Die Stimme – körpereigenes Instrument und wichtiges Werkzeug der menschlichen Kommunikation. Das leiseste Flüstern ebenso wie die schrillsten Töne stecken uns im Hals, erklärt Professor Tadeus Nawka von der Klinik für Audiologie und Phoniatrie der Berliner Charité:
"Im Kehlkopf so zwischen den Schildknorpelplatten, also das ist dieses knorpelige Gerüst vom Kehlkopf, da liegen zwei Falten. Und diese Falten sind aufgebaut aus einem Muskel, einer Verschiebeschicht und einer Deckschicht."
Je nach Schwingungsfrequenz entstehen hohe oder tiefe Töne
Umgangssprachlich ist meist von Stimmbändern die Rede, obwohl damit genau genommen nur die mittlere elastische Gewebeschicht dieser Falten gemeint ist. Aber am besten passt eigentlich der Begriff "Stimmlippen", die die Töne beim Atmen formen:
"Diese Stimmlippen, die sind ja elastisch und die sind also wie so weiche Polster, die aneinander liegen, und in der Lunge wird beim Ausatmen ja ein Ausatmungsdruck erzeugt, und wenn die Stimmlippen dann im Weg sind, im Luftweg, dann werden die auseinander gedrückt, dann entweicht die Luft dadurch, und sobald der Druck unter den Stimmlippen nachlässt, schnappen die wieder zusammen. Und diese Bewegung, die vollzieht sich sehr schnell hintereinander. Es ist so, als ob diese kleinen Polster da aneinander schlagen wie beim Klatschen, und wenn diese Stimmlippen sehr schnell aufeinander schlagen, also viele Male pro Sekunde, das kann also bis zu 1.500 mal pro Sekunde sein, dann hören wir hohe Töne, und wenn sie langsam gegeneinander schlagen, hören wir tiefe Töne."
Die Schwingungsfrequenz wiederum hängt von der Anatomie des Kehlkopfes ab. Je kleiner er ist, desto kürzer und schmaler sind die Stimmlippen, und entsprechend höher klingt die Stimme: Bei einem Neugeborenen sind sie nur etwa sechs Millimeter lang, bei einer Bass-Stimme bis zu 25 Millimeter. Im Jugendalter machen alle Menschen einen "Stimmwechsel" durch, weil der Kehlkopf wächst. Da das bei Jungen in der Regel viel stärker und somit deutlich hörbarer ist, spricht man auch vom Stimmbruch.
Mit den Stimmlippen wird zunächst nur ein Grundton erzeugt, noch nicht die charakteristische Stimme eines Menschen.
"Aus diesem Grundschall, der im Kehlkopf gebildet wird durch die Resonanzverhältnisse im Vokaltrakt also in dem Raum zwischen den Stimmlippen und den äußeren Lippen entsteht ein besonderer Klang. Da werden bestimmte Obertöne abgedämpft und andere werden verstärkt, und weil Mundhöhle und Rachen bei jedem anders ist, deswegen klingt auch bei jedem die Stimme anders."
Logopäden helfen bei Stimmstörungen
Manchmal aber stimmt etwas nicht mit der Stimme. Dann sind Spezialisten wie Anne Meurer gefragt. Sie ist Logopädin und Gesangspädagogin in Berlin:
"Wir beginnen heute wieder mit 'Der Mond ist aufgegangen', so wie Sie es im Moment normal sprechen: "Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen, am Himmel hell und klar". "Man hört verschiedene Dinge: Einmal – die Stimme ist sehr tief. Dann hört man, dass die Stimme nicht sofort anspringt. Was man im Stimmklang noch hört, ist, dass sie so ein bisschen heiser rauchig ist. Und: Sie brauchen eine kleine Anstrengung, ein bisschen Kraft, damit die Stimme kommt."
Mit Stimmstörungen hat auch Professor Tadeus Nawka fast täglich zu tun als Phoniater an der Charité und auch am neuen Berliner Centrum für Musikermedizin.
