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Stimmenfang bei der Jugend

Mindestens 15 Prozent Wählerstimmen für den rechtsextremen Front National, französische Meinungsforschungsinstitute prophezeien dem Vorsitzenden Jean-Marie Le Pen für 2007 ähnlich gute Ergebnisse wie bei der Wahl 2002. Das politische Trauma sitzt den Franzosen immer noch in den Knochen. Doch immer mehr junge Menschen fühlen sich von den Parolen Le Pens angesprochen. Margit Hillmann berichtet aus Paris.

    Der Hauptsitz des rechtsextremen Front National ist ein unscheinbares Gebäude im wohlhabenden Pariser Vorort St. Cloud. Einzig die gehisste französische Flagge mit den Initialen "FN" deutet auf die Präsenz der Partei. Im Gebäude ist auch die Jugendorganisation der Front National untergebracht. Ihr zweiter Vorsitzender ist David Rachline, 18 Jahre alt, und seit kurzem Vollzeit-"Lepeniste", wie die Anhänger der Front National auch genannt werden. Gekleidet wie ein Profipolitiker - dunkler Nadelstreifenanzug, weißes Hemd - bittet er in sein Büro.
    Zwei Schreibtische, moderne Computer und an den Wänden großformatige Plakate: Vor dem Hintergrund einer saftig grünen Landschaft wandelt der 78-jährige Gründer und unumstrittene Star der Front National - ein süffisant lächelnder Jean Marie Le Pen. Darunter in großen Lettern die Zeile "Arbeit für Franzosen". Der junge FN-Funktionär ist von ausgesuchter Höflichkeit. Obwohl Journalisten bei der Front National regelmäßig als elitäre Clique verteufelt werden, die das Wahlvolk arrogant bevormunde und manipuliere. Vize-Vorsitzender David Rachline:

    "Wir werden von den Medien boykottiert. Wahrscheinlich, weil sie dort wissen, wie groß unsere Wirkung insbesondere auf die Jugend ist. Aber wir haben unsere eigenen Kommunikationsmittel entwickelt: Plakate, unsere Parteizeitschrift 'Handel' und das Internet. Aktuell sind wir gerade dabei, eine Internetseite für die Präsidentschaftswahlkampagne einzurichten."

    Übers Internet ist auch Florian an den Front National geraten. Der 14-Jährige mit kurz rasiertem blonden Haar, der in einer viel zu großen Anzugjacke steckt und wie verkleidet aussieht, besucht schon seit mehreren Jahren regelmäßig FN- Internetseiten und -Foren. Vor einem Jahr ist er schließlich zahlendes Mitglied der Jugendorganisation geworden. Wie viele FN-Mitglieder und -Sympathisanten lobt er vor allem die fremdenfeindlichen Positionen des FN-Chefs, assoziiert wie dieser Einwanderer automatisch mit steigender Kriminalität und hoher Arbeitslosigkeit.

    "Jean-Marie Le Pen spricht von den wahren Problemen der Franzosen. Ich selbst bin Opfer der Immigration und der Kriminalität. Ich wohne nämlich in einem Pariser Vorort, in dem ein Klima von Kriminalität und Angst herrscht. Und den Staat kümmert das gar nicht. Der Staat unternimmt nichts Konkretes. Und das ist eben bei Jean-Marie Le Pen ganz anders. Er kümmert sich drum."

    Der Front National hat Zulauf, darüber sind sich französische Meinungsforscher einig. Mit derzeit 15 bis 20 Prozent der Wählerstimmen steht Jean Marie Le Pen an dritter Stelle der aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten. Claire Piau vom französischen Meinungsforschungsinstitut CSA:

    "2002 haben 16,9 Prozent der Wähler beim ersten Wahldurchgang für Le Pen gestimmt. Zurzeit verbuchen wir ganz ähnliche Zahlen. Und das, obwohl die Leute es nicht gerne offen zugeben. Das Wählerpotential wird also eher noch größer sein."

    Der Front National hat seine Klientel in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut. Seit 2002 beobachten Meinungsforscher und Soziologen, dass die nationalistische Partei nicht mehr nur bei den älteren Wählern ankommt. Einer CSA-Studie zufolge geben 25 Prozent der 25 bis 29-jährigen Franzosen an, dass sie bei der nächsten Präsidentschaftswahl für Le Pen stimmen wollen. Wähler, die auch die demokratischen Parteien Frankreichs brennend interessieren. Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen buhlen sie seit Monaten unverblümt um die Wähler rechts von der Mitte. Wie Jean-Marie Le Pen besetzen sie vor allem die Angst-Themen Kriminalität und Gewalt. Und wie er versprechen sie mehr staatliche Autorität, mehr Polizei und härtere Gesetze.

    Und auch die Einwanderer Frankreichs werden zunehmend zur Zielscheibe ehrgeiziger Politiker. So bediente sich etwa der derzeitige Innenminister, Nicolas Sarkozy, der bekannten Le Pen-Parole: "Wer Frankreich nicht liebt, soll es verlassen." Die zur Zeit populärste Sozialistin, Ségolène Royal, regte an, schwer erziehbare Jugendliche aus den französischen Vororten - überwiegend Kinder aus Einwandererfamilien - doch von Militärs auf den rechten Weg bringen zu lassen. Politische Statements, die in Frankreich mittlerweile salonfähig sind und fremdenfeindliche Wähler in ihren Meinungen bestärken, glaubt Claire Piau vom Meinungsforschungsinstitut CSA:

    "Wenn wir heute Studien zum Rassismus in Frankreich machen, registrieren wir ein sehr, sehr hohes Niveau von Rassismus und Xenophobie. Das ist während der vergangenen Jahre deutlich angestiegen. Im Gegensatz zu früher, bekennen sich Franzosen auch offener zu ihrem Rassismus. Das lässt sich ganz klar messen."

    Die Mitglieder der Front National-Jugendorganisation in Saint Cloud sind schon jetzt sicher, dass sie bei der nächsten Präsidentschaftswahl im April 2007 mindestens genauso gut abschneiden werden wie beim letzen Mal. Sie werden jedenfalls alles dafür tun. Der 14-jährige Florian:

    "Ich habe meiner Mutter beigebracht, was der Front National wirklich ist. Er ist nicht das, was die Medien als Bild von ihr verbreiten. Und sie wird 2007 auch für Le Pen als Staatspräsidenten stimmen."