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Stoff statt Stahl

Seit Jahrtausenden nutzen Menschen Textilien in erster Linie für Kleidung und zur Dekoration. Der Einsatz in technischen Systemen verbot sich, weil Stoffe zu weich und wenig widerstandsfähig sind. Das änderte sich erst im 20. Jahrhundert mit der Entwicklung von Kunststoffen, Gläsern und Keramik: Fasern aus Polyethylen oder Kohlenstoff beispielsweise haben völlig andere physikalische Eigenschaften als Wolle und Leinen. Gleiches gilt für Glasfäden, die gezielt genutzt sogar Stahl ersetzen können. Hinzu kommt das breite Einsatzspektrum technischer Textilien: Im Hoch- und Tiefbau ersetzen Gewirke aus Glas oder Kunststoffen klassische Stahlarmierungen; mit Gras bepflanzte Matten aus Kunststofffließen sichern Autobahnböschungen; Sandwichmaterialien aus Textilien und einer Kunststoffmatrix sind gleichzeitig leicht und stabil, sodass Ingenieure sie in jedes Auto und Flugzeuge einbauen. In den nächsten Jahre kommen weitere Einsatzgebiete hinzu, wobei sich abzeichnet, dass der ehemalige Nachteil von Textilien beim intelligenten Einsatz ihr größter Vorteil ist: Sie wiegen wenig, und sind äußerst flexibel.

Mirko Smiljanic |
    Köln, Venloer Straße, im hintersten Winkel eines Hinterhofs. Zwischen Garagen, einer Schlosserei und diversen Büros liegt Enno Jäkels Atelier. "Keramikgestalter" steht auf der Visitenkarte. Seine Profession: halb Kunst - halb Handwerk, eben angewandte Kunst, so etwas wie ein Fraunhofer-Institut der Kulturszene. Und noch etwas verrät seine Visitenkarte: Ihr Hintergrund zeigt als Muster kleine weiße Vierecke, teilweise in geraden, teilweise in geschwungen Linien. Das ist Enno Jäkels bisher erfolgreichste Geschäftsidee.

    Ja, hier oben sind ein paar Vasen, die mit Gewebeabdrücken entstanden sind, wie man sieht, sind die alle aus dem selben Grundmuster entstanden, weil die aber verschieden verformt wurden in verschiedenen Stadien, gibt es verschiedene Muster.

    Enno Jäkel produziert Tongefäße. Zunächst bemalt er den feuchten Rohling mit Porzellan, drückt dann darauf grobmaschigen Stoff bis das Muster des Textils gut sichtbar ist und weite schließlich das Gefäß von innen zu einer bauchigen Vase. Das Ergebnis: Kleine erhabene Quadrate überziehen die Oberfläche, das Stoffmuster wird vergrößert wiedergeben. Seit zwei Jahren setzt Enno Jäkel Textilien ein für seine - mit Verlaub gesagt - technische Produktion schöner Vasen ein. Ungewöhnlich ist das allemal, nutzen Menschen Stoffe doch seit Jahrtausenden hauptsächlich für Kleidung. Selbst im letzten Jahrhundert griffen Ingenieure häufig nur dann zu Geweben, wenn sie dekorieren wollten. Doch das ändert sich rasant: Textilen erobern zunehmend Bereiche, in denen harte Materialien dominieren, in einigen Fällen ersetzen Stoffe sogar Stahl.

    Und so beginnt Enno Jäkels Produktionsprozess: Ton kneten, mindestens 100 Mal, alle Luftbläschen müssen raus, sonst platzt die Vase beim Brennen. Anschließend kommt der Klumpen auf die Drehscheibe. Enne Jäkel: Der muss jetzt zentriert werden, damit er absolut rund läuft, sonst vereiert das Gefäß...

    Mit festen Fingern dirigiert Enno Jäkel den nasse Ton in die richtige Position.

    ...jetzt bohre ich da ein Loch rein bis zum Boden, da ist jetzt im Grunde schon der Boden angelegt,... so, jetzt ist das zentriert,... jetzt ziehe ich den Boden hoch und lege die Wand an,...

    Ortswechsel: Weg von der angewandten Kunst hin zur angewandten Technik in der RWTH Aachen. Professor Thomas Grieß ist Direktor des Institutes für Textiltechnik. Er und ein wissenschaftlicher Mitarbeiter schrauben an einer Maschine, die erst auf den zweiten Blick etwas mit Textilien zu tun hat.

    Das ist eine Flechtmaschine, und zwar eine Flechtmaschine zur Herstellung von dreidimensionalen Geflechten. Damit können der Querschnitt und die Fadenorientierung während des Flechtprozesses absolut variabel geändert werden...

    Ein lautes Zischen ertönt: Typisch Vorführeffekt - das Gerät aus der Aachener Hightech-Textil-Kaderschmiede streikt!

