die Sondierer von Union, FDP und Grünen im Grundsatz bereits verständigt. Mit Blick auf die laufenden Sondierungsgespräche mahnt Altmaier deshalb: "Wir müssen uns alle immer wieder daran orientieren, dass ein Handlungsspielraum, der vorhanden ist, nicht bedeutet, das alle Wünsche erfüllt werden können. Die Frage einer soliden Haushaltsführung bemisst sich nicht nur daran, was der Bund an Steuern einnimmt und zur Verfügung hat, sondern auch an dem, was man ausgibt. Die Wünsche sind bekanntlich immer sehr viele und viele auch nachvollziehbar, dennoch müssen wir bereit sein, auch Prioritäten zu setzen - so wie wir das auch in den vergangenen Jahren gemacht haben.
Neue finanzielle Spielräume für bunte Wünsch-Dir-Was-Listen eröffnen sich damit nicht - darauf verweist denn auch Ralph Brinkhaus, in der Unionsfraktion für die Sondierungen zum Thema Finanzen und Haushalt zuständig. Genüsslich dagegen SPD-Finanzexperte Johannes Kahrs. Er prognostiziert: Man werde in den nächsten Tagen weiter zuschauen können, wie kräftig vorgetragene Wahlversprechen kleinlaut eingesammelt würden.
Die Jamaika-Sondierungen selbst gingen derweil auf Arbeitsebene weiter. Die Unterhändler von CDU, CSU, FDP und Grünen arbeiten eine Liste mit 125 offenen Punkten ab. Erste Ergebnisse sollen morgen in großer Runde bewertet werden.