Karfreitag wird es wieder Zoff geben: Disco-Besucher, gestylt und bereit für eine lange Partynacht, treffen auf DJs, die nur ruhige Hintergrundmusik auflegen dürfen. So schreibt es ihnen das Feiertagsgesetz vor. Verstöße kosten Bußgeld und tatsächlich berichten Disco-Betreiber von Kontrollen. Für Michael Wladarsch vom Bund für Geistesfreiheit beschneidet dieses Gesetz die bürgerliche Freiheit.
"Daher ist es für mich selbstverständlich, dass sowas wie das Tanzverbot eigentlich gar nicht existieren darf und auch nie hätte eingeführt werden dürfen. Weil es eine Religion mit einer bestimmten Geschmacksrichtung bevorzugt und ihr Privilegien verleiht, die so nicht gerechtfertigt sind."
Der Bund für Geistesfreiheit protestiert mit sogenannten Heidenspaß-Partys gegen das Tanzverbot an Karfreitag. Unter anderem in München, Leipzig und Bochum gibt es Live-Musik, Paartanz und den Monty-Python-Film 'Das Leben des Brian'. Vergangenes Jahr erteilte der Religionskritiker Michael Schmidt-Salomon bei der Münchner Heidenspaß-Party den 'humanistischen Tanzsegen':
"So kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, und tanzt den Karfreitag!"
"Es geht um die Privilegien der Kirchen"
Hinter der satirischen Provokation stecke ein ernsthaftes Anliegen, sagt Michael Wladarsch.
"Es geht um die Privilegien, die die beiden christlichen Kirchen vom Staat genießen. Dass man mit so einer Aktion den einen oder anderen vielleicht auch zum Schmunzeln bringt, zeigt, wie doch eigentlich Strukturen noch verknöchert sind und in eine Richtung weisen, die aus meiner Sicht wirklich überkommen ist."
Tatsächlich erklärte das Bundesverfassungsgericht vor anderthalb Jahren das generelle Tanzverbot im bayerischen Feiertagsgesetz für verfassungswidrig. Zwar dürfe der Staat den Karfreitag besonders schützen, so das Bundesverfassungsgericht. Dass aber das Gesetz mögliche Ausnahmen von vornherein ausschließe, sei unverhältnismäßig. Der Sonn- und Feiertagsschutz ist Ländersache: In Bayern gibt es neun stille Tage, an denen - so wörtlich - "öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt" sind, "wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist". In Nordrhein-Westfalen dürfen an Karfreitag in Kinos nur Filme gezeigt werden, die vom Kultusminister als "geeignet" deklariert werden. Auch in den anderen Bundesländern sind Feiertage wie Allerheiligen, Volkstrauertag und Heiligabend besonders geschützt. Stille Tage hätten durchaus ihre Berechtigung, sagt der Jesuit Karl Kern von der Münchner Innenstadtkirche Sankt Michael:
"Wenn der Mensch nur Konsum und Gewinn ist, brauchen wir keinen Sonntag. Wenn der Mensch nur Vergnügen ist, brauchen wir keine stillen Tage. Wenn drastische Ereignisse passieren - ein Attentat - werden Künstler gebeten, eine künstlerische Erinnerungsskulptur zu schaffen für die gesamte Gesellschaft. Stille Tage sind für mich eine soziale Skulptur, die eine Gesellschaft braucht, um die ganze Breite des Menschlichen abzubilden."
Erst stille Feiertage, dann Sonntage abschaffen?
Aus Sicht des Jesuitenpaters sind stille Tage kein kirchliches Privileg, sondern eine kulturelle Errungenschaft.
"Ich glaube jeder Staat muss auch so etwas wie eine kulturelle Identität pflegen. Natürlich kann ich niemanden zwingen, an Karfreitag absolut still zu sein. Aber ein Staat hat, glaube ich, eine Verantwortung nicht nur für die Menschenrechte im engeren Sinn, sondern auch für die Kultur des Zusammenlebens", sagt Kern.
In vielen Regionen Deutschlands seien die Christen inzwischen in der Minderheit, räumt Kirchenvertreter Kern ein. Aber auch eine säkulare Gesellschaft brauche Formen der Erinnerungskultur:
"Natürlich kommt ein Tag wie Karfreitag aus der christlichen Kultur. Aber es ist für mich eine gesamtgesellschaftliche Frage, wo man sich mit allen verständigen muss. Ich würde das nie mit dem Tod Jesu Christi allein begründen, sondern würde sagen: Es wird in unserer Welt so viel unschuldiges Blut vergossen, es gibt so viel Grausames - nehmen Sie die beiden Weltkriege. Sowas muss erinnert werden."
Grundsätzlich hat auch der Bund für Geistesfreiheit nichts gegen gesetzliche Feiertage einzuwenden. Allerdings strebt der Verband eine grundlegende Reform an - mit drei humanistischen Feiertagen: Dem Tag der Menschenrechte, dem Evolutionstag und dem Welthumanistentag. Kirchliche Feiertage seien auf Dauer nicht mehrheitsfähig, sagt Michael Wladarsch.
"Das christliche Abendland, das vielzitierte, hat uns das wirklich noch so viel zu sagen? Ist das wirklich noch der einigende Faktor von unserer Gesellschaft? Oder ist der Standard multikulti, humanistische, säkulare Gesellschaft? Das wäre neu festzulegen, und hier wäre vielleicht auch der Nullpunkt neu zu justieren."
Sollte das Feiertagsgesetz reformiert werden, würden manche am liebsten noch einen Schritt weitergehen: Sie stören sich nicht nur am Tanzverbot, sondern auch daran, dass Geschäfte an Sonn- und Feiertagen in der Regel geschlossen haben. Warum also nicht zugleich die Ladenöffnungszeiten liberalisieren? Jesuitenpater Karl Kern, der in einer Kirche mitten in der Münchner Fußgängerzone arbeitet, hält dagegen:
"Für mich wär's ne Katastrophe, wenn ein Sonntag bei uns gar nichts mehr gelten würde oder wenn in der Fußgängerzone jeden Tag und jede Nacht der Trubel wäre. Ich glaube auch, dass es Familien, dass es die Angestellten in den Kaufhäusern und sonstigen Dienstleistungen schätzen, dass es solche Tage gibt. Und über die Anzahl, über die Auswahl, da wäre gesellschaftlich heute neu zu verhandeln."
Letztlich steht hinter dem Tanzverbot und dem Schutz Stiller Feiertage eine tieferliegende Frage. Die christliche Kultur wird in Wahlkämpfen beschworen. Hier aber zeigt sich, wie verbindlich Traditionen wirklich sind.