    Das Problem ist, dass zwischen den einzelnen Flügelrädern die Klöppel übergeben werden müssen - eine Kollision ist unerwünscht, und hier ist jetzt gerade eine Kollision aufgetreten. Vor dem ersten Einsatz muss die Maschine in eine Ausgangsposition gebracht werden, die kollisionsfrei ist, danach übernimmt ein Computerprogramm die Steuerung der Maschine

    Noch funktioniert die Flechtmaschine nicht - Zeit für ein paar grundlegende Informationen über technische Textilien: 40 Prozent aller in Deutschland hergestellten Gewebe werden mittlerweile technisch genutzt - eine Zahl, die in Zukunft weiter steigt: Ingenieure entwickeln immer ausgefeiltere Textilien für immer breitere Einsatzfelder. Thomas Grieß:

    Zum Beispiel im Bereich faserverstärkter Kunststoffe oder faserverstärkter Werkstoffe: Überall wo Karbon oder Glas oder Faser oder Fiber draufsteht, ist Textil drin - eine Anwendung. Eine weitere Anwendung von Textilien ist das Bauwesen: Im Hochbau zur Verstärkung von Beton statt Stahl, oder im Tiefbau zur Isolierung von Mülldeponie oder zum Schutz von Straßen. Weitere Anwendungsgebiete sind die sogenannten Industrietextilien, dazu gehören die Filterwerkstoffe und auch die Membranen, um alkoholfreies Bier zum Beispiel herzustellen; dann gibt es die Medizintextilien, dazu gehören Textilien für die Therapie, also Implantate, die genutzt werden, um Körperfunktionen zu ersetzen, da wird auch intensiv geforscht.

    Faserverstärkte Kunststoffe, Filter und Membrane, Medizintechnik, Hoch- und Tiefbau - ohne Textilien geht nichts mehr. Technische Textilien - das sei am Rande bemerkt - werden allerdings nur noch in den seltensten Fälle aus Naturfasern wie Baumwolle oder Leinen hergestellt. Üblicherweise bestehen sie aus Kunststoffen, Kohlenstoff, Keramik oder Glas. Der Hoch- und Tiefbau verzeichnet beim textilen Einsatz mit die höchsten Zuwachsraten. Nutzten Maurer vor wenigen Jahren Textilien allenfalls als Sperrschichten, so steht der Sprung zu den tragenden Teilen unmittelbar bevor. Grieß:

    Beton ist ein hervorragender Baustoff, sehr druckfest, hat aber einen entscheidenden Nachteil: Beton hat keine Zugfestigkeit. Sobald er auf Zug beansprucht wird, bekommt er Risse und trägt nicht mehr. Das ist auch der Grund, warum man eine Stahlarmierung einsetzt. Wir untersuchen zum Beispiel hier in Aachen Textilien zur Bewehrung von Beton, und das Textil nimmt dann die Zugkräfte auf, eben das, was ein Textil gut kann, man kann gut dran ziehen, aber nicht gut dran drücken, in dem Fall übernimmt das Textil die Zugkräfte in dem Betonbauteil.

    Beim textilbewehrten Beton nutzen die Wissenschaftler Glasfasern. Glas ist billig und unbegrenzt verfügbar, fest und chemisch resistent gegen den mit 13 sehr hohen pH-Wert des Betons. Thomas Grieß:

    Die einfachste Anwendung ist, Kurzfasern zu nehmen, also kleingeschnittene Fasern, die man dem Beton beimischt und dann zum Beispiel diese Mischung in eine Form spritzt oder an die Wand spritzt zur Sanierung. Der Nachteil ist, dass die Fasern sich zufällig in dem Bauteil wiederfinden. Man hat aber in der Regel eine Belastungsrichtung, die man bevorzugt verstärken möchte. Deshalb versuchen wir hier textile Halbzeuge herzustellen, die genau die Hauptfestigkeit auch in die Richtung der Hauptbelastung haben. Das sind dann zum Beispiel gitterförmige Textilien, Gewebe oder Gewirke, die man dort einlegt und die auch die Garne in die Richtung haben, wo später die Belastung auftritt.

    Womit wieder die Flechtmaschine ins Spiel kommt, die solche textile Halbzeuge herstellt: T-Profile, Kästen, Stränge oder mehrere Profile kombiniert - das Gerät produziert jedes gewünschte Geflecht in jeder Länge. Vorausgesetzt es zischt nicht mehr. Thomas Grieß ist guter Dinge...

    Textilarmierte Beton hat im Vergleich zu stahlarmierten Bauteilen einige entscheidende Vorteile: Stahl korrodiert, Glas nicht. Aus diesem Grund muss Bewehrungsstahl mindestens 3,5 Zentimeter mit Beton überdeckt sein, damit kein Wasser eindringen kann. Bei Glasfasern reichen fünf Millimeter. Textilarmierter Beton ist also schlanker - und damit leichter, erklärt Grieß:

    Viele Bauwerke sind durch den Einsatz von Beton gar nicht mal durch die Gebrauchslast bestimmt, sondern durch diese 3,5 Zentimeter, so dass man in diesen Fällen die Bauwerke viel materialsparender ausführen kann, also einen Großteil des Betons letztlich einsparen kann, und die Bauwerke sind dann auch leichter, kostengünstiger und letztlich umweltschonender herzustellen.

