Drei Autoren, drei Figuren auf der Suche nach ihrer Stadt: Frankfurt. Den ironischen Rausschmeißer bildet das Stück der "bekennenden Anti-Idealistin" Teresa Präauer. Ihr "Held": Ein beredter Hochstapler, der glaubt, mit einer Retro Cartier am Handgelenk und einer Pilotenbrille auf der Nase Eindruck schinden zu können. Ein Besserwisser und Alleskönner, der mit seinem schiefen Grinsen und seiner quasselnden Anmache alle über den Tisch ziehen will, um ein Geschäft zu machen. Im Schatten der Wolkenkratzer gedeiht der Virus oder Mythos des Geldes.
Weniger nett das Mittelstück des Abends: "Absturz" von Olga Grjasnowa: Eine junge Frau im Bodenservice einer Airline steht vor der schwierigsten Aufgabe ihres Lebens: Wartenden Angehörigen die Nachricht vom Absturz der Maschine mitzuteilen. Trotz ihrer verzweifelten Bemühungen um Schminke, Maske und Selbstkontrolle überfluten sie breite Erinnerungssequenzen an die unglückliche Liaison mit einem Piloten, der auch unter den Opfern ist. Melodramatische Momente, die jeder Dokusoap zur Ehre gereichen würden: Ihr Wunsch nach einem Kind, Erinnerungen, seine Augen, seine Haut - das geht lange so. Viel zu lange. Nicht einmal die an sich kluge Regie Anselm Webers vermochte es, das auch sprachlich an Klischees leidende Stück zu retten.
Also auch Sinkflug und Absturz des sympathischen Experiments, mittels dreier Monodramen die Stadt zu erfassen, sie zum Sprechen zu bringen? Keineswegs. Denn allein das Eingangsstück des Büchnerpreisträgers Wilhelm Genazino, "Im Dickicht der Einzelheiten", rechtfertigt die Entscheidung für diese Recherche nach authentischen Stimmen im Dickicht der Städte.
Ein nachdenkliches Stück, das nachdenklich macht
Matthias Redlhammer ist ein großartig verhuschter Sammler von Wirklichkeitsbruchstücken, ein scheu und zugleich extrem präsenter, einfühlsamer, in keinem Moment sentimentaler Flaneur. Mit traumwandlerischem Gespür erkundet er, Szene für Szene, die Stadt, seine Heimat, wobei jeder Gedankengang aus dem Dunkel auftaucht und wieder im Dunkel der trichterförmigen Bühne verschwindet. Ein virtuoser Spurenleser der Zeichen seiner Kultur: Ein hochwehendes und von einem Auto zerfetztes Zeitungsblatt, ein vorüberstreichender Hund, eine Blechbüchse, Essensreste, ein Wurstbudenbesitzer, der für nichts und wieder nichts erstochen wird, ein Bettler in Socken vor der Oper - verachtet, ausgeblendet, neugierig von Blicken seziert - jede dieser minimalistischen Episoden ist so wichtig oder unwichtig wie die andere. Alles, worauf seine Blicke treffen, ist für ihn ein Anlass zum Nachgrübeln. Ob er nun geht, steht, kauert, hockt oder trommelt.
"Diese Unverzichtbarkeit gründet auf Blickprogrammen, die sich zwischen mir und Ihnen über Jahre hinweg eingespielt haben, ob ein Anschauen möglich ist. Das heißt, es musste mit jedem Einzelnen lange und fast immer nur mit Blicken geklärt werden, ob Sich-Anschauen möglich und genehmigt oder vielleicht sogar angenehm wäre."
Einer, der all seine unprätentiösen Wahrnehmungsvolten nun aber nicht für sich behält, sondern mit dem Publikum, das ihm hoch konzentriert folgt, teilt und bespricht. Ein stilles, nachdenkliches und nachdenklich machendes Stück.
Und ein genialer Scherbenhaufen scharfkantiger Diagnose-Splitter, eine Giftmülldeponie hoffnungsfreier Befunde über die Gefährlichkeit des Glücklich-sein-Wollens. Gestern. Heute. Jederzeit. Und genau daran arbeiten sich alle drei Monodramen ab: am verzweifelten Bemühen der Menschen, in dieser Stadt dennoch ihr Glück zu machen, das große Geld zu machen, die große Liebe zu finden.