Innsbruck, die Landeshauptstadt Tirols. Die fünftgrößte Stadt Österreichs. Auf der A12 wälzt sich der Fernverkehr durch das Inntal und stößt zusammen mit den Fahrzeugen in der Innenstadt jede Menge Stickoxide aus. Thomas Karl, Professor an der Universität Innsbruck, hält ein wachsames Auge auf die Luftqualität der Stadt.
"Also, wir sind sehr glücklich in dieser Beziehung, dass die Universität Innsbruck relativ stadtnah gelegen ist und unser Institut sich am obersten Stock eines der höchsten Gebäude in Innsbruck befindet. Auf diesem Gebäude haben wir vor zwei Jahren einen Messturm errichtet, der zirka zwanzig Meter hoch ist. Und auf diesem Messturm wird dann die Luft angesaugt für unsere Schadstoffmessungen. Und auf diesem Messturm befinden sich dann auch die meteorologischen Sensoren, die wir dazu benötigen."
Stickoxidwerte werden in 50 Meter Höhe gemessen
Die beiden offiziellen Messstationen für die Luftqualität im Zentrum von Innsbruck seien zwar hervorragend dazu geeignet, die Einhaltung der Grenzwerte zu überwachen, sagt der Atmosphärenphysiker. Sie haben jedoch auch einen Nachteil: Sie erfassen die NOx-Werte nur punktuell an ihrem Standort. Die Belastung kann aber von einem Straßenzug zum anderen deutlich variieren: Hohe Mengen an den Hauptverkehrsadern und Konzentrationen unterhalb der Grenzwerte im Wohngebiet gleich nebenan.
"Die Variabilität ist ein großes Problem. Weil: jedes Auto hat andere Bedingungen, andere Fahrer. Hängt auch davon ab, wie die Steigung gerade in diesem Straßenzug ist. Wie liegt die mittlere Windrichtung in Bezug auf den Straßenzug. Solche Fragen spielen natürlich auch eine Rolle."
Thomas Karl ermittelt die Stickoxidwerte daher ganz bewusst in ungefähr fünfzig Metern Höhe. Denn so erhält er ein Gesamtbild der NOx-Situation rund um das Atmosphären-Observatorium auf dem Dach des Universitätsgebäudes. Aus seinen Messwerten und ebenfalls aufgezeichneten Wetterdaten, wie etwa der Windgeschwindigkeit, kann er mit Hilfe statistischer Verfahren auf die Emissionen in einem Umkreis von rund einem Kilometer schließen. Und weil seine Geräte zehn Messwerte pro Sekunde aufnehmen, vermag der Wissenschaftler den zeitlichen Verlauf der Stickoxidbelastung hochgenau nachzuzeichnen – und damit auf die Verursacher zu schließen, wie etwa auf den Straßenverkehr.
"Wir sehen während der Rush-Hour oder während dem Tag höhere Emissionen als in der Nacht. Wir sehen auch sehr starke Unterschiede zwischen Wochentag und Wochenende, was alles ein sehr starkes Indiz darauf ist, dass eben hier für Stickoxide der Verkehr für diese zeitlichen Verläufe auch eine gute Erklärung abgibt."
Stickoxid-Belastung durch Verkehr wurde lange Zeit unterschätzt
Welchen Beitrag die NOx-Quellen in der Stadt zur Gesamtbelastung liefern, wurde bisher an Modellen abgeschätzt: Experten haben dazu unter Laborbedingungen die Schadstoffwerte von Öfen oder die Abgase von Autos gemessen und dann auf das gesamte Stadtgebiet hochgerechnet. Doch spätestens seit dem Dieselskandal dürfte offenbar geworden sein, dass die realen Emissionen von Kraftfahrzeugen deutlich höher liegen als diejenigen auf dem Prüfstand – selbst wenn die Autos nicht über eine illegale Abschaltvorrichtung verfügen. Im Sommer 2015 hat das Team um Thomas Karl daher Modellwerte und eigene Messungen der Innsbrucker Stadtluft miteinander verglichen: Wieviel NOx stammt aus dem Auspuff der Autos, wieviel aus den Schornsteinen der Gebäude, also aus dem sogenannten Hausbrand?
"Was wir sehen, ist eigentlich eine Bestätigung auch von anderen Studien, dass die relativen Anteile der Stickoxidemissionen aus Verkehr höher sind als erwartet. Unsere Messungen waren natürlich im Sommer, da spielt im Wesentlichen Verkehr eine größere Rolle. Für 2015 für Innsbruck hochgerechnet sehen wir für die Innenstadt, dass da zirka siebzig, achtzig Prozent der Stickoxid-Emissionen aus dem Verkehr kommen. Der Rest aus anderen Quellen, zum Beispiel Hausbrand."
Der Verkehr sei als Quelle für die innerstädtische Stickoxid-Belastung lange Zeit unterschätzt worden. Die Messungen aus Innsbruck zeigen, dass der Beitrag bis zu vierfach höher sein könne als selbst in neueren Modellrechnungen abgeschätzt, schrieben die Forscher um Thomas Karl im vergangenen Jahr im Fachmagazin Scientific Reports.