    Das klingt gut, trotzdem steckt das Verfahren noch im Forschungsstadium. Immerhin - das Institut für Massivbau der RWTH Aachen setzt textilarmierten Beton beim Bau seiner neuen Werkshalle ein - sozusagen im Selbstversuch. Großtechnische Anwendungen fehlen aber noch, weil es zu viele Zielkonflikte gibt.

    Normaler Baustahl hat 370 Newton pro Quadratmillimeter Festigkeit, um mal eine Zahl zu haben, Vergütungsstahl liegt bei 1.000. Da fangen die textilen Festigkeitsträger gerade erst an, Glasfaser liegt zum Beispiel deutlich über 1.000 Newton pro Quadratmillimeter Festigkeit, Kohlenstofffasern gehen bis zu 4.000 oder sogar höher. Das sind die Festigkeiten in Zugrichtung. Quer dazu sind die Fasern sehr spröde, und man muss nun Verfahren entwickeln, die möglichst viel von der Festigkeit in das Bauteil retten oder sichern, wie man es bezeichnet. Das ist eigentlich die Hauptherausforderung. Dazu sind ganz neue Fertigungsverfahren nötig. Man kann sich zwar Anregungen holen bei den etablierten Verfahren, muss sich aber oftmals komplett neue Fertigungsverfahren entwickeln und konzipieren.

    So Thomas Grieß. Dabei geht es nicht nur um technische Fragen - Verfahren der Bauindustrie sind immer auch eingebettet in Arbeitsprozesse und in ökonomische Korsetts. Kurz: Die neuen Verfahren für textilarmierten Beton dürfen nicht zu teuer sein. Genau das sind sie aber noch: Etablierte Methoden mit Stahl sind für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt; die neue Technik dagegen erfordert langsame und schonende Verarbeitung. Wer Großbaustellen kennt, kann sich genau das nicht vorstellen. Thomas Grieß:

    Das ist auch eine der großen Herausforderungen, das so simpel zu machen, dass es auf der Baustelle anwendbar ist, nach einem Kasten Bier so ungefähr.

    Der Vorführeffekt ist zäh, die Flechtmaschine weicht einfach nicht von ihrem Kollisionskurs, beim nächstes Mal klappt es bestimmt...

    Zurück im Atelier von Enno Jäkel. Seit einer halben Stunde sitzt der Kölner Keramikgestalters jetzt vor der Drehscheibe und bearbeitet den Ton: Langsam nimmt der unförmige grau-braune Klumpen Gestalt an; ein paar Griffe noch und unter Enno Jäkels Fingern entsteht die Form einer leicht bauchigen Vase.

    Mit so einer Eisenklinge wird jetzt der Schlicker, so heißt der feuchte Ton, abgezogen und die Gefäßwand wird begradigt...

    Vorsichtig setzt er die Klinge an das nasse, rotierende Gefäß, der überflüssige Ton fällt herunter....

    ...so ganz stimmt es noch nicht...

    Ein paar Korrekturen, dann beginnt, was Ton-Textil-Künstler Enno Jäkel im Detail nicht verraten will: Er bestreicht die Vase mit einer speziellen Porzellanmixtur.

    Ortswechsel: Chemnitz, Sächsischen Textilforschungsinstitut, Technikkeller. Jeden Vorführeffekt ignorierend, produziert diese Maschine Fließstoff in rauen Mengen. Bei Bedarf auch mit erhöhter Geschwindigkeit: 30 Sekunden hat die Maschine jetzt gearbeitet, ihr Output: 20 Quadratmeter Fließstoff.

    Fließstoffe sind textile Flächengebilde, die nicht mit Hilfe von Fäden hergestellt werden, sondern mit Hilfe von Fasern oder Filamentgarnen, also endliche oder endlose Einzelfasern, die aufgelegt werden auf ein Transportband in Parallellage oder in Wirrlage und anschließend verfestigt, das ist auch ein wesentlich effektivere Prozess als das Weben, Wirken oder Stricken, allerdings nur für spezielle Einsatzgebiete,....

    ...zum Beispiel - erläutert Professor Hilmar Fuchs, Geschäftsführender Direktor des Sächsischen Textilforschungsinstitutes, Chemnitz - für Hygieneartikel und Verpackungsmaterial. In letzter Zeit finden Fließstoffe aber auch Eingang in den Tiefbau und in den Umweltweltschutz. Fuchs nennt ein paar Beispiele.

    Bei Böschungsbefestigungen kann man durch eine geschickte Konstruktion oder auch Kombination von Erdschichten und Textilschichten steilere Böschungen erreichen. Wir können durch Textilschichten eine Begrünung forcieren oder eine Begrünung stabil gestalten. An Autobahnböschungen werden teilweise textile Strukturen verwendet. Also wir haben eine Matte entwickelt, die mit Grassamen und Düngemittel und einem Absorber, also einem wasserspeichernden Mittel, versehen ist. Die eignet sich sehr gut zur Verfestigung von Steilhangböschungen und wird auch produziert...

    ...und an diversen Autobahnneubauