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Stiegler: Steuerliche Absetzbarkeit besser als Pendlerpauschale

Nach den Vorstellungen des stellvertretenden SPD-Fraktionschefs Ludwig Stiegler müssten Fahrkosten zur Arbeit vollständig von der Steuer abgesetzt werden können. Deshalb sei eine Rückkehr zur früheren Regelung der Pendlerpauschale nicht sinnvoll, sagte er. Zudem müsse das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dieser Sache abgewartet werden.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Und am Telefon begrüße ich Ludwig Stiegler, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Stiegler!

    Ludwig Stiegler: Schönen guten Morgen!

    Klein: Nun auch Baden-Württemberg. Ein SPD-Landesverband nach dem anderen geht Ihnen von der Fahne?

    Stiegler: Wieso von der Fahne? Ich bin auch Landesvorsitzender des SPD in Bayern. Wir sind schon mindestens ja seit einem Jahr dieser Meinung, hatten sogar schon eine Gesetzesinitiative im Bundestag, die damals an der CSU gescheitert ist.

    Klein: Moment, Sie wollen die Pendlerpauschale auch so schnell wie möglich wieder einführen? Ist das jetzt SPD-Linie?

    Stiegler: Die SPD-Fraktion hatte das letztes Jahr intern schon beschlossen und ist in der Koalition an der CSU gescheitert. Ich sage Ihnen, für mich ist die Pendlerpauschale eher das Problem von gestern. Denn die Pendlerpauschale heißt auf Deutsch, es sind auf 30 Cent pro Doppelkilometer gedeckelt die Werbungskosten. Und ich war von Anfang an der Meinung, dass das Bundesverfassungsgericht sagen wird, die Erwerbskosten, die Kosten der Fahrt zur Arbeitsstätte, die können nicht besteuert werden, müssen also vorher abgezogen werden. Und insofern sind alle die, die sagen, warten wir Karlsruhe ab, nicht immer gleicher Meinung. Die einen meinen, die Kürzungen der Pauschale und die Nichtanerkennung von Werbungskosten würde dort durchkommen. Ich gehöre zu denen, die erwarten, dass das sogenannte objektive Nettoprinzip sich durchsetzt, sodass das Gericht sagt, besteuert wird nur das, was der Arbeitnehmer wirklich hat und was er aufwenden muss, um zum Erwerb überhaupt zu kommen. Das kann nicht besteuert werden. Ich selber habe als junger Abgeordneter, ich bin ja einer aus dem ländlichen Raum, aus Ostbayern, schon mit dem Helmut Schmidt mich wegen der Pendlerpauschale gezankt, der immer sich geärgert hat als Hamburger, dass die Leute in den Speckgürtel gezogen sind und ihnen das vermiesen wollte. Aber ich sage, die Entscheidung, wo einer wohnt, ist seine Sache. Und wenn er erwerbstätig ist, dann müssen seine Kosten berücksichtigt werden. Das ist der eigentliche Kampf.

    Klein: Herr Stiegler, Sie schildern jetzt, was früher war und was vor einem Jahr war. Was ist denn jetzt? Die CSU ist für die Wiedereinführung der Pendlerpauschale. Mehrere Landesverbände sind dafür, noch vor dem Urteil von Karlsruhe und noch vor der Sommerpause eine Entscheidung zu treffen.

    Stiegler: Das ist doch ein Blödsinn. Denn vor dem Urteil, das irgendwann im Oktober, November kommt, könnte rein technisch ein Gesetzgebungsverfahren so gar nicht mehr gemacht werden und deshalb ist das für die CSU halt Wahlkampftaktik.

    Klein: Na, Moment. Mehrere Landesverbände sagen genau das Gleiche, und Sie sagen jetzt, das ist Blödsinn?

    Stiegler: Ja, weil es technisch gar nicht mehr geht. Wir haben jetzt Sommerpause. Das Parlament tritt Mitte September zusammen. Und bis die erste Lesung ist und die erste Anhörung, hoffe ich, dass wir das Karlsruher Urteil haben. Und es haben auch diejenigen recht, die sagen, lasst uns dieses Urteil abwarten. Wenn wir jetzt einfach zur Pendlerpauschale zurückkehren, wird uns das Gericht, wie ich hoffe, sagen, das ist auch verfassungswidrig, denn die Kosten sind nach oben gedeckelt. Ich bin ja der Meinung, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wesentlich mehr an Werbungskosten abziehen müssten, denn die Autohaltungskosten haben sich, wie wir alles wissen, erheblich vergrößert, und zwar von der Anschaffung bis zum Werkstättenunterhalt und bis zu den Treibstoffkosten.

    Klein: Das ist schon klar, Herr Stiegler. Aber wenn mehrere Landesverbände etwas vorschlagen, was Ihrer Meinung nach technisch überhaupt nicht möglich ist, dann müssen Sie die zur Ordnung rufen. Denn mit Blödsinn Wahlkampf zu machen aus SPD-Sicht, kann auch kein Sinn haben.

    Stiegler: Das sind symbolische Gesten, dass man sagt, ich will die Pendlerpauschale wiederhaben. Das heißt auf Deutsch, ich will die Werbungskosten wiederhaben. Ich sage, in Bayern, ich selber gehe weit darüber hinaus. Die CSU deckelt euch, die CSU will euch auf 15 Cent pro Kilometer festnageln durch die Unterschriftenaktion, während wir darauf vertrauen, dass Karlsruhe eben die echten Werbungskosten absetzt. Und das ist weit besser als ein Weg jetzt über die Wiedereinführung der alten gedeckelten Pendlerpauschale.

    Klein: Aber der Eindruck ist doch schon da, einige Landesverbände fordern etwas, was offenbar nicht möglich ist und im Gegensatz steht zu dem, was Sie als Fraktion zum Beispiel jetzt vertreten.

    Stiegler: Es ist eben eine Frage, sie sagen den Menschen die Botschaft, ich bin für die Anerkennung der Werbungskosten. Aber jeder, der dem Parlamentsbetrieb kennt, weiß, das Parlament tritt Mitte September wieder zusammen und könnte rein technisch nur mit einem Rieseneilverfahren darüber entscheiden. Und außerdem ist es ja so, jeder, der will, kann jetzt schon zu seinem Finanzamt oder zu seiner Gemeinde gehen und sich seine alte Pendlerpauschale wieder eintragen lassen. Wir haben ja längst vorläufige Regelungen, wonach bis zur Entscheidung in Karlsruhe jeder Mensch, der das will und der das Risiko, dass der Prozess verloren geht, eingehen will, wieder seine alte Regelung in der Lohnsteuerkarte haben kann. Das ist den meisten wohl auch nicht bewusst.

    Klein: Das ist die vorläufige Regelung. Herr Stiegler, der SPD-Generalsekretär warnt jetzt davor, dem bayerischen Wahlkampf auf den Leim zu gehen, wie er sagt. Nun ist der bayerische Wahlkampf ja nicht irgendein Gespenst, sondern ein Zustand, in dem sich auch Ihre Partei in Bayern befindet. Immerhin war es Ihr Parteifreund Franz Maget, der den Vorstoß Richtung Pendlerpauschale viel schneller als eigentlich geplant ebenfalls vorgenommen hat.

    Stiegler: Und unsere Generalsekretär, das sollte er auch wissen, dass die Bayern-SPD dieser Meinung schon vor einem Jahr war, dass wir immer gedrängt haben, dass die SPD-Landesgruppe im Bundestag der CSU letztes Jahr schon den Vorschlag gemacht hat, und dass wir natürlich der Auffassung sind, dass die Pendler besser gestellt werden können. Das muss er zur Kenntnis nehmen, das haben wir auf unserem Landesparteitag so beschlossen und im Landesvorstand ohnehin. Und Maget und ich vertreten das zusammen mit Florian Pronold eh schon ...

    Klein: Die bayerische SPD kann sich vom Generalsekretär nicht wirklich unterstützt fühlen, schließe ich daraus?

    Stiegler: Ja, das brauche ich auch nicht.

    Klein: Sie brauchen das nicht im Wahlkampf?

    Stiegler: Politische Einheiten, wenn der Generalsekretär hier anderer Meinung ist als wir, ja, wir sind eine demokratische Partei, da kann man unterschiedlicher Meinungen sein. Aber der Landesverband Bayern der SPD ist dafür, dass den Arbeitnehmern die Werbungskosten erstattet werden. Wir sind beschlussmäßig inzwischen weit über eine gedeckelte Pendlerpauschale hinaus, weil wir eben als Partei des ländlichen Raumes sehen, was da los ist.

    Klein: Herr Stiegler, wir halten fest, es gibt ein Dissens, zumindest zwischen Generalsekretär und bayerischem Landesverband. Sie sagen, das ist auch in Ordnung so. Ich frage noch mal. Ein Gesamtkonzept, und das steht ja wohl dahinter, etwa wie hohe Energiepreise steigen, wie Preise abgemildert werden können, die ist doch aus Sicht der Verbraucher, der Bürger nach wie vor nicht zu erkennen, Pendlerpauschale hin oder her?

    Stiegler: Das ist die andere Sache. Das eine sind die Werbungskosten, und das andere ist die Frage, wie kommen wir, wir gehen wir mit künftigen Energiefragen um. Da haben wir ja die Arbeitsgruppe bei Peter Struck. Da gibt es ja mehrere Felder. Da gibt es meinetwegen das Feld Wohnungsbau und Wohnungssanierung. Wir werden sicher noch mal eine große Anstrengung machen müssen. Aber ich bin sogar dafür, für eine nationalen Pakt zur Modernisierung und energetischen Sanierung des deutschen Wohnungsbestandes. Da muss unglaublich viel geschehen, damit man eben statt einem Zehn-Liter-Haus ein Drei-Liter-Haus oder sogar noch weniger erreicht. Das ist ein großer Kraftakt. Wir müssen ran, dass wir an die Kraftstoffe der zweiten Generation, an effizienten Motoren, irgendwann muss man dran denken, vielleicht auch an den Förderprogrammen, dass die Leute umsteigen können auf energieeffiziente Autos. Das sind Gedanken, die wir uns in diesem Feld machen, dass man einfach auch denjenigen, die weniger Geld zur Verfügung haben, die Chance gibt, auf energieeffizientere Autos umzusteigen. Das ist die andere Seite. Die Pendlerpauschale ist die ganz normale, als Bayer würde ich sagen hundsverreckte, Frage. Danach wird Geld besteuert, was ich gar nicht bekomme, weil ich es aufwenden muss, um zur Arbeit, um wieder nach Hause zu kommen. Und das andere ist die Frage, wie kann ich meine Mobilität so organisieren, dass sie mir nicht so viel kostet, wie sie in Zukunft kosten wird, weil wir ja weiter mit steigenden Energiepreisen zu tun haben.

    Klein: Da sagen Sie, eine Arbeitsgruppe ist angesetzt und wir machen uns Gedanken. Herzlichen Dank bis hierher! Ludwig Stiegler war das, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Stiegler!

    Stiegler: Schönen guten Morgen, Wiederhören!