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Stickstoffwerte bei Autos
Umwelthilfe: Grenzwerte werden um ein Vielfaches überschritten

Mehrere Autohersteller stehen mal wieder wegen möglicher Tricksereien bei den Abgaswerten in der Kritik. Laut den Messungen der Umwelthilfe wird bei etlichen Modellen die Abgasreinigung abgeschaltet, wenn die Außentemperatur unter einen bestimmten Wert fällt. Die Folge: Es wird bis zu 17-mal mehr Stickstoff ausgestoßen als erlaubt.

Von Philip Banse |
    Dieselrauch kommt aus einem Auspuff eines Kleintransporters in Frankfurt (Oder) (Brandenburg), aufgenommen am 23.02.2013.
    Viele Autos blasen zu viel Stickstoffdioxid in die Luft, sagt die Umwelthilfe. (dpa / picture-alliance / Patrick Pleul)
    Die Deutsche Umwelthilfe erhebt schwere Vorwürfe gegen die Autoindustrie. Autos von Fiat, Renault und Mercedes sollen die Grenzwerte für das Lungengift Stickoxid um das bis zu 17fache übersteigen. Das hätten Messungen der Deutschen Umwelthilfe ergeben. Spitzenreiter sei der Fiat 500, sagt Axel Friedrich von der Deutschen Umwelthilfe, der die Messungen durchgeführt hat.
    "Der hat 1.380 Milligramm pro Kilometer, das ist unser Spitzenreiter bisher, kein anderes Fahrzeug hat das bisher überschritten. Auch das ist ein Euro-6-Fahrzeug und der Grenzwert wird um den Faktor 17 überschritten."
    Der Fiat 500 stößt nach diesen Messungen also 17-mal mehr Stickoxid aus als erlaubt. Dicht dahinter der Renault Capture, der den in Deutschland geltenden Stickoxid-Grenzwert um das 16fache überschritten hat. Auf Platz 3 der Mercedes B-Klasse 180d – 13fache Überschreitung des Grenzwerts. Man muss sagen: Diese Grenzwerte überschreiten die Autos nicht immer, sondern nur, wenn die Außentemperatur unter einen bestimmten Wert fällt, sagt Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Sehr früh schalteten demnach Opel, Renault, Porsche und Ford ab:
    "Wir sehen, dass diese Hersteller die ordnungsgemäße Abgasreinigung deaktivieren. Andere Hersteller wie Mercedes mit den Harnstoff-Systemen reduzieren bei zehn Grad und darunter. Das sind ungefähr 50 Prozent der Jahresstunden, umgerechnet in Monate: Sechs Monate ohne funktionierende Abgasreinigung."
    "Abgasrückführung bis an die vorhandenen Betriebsgrenzen"
    Dass abgeschaltet wird, habe die Deutsche Umwelthilfe nicht in der Software der Autos gesehen, sondern durch die Messungen abgeleitet, sagt Mess-Leiter Axel Friedrich:
    "Wir können ja feststellen, dass die Abgasrückführung abgeschaltet worden ist; dass die Dinge nicht funktionieren. Wir wissen ganz genau, bei welcher Temperatur abgeschaltet wird, wir können das erkennen. Das heißt, die Fahrzeuge schalten bei bestimmten Temperaturen, was die Hersteller inzwischen auch zugegeben haben, die Abgaseinrichtung einfach ab. Wir sind der Meinung, das ist illegal."
    Mercedes Benz teilte auf Anfrage des DLF von heute Vormittag mit, dass die Ergebnisse der Umwelthilfe erst geprüft werden müssten. Dann weiter, Zitat:
    "Generell lässt sich sagen, dass die Abgasrückführung eine emissionsreduzierende Maßnahme ist, die abhängig von der Motorkonstruktion für den sicheren Motorbetrieb bis an die vorhandenen Betriebsgrenzen betrieben wird."
    Für Nachfragen war keine Zeit, was diese PR-Aussage genau bedeutet, aber übersetzt bedeutet das im Prinzip, dass Mercedes Abschaltungen der Abgasreinigung eingesteht mit der Begründung, es müssten Motorschäden vorgebeugt werden – wodurch eine Abschaltung der Abgasreinigung legal sein könnte. Axel Friedrich von der DUH hält das für nicht haltbar:
    "Das Interessante ist: Dieselbe Formulierung gibt es in den USA auch. Keiner der Hersteller hat in den USA Motorschutz beantragt. Warum? Er müsste nachweisen, dass hier an der Stelle wirklich ein Problem vorliegt. Hier kann man einfach erklären, ich habe Motorschutz und keiner prüft das nach."
    Messergebnisse werden Staatsanwaltschaften übergeben
    Mercedes schreibt weiter, das das Unternehmen die Stickstoff-Emissionen mit einem Software-Update senken will, sobald dieses vom Kraftfahrzeugbundesamt frei gegeben sei. Der Deutschen Umwelthilfe reicht das nicht. Jürgen Resch:
    "Die Deutsche Umwelthilfe fordert den Herrn Zetsche, den Herrn Krüger, den Herrn Müller und alle anderen verantwortlichen Vorstandsvorsitzenden der Autokonzerne dazu auf, alle Euro-5- und Euro-6-Fahrzeuge, die ausgeliefert sind und über Temperatur- oder sonstige Abschalteinrichtungen verfügen, zurückzurufen und so nachzubessern, dass sie die entsprechenden Werte einhalten. Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Rechtsmittel nutzen, dass diese Fahrzeuge ihre Zulassung verlieren, nicht weiter verkauft werden dürfen."
    Die Deutsche Umwelthilfe werde die Messergebnisse an Staatsanwaltschaften übergeben. Den zuständigen Behörden und dem Bundesverkehrsministerium traue er nicht mehr, sagt Jürgen Resch mit Blick auf veröffentlichte E-Mails des Leiters des Kraftfahrzeug Bundesamtes. In diesen Mails leitet der Behördenchef Empfehlungen der Autoindustrie an seine Beamten weiter und unterschreibt mit den Worten "mit industriefreundlichen Grüßen".
    "Wo ist hier die professionelle Distanz von Fachbehörde und einer Industrie, die vorsätzlich rechtswidrig und ich sage ausdrücklich auch kriminell handelt – und zwar in einer organisierten und abgestimmten Form."