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Steven Spielbergs "Die Verlegerin"
Ein Statement für die Pressefreiheit

Es war ein Beleg für jahrzehntelange Lügen der US-Regierung über den Vietnam-Krieg: Als 1971 "New York Times" und "Washington Post" geheime Pentagon-Papiere veröffentlichten, gingen sie ein großes Risiko ein. Im Film "Die Verlegerin" macht Steven Spielberg daraus ein flammendes Plädoyer für Pressefreiheit.

Von Hartwig Tegeler |
    Die Verlegerin und ihr Chefredakteur: Meryl Streep und Tom Hanks im neuen Film von Steven Spielberg.
    Die Verlegerin und ihr Chefredakteur: Meryl Streep und Tom Hanks im neuen Film von Steven Spielberg. (imago stock&people)
    "Gut, ich hätte eine hypothetische Frage." -
    Eichenholzgetäfeltes Hinterzimmer.
    - "Ich mag keine hypothetischen Fragen." -
    "Tja, ich glaube, die richtige Frage magst du auch nicht."
    Der Chefredakteur trifft auf seine Verlegerin.
    "Hast du die Dokumente?" - "Noch nicht." - "Oh Gott, oh Gott, ich meine, du weißt, in welche Lage mich das bringen würde."
    Kay Graham - gespielt von Meryl Streep - würde Probleme mit ihrem bisherigen Luxus-Leben bekommen, das ist schon mal klar. Was ihr Chefredakteur Ben Bradlee böse auf den Punkt bringt.
    "Das einzige mir bekannte Paar, mit dem sowohl Kennedy als auch Lyndon B. Johnson verkehren wollten, warst du und dein Mann. Und euch gehörte die verdammte Zeitung. Politiker und Presse haben einander vertraut, damit sie auf die selben Dinnerparties gehen, Cocktails trinken und Witze reißen konnten."
    Während in Vietnam der Krieg tobt!
    Ein Schuhkarton mit geheimen Dokumenten
    Nun, im Juni 1971, versucht die Nixon-Administration die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere, die die Lügen über das US-Engagement in Vietnam enthüllen, per Gerichtsbeschluss zu verhindern. Die Klage geht gegen die "New York Times", die erste Artikel zum Thema veröffentlicht hat. Und dann liegt auf einem Redakteurs-Schreibtisch der "Washington Post" ein Schuhkarton mit geheimen Dokumenten.
    "Es ist nicht der ganze Bericht, aber über 4000 Seiten davon."
    Für die Hauptstadt-Tageszeitung stellt sich die Frage: Veröffentlichen oder nicht? Der Chefredakteur haut ordentlich auf die Tonne:
    "Seit sechs Jahren hecheln wir hinterher. Und jetzt, dank des Präsidenten der Vereinigten Staaten, der nebenbei bemerkt auch noch auf die Pressefreiheit scheißt, haben wir das Material. Und Konkurrenz haben wir auch keine."
    Das Risiko für die Verantwortlichen der Zeitung bestand damals darin, nach einem ausstehenden Urteil des Oberstes US-Gerichtshofes, der in dieser Juni-Woche des Jahres 1971 ausstand, möglicherweise eine Straftat zu begehen. Konsequenz könnte Gefängnis sein. Wie es dann, am 18. Juni, fünf Tage nach der "New York Times"-Veröffentlichung, zum ersten Artikel in der "Washington Post" kam, das erzählt Steven Spielberg als Polit- und Journalismus-Thriller, aber auch als eine Emanzipationsgeschichte einer Dinnerparty-Dame namens Kay Graham, die nach dem Selbstmord ihres Mannes quasi in die Rolle der Zeitungsverlegerin hineingeworfen wurde. Die Frau, sagt Spielberg, fand ihre Stimme in diesem wichtigen historischen Moment:

    "I think what makes this story empowering today for women today is, you watch Kathy Graham to grow into the job. You got to watch this woman find her voice."
    Meryl Streep als naives Luxus-Geschöpf
    Steven Spielberg ist ein großer Kinoerzähler. Das zeigt sich in "Die Verlegerin" darin, wie der Filmemacher das komplexe Historiendrama ohne einen Hauch von Trockenheit inszeniert. Es ist eine Lust, Meryl Streep als zunächst naives Luxus-Geschöpf zu sehen, das langsam aufwacht und ebenso langsam begreift, was es für die Verfassung und die Demokratie bedeutet, wenn sie die Einwilligung zur Veröffentlichung gibt oder nicht.
    "Wir haben zehn Stunden bis zum Andruck. Also: Hängen wir uns rein!"
    Es ist eine Lust, Tom Hanks als Chefredakteur Ben Bradlee zu sehen, der die Veröffentlichung als Wahrheits-Aufgabe begreift, das Ganze aber auch als ein großes Abenteuer sieht. Wir – die Kinogänger in Trump- und Fake-News-Zeiten - können nur inständig hoffen, dass es viele solche Typen auch heute noch in Washington D.C. und anderswo gibt.
    Eine Heldengeschichte für Hollywood
    Dies ist eine dieser Heldengeschichten aus der Realität, die Hollywood so liebt. Bei diesem Thema allerdings, diesem Sujet, bei dieser Geschichte, die damit endet, dass der Oberste Gerichtshof die Pressefreiheit stärkt, liegt es nahe, dass wir diese dauerrauchenden Typen in "Die Verlegerin", da in den Redaktionen mit den klappernden Schreibmaschinen genauso lieben wie einst Robert Redford und Dustin Hoffman in "Die Unbestechlichen" als Watergate-Journalisten oder danach ihre Kollegen in "Spotlight". Eine Frau sagt am Ende zu Recht zu ihrem Mann, dem "Washington Post"-Journalisten.
    "Du bist sehr mutig!"
    Spielbergs Geschichte aus dem Jahr 1971 spiegelt unsere Gegenwart und setzt ein klares Statement für die Pressefreiheit als Grundfeste der Demokratie.