"Störungen des Stimmklangs bezeichnen wir allgemein als Heiserkeit. Vom Vorgang her, können wir sagen, wenn unregelmäßige Schwingungen sind, also nicht die eine Periode wie die andere klingt, also solche Frequenzunregelmäßigkeiten während des Sprechens auftreten, dann sprechen wir von Rauhigkeit. Und wenn es nicht zu einem ausreichenden Schluss kommt, sozusagen Luft durch die Stimmlippen entweicht, die nicht zum Klang moduliert wird, sondern quasi als Turbulenzgeräusch dabei ist, dann sprechen wir von Behauchtheit."
Das Nichtschwingen oder Nichtschließen der Stimmlippen kann viele Ursachen haben. Bei Infekten zum Beispiel legt sich Schleim auf die Stimmlippen, der sich normalerweise "wegräuspern" lässt. Allerdings sollte man das nicht zu oft machen, sondern die Stimme lieber schonen. Denn Überanstrengung nehmen die Stimmlippen übel. Und auch Rauch oder andere Reizstoffe können sie beschädigen:
"Dann haben Sie da vielleicht einen Polypen, Stimmlippenknötchen oder ein Ödem sitzen, ein Hämangiom. Da gibt es also viele verschiedene medizinische Diagnosen, die sich in ähnlicher Weise auf den Stimmklang auswirken, nämlich dann Rauhigkeit erzeugen. Dann gibt es die Möglichkeit, dass man eine gelähmte Stimmlippe hat, die also nicht mehr die Kraft hat, richtig zu schwingen, und dann gibt es natürlich auch die bösartigen Tumoren, aber die sind glücklicherweise selten."
Sehr häufig dagegen sind sogenannte funktionelle Stimmstörungen. Das heißt: Obwohl sich keine sichtbaren Veräderungen an den Stimmlippen erkennen lassen, klingt die Stimme "heiser". Das trifft vor allem Menschen in Sprechberufen, weiß die Logopädin Anne Meurer:
"Das sind die einen, wo die Stimmlippen nicht mehr gut schließen und die dann ganz viel Kraft brauchen, und dann gibt es die Menschen, die sich schon immer überanstrengen. Wenn es eine Lehrerin oder ein Lehrer gibt, der Sport unterrichtet, und sie müssen die Kinder immer laut rufen oder die Ansagen machen. Das geht in der Regel eine Weile gut, ich hatte mal so einen ganz kräftigen Sportlehrer bis er über 50 war, und dann hatte er keine Kraft mehr in der Stimme. Das heißt, wenn man immer zu laut ist, zu lange reden muss, Callcenter zum Beispiel oder Kindergärtnerin: bei hohem Lautstärkepegel sprechen muss, dann überanstrengt man die Stimme."
Stimmtraining ist auch Körperarbeit
Funktionelle und auch organische Veränderungen der Stimmlippen müssen nicht unbedingt operativ behoben werden. Oft können Stimmübungen sie wieder in die richtige Form und Spannung bringen.
Logopädie-Stunde: "Bauch entspannen und los: AAAHHH – wunderbar! Nicht ganz so hinten: AAAHHHH – sehr schön.
Und selbst wenn operiert werden muss, ist eine begleitende logopädische Behandlung sogar von den Kassen vorgesehen. Vor allem, damit die Schäden nicht wieder auftreten durch falsche Stimmnutzung. Logopädie vermittelt Strategien, schonender und effektiver mit der Stimme umzugehen, und bei Anne Meurer heißt das immer auch Arbeit mit dem Körper:
"Einfach das Zwerchfell, Beckenboden mitzunehmen: ÜÜÜHHHH/üüüühhhh – genau, und was man jetzt hört: eine Tonuserhöhung, und dadurch geht es oben schon leichter. ÜÜÜÜHHH/üüüühhh"/ Stimme entsteht durch Resonanz. Und Resonanz heißt, es schwingt in meinem Körper. Und je mehr ich erreiche, dass der Körper in Schwingung kommt oder mitmacht, in eine elastische Spannung geht beim Sprechen, umso leichter habe ich’s im Tönen, und wir können dynamisch und lauter werden."
Aber manchmal vergessen selbst die versiertesten Sprecharbeiter alle Warnungen und strapazieren ihre Stimmlippen aufs äußerste – denn es sind eben nicht nur Kehlkopf und Körper, die unsere Stimme formen, sondern auch jede Menge Emotionen, wie im berühmten Radiokommentar zur WM 1954:
"Aus, aus, aus, das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister."