"Hallo hier ist Christoph Schlingensief aus Burkina Faso, Ouagadougou. Ungefähr eine Stunde von hier entfernt entsteht jetzt das Operndorf Remdogo. Ich brauche ehrlich gesagt Ihre Hilfe. Sie helfen einem Projekt, wo die Kunst mit dem Leben zusammengehen soll. Also nicht L'art pour l'art, sondern das Leben eigentlich als erweiterter Kunstbegriff, als Gesamtkunstwerk. Wir haben eine Schule, wir haben ein Krankenhaus demnächst, wir haben den großen Festsaal Remdogo. Wir haben eine Siedlung, wir haben natürlich Brunnen, ein Restaurant. Sie werden sehen, wie Kinder von fünf bis 17 Jahren dort praktisch ihre ersten Erfahrungen mit der Kunst machen."
Eine Nachricht aus einer anderen Welt, aufgenommen im Juni 2010, veröffentlicht auf der Webseite des Operndorfes.
Wer heute auf der gut ausgebauten Straße die 35 Kilometer von Ouagadougou nach Zinaré fährt, übersieht leicht die Einfahrt zu dem Ort, an dem Schlingensiefs Vision entstehen sollte. Kein Schild, kein Hinweis. Einen Hügel hatte Schlingensief gesucht im flachen Burkina Faso, nach dem Vorbild Bayreuth, wo seine Inszenierung des Parsifals zu seinem größten Triumph wurde. Nach wochenlanger Suche fand er ihn. Steinmale ragen hier hoch, buckelige Felsformationen, die auch spirituelle Baudenkmäler sein könnten. Eine Treppe führt ins Nichts, man hat einen weiten Blick über die Savanne, Tafelberge in weiter Ferne.
Angeblich hat der Häuptling der Gegend die Ahnen befragt, ob sie einverstanden sind mit dem Operndorf. Ein verwunschen wirkender Ort, er könnte auch ein Theaterraum sein.
Von einer "Baustelle" sieht man allerdings wenig. Die roten Grundmauern, der Rohbau der Schule, stehen verlassen in der Landschaft. Ansonsten: Ein paar deutsche Maschinen, abgesteckte Grundrisse für Gästehäuser, eine planierte Ebene, wo dereinst das Theatergebäude entstehen soll, 13 bunte Container. Sie sind ein Geschenk der Ruhrtriennale und enthalten das Bühnenbild von Stefan Bachmanns Inszenierung "Der seidende Schuh".
Unter einem Baum lagern die Wächter Prosper und Abdoulaye, neben ihnen ein Fahrrad – sie brauchen nur eins, denn einer von ihnen muss immer hierbleiben. Sie stammen aus dem Dorf Luongo, drei Kilometer entfernt und wachen Tag und Nacht darüber, dass keiner die Baumaterialien stiehlt. Sie freuen sich über die Arbeit, denn vorher hatten sie keine. Kommt überhaupt jemand in diese Einsamkeit? Ja, lachen sie, manchmal fast zu viele, und zeigen das Besucherbuch: Ein schmuddeliges Schulheft, geführt seit Anfang Juni 2010, fast jeden Tag gibt es einen Eintrag.
Wissen sie, wann die Bauarbeiten weiter gehen? Bientôt, bald, sagen Prosper und Abdoulaye und machen eine unbestimmte Handbewegung. Man kann sich nicht vorstellen, dass hier eine funktionierende Oper entstehen kann. Weit und breit sind keine Kinder zu sehen, die die Schule besuchen könnten, nur einzelne Ansiedelungen weit verstreut. Kein öffentliches Verkehrsmittel führt hierher – totale Einsamkeit. Woher sollen die Kinder kommen, woher die Opernbesucher? Braucht man hier, wo man mit Armut und Malaria kämpft, ausgerechnet ein Operndorf? Alles ist hier neu zu erschaffen, der Gedanke an den Material- und Geldaufwand macht schwindelig.
In Deutschland ist die GmbH Festspielhaus für das Projekt verantwortlich. Aino Laberenz, Schlingensiefs Witwe, ist die Geschäftsführerin. Warum geht es mit dem Operndorf nicht weiter? Erst war Regenzeit, dann Ernte – dann lähmte der Tod von Schlingensief, sagt Claudia Kaloff, Pressefrau des Projekts. Ein Gremium von Theaterleuten soll nun die Inhalte des Projekts koordinieren, Theaterleute wie Matthias Lilienthal und Amélie Deuflhardt sind darunter. Geplant ist die Wiederaufnahme der Bauarbeiten angeblich noch für Dezember. Der Zeitplan ist ehrgeizig und scheint kaum machbar: Im März 2011 schon soll die Schule fertig sein. Auf Wunsch der Regierung soll im neuen Schuljahr ab Herbst bereits unterrichtet werden.
Momentan, erzählt Claudia Kaloff, arbeitet das Gremium am Schulkonzept: Soll auf Moiré oder auf Französisch unterrichtet werden? Wie kombiniert man die geplanten Filmklassen und den normalen Lehrplan? Integriert man Erwachsenenbildung, oder auch Entwicklungshilfsprojekte wie etwa eine Fachhochschule für Solartechnik?
Es gehe darum, getreu Schlingensiefs Leitspruch, "Von Afrika zu lernen", betont die Pressefrau. Mit den Menschen vor Ort will man gestalten und als Europäer nichts überzustülpen. Sie ist optimistisch: Die Regierung Burkina Fasos plant ohnehin eine stärkere Besiedlung der Gegend; schließlich liege das Operndorf ja an einer gut ausgebauten Straße, die direkt zum Heimatdorf des Präsidenten führt. Der unterhält wenige Kilometer weiter einen üppigen Privatzoo. Und gilt als Anhänger des Projekts.
Am 8.12. wird die neue Webseite lanciert, auf der alle Informationen über den neusten Stand des Operndorfs veröffentlicht werden.
Eine Nachricht aus einer anderen Welt, aufgenommen im Juni 2010, veröffentlicht auf der Webseite des Operndorfes.
Wer heute auf der gut ausgebauten Straße die 35 Kilometer von Ouagadougou nach Zinaré fährt, übersieht leicht die Einfahrt zu dem Ort, an dem Schlingensiefs Vision entstehen sollte. Kein Schild, kein Hinweis. Einen Hügel hatte Schlingensief gesucht im flachen Burkina Faso, nach dem Vorbild Bayreuth, wo seine Inszenierung des Parsifals zu seinem größten Triumph wurde. Nach wochenlanger Suche fand er ihn. Steinmale ragen hier hoch, buckelige Felsformationen, die auch spirituelle Baudenkmäler sein könnten. Eine Treppe führt ins Nichts, man hat einen weiten Blick über die Savanne, Tafelberge in weiter Ferne.
Angeblich hat der Häuptling der Gegend die Ahnen befragt, ob sie einverstanden sind mit dem Operndorf. Ein verwunschen wirkender Ort, er könnte auch ein Theaterraum sein.
Von einer "Baustelle" sieht man allerdings wenig. Die roten Grundmauern, der Rohbau der Schule, stehen verlassen in der Landschaft. Ansonsten: Ein paar deutsche Maschinen, abgesteckte Grundrisse für Gästehäuser, eine planierte Ebene, wo dereinst das Theatergebäude entstehen soll, 13 bunte Container. Sie sind ein Geschenk der Ruhrtriennale und enthalten das Bühnenbild von Stefan Bachmanns Inszenierung "Der seidende Schuh".
Unter einem Baum lagern die Wächter Prosper und Abdoulaye, neben ihnen ein Fahrrad – sie brauchen nur eins, denn einer von ihnen muss immer hierbleiben. Sie stammen aus dem Dorf Luongo, drei Kilometer entfernt und wachen Tag und Nacht darüber, dass keiner die Baumaterialien stiehlt. Sie freuen sich über die Arbeit, denn vorher hatten sie keine. Kommt überhaupt jemand in diese Einsamkeit? Ja, lachen sie, manchmal fast zu viele, und zeigen das Besucherbuch: Ein schmuddeliges Schulheft, geführt seit Anfang Juni 2010, fast jeden Tag gibt es einen Eintrag.
Wissen sie, wann die Bauarbeiten weiter gehen? Bientôt, bald, sagen Prosper und Abdoulaye und machen eine unbestimmte Handbewegung. Man kann sich nicht vorstellen, dass hier eine funktionierende Oper entstehen kann. Weit und breit sind keine Kinder zu sehen, die die Schule besuchen könnten, nur einzelne Ansiedelungen weit verstreut. Kein öffentliches Verkehrsmittel führt hierher – totale Einsamkeit. Woher sollen die Kinder kommen, woher die Opernbesucher? Braucht man hier, wo man mit Armut und Malaria kämpft, ausgerechnet ein Operndorf? Alles ist hier neu zu erschaffen, der Gedanke an den Material- und Geldaufwand macht schwindelig.
In Deutschland ist die GmbH Festspielhaus für das Projekt verantwortlich. Aino Laberenz, Schlingensiefs Witwe, ist die Geschäftsführerin. Warum geht es mit dem Operndorf nicht weiter? Erst war Regenzeit, dann Ernte – dann lähmte der Tod von Schlingensief, sagt Claudia Kaloff, Pressefrau des Projekts. Ein Gremium von Theaterleuten soll nun die Inhalte des Projekts koordinieren, Theaterleute wie Matthias Lilienthal und Amélie Deuflhardt sind darunter. Geplant ist die Wiederaufnahme der Bauarbeiten angeblich noch für Dezember. Der Zeitplan ist ehrgeizig und scheint kaum machbar: Im März 2011 schon soll die Schule fertig sein. Auf Wunsch der Regierung soll im neuen Schuljahr ab Herbst bereits unterrichtet werden.
Momentan, erzählt Claudia Kaloff, arbeitet das Gremium am Schulkonzept: Soll auf Moiré oder auf Französisch unterrichtet werden? Wie kombiniert man die geplanten Filmklassen und den normalen Lehrplan? Integriert man Erwachsenenbildung, oder auch Entwicklungshilfsprojekte wie etwa eine Fachhochschule für Solartechnik?
Es gehe darum, getreu Schlingensiefs Leitspruch, "Von Afrika zu lernen", betont die Pressefrau. Mit den Menschen vor Ort will man gestalten und als Europäer nichts überzustülpen. Sie ist optimistisch: Die Regierung Burkina Fasos plant ohnehin eine stärkere Besiedlung der Gegend; schließlich liege das Operndorf ja an einer gut ausgebauten Straße, die direkt zum Heimatdorf des Präsidenten führt. Der unterhält wenige Kilometer weiter einen üppigen Privatzoo. Und gilt als Anhänger des Projekts.
Am 8.12. wird die neue Webseite lanciert, auf der alle Informationen über den neusten Stand des Operndorfs veröffentlicht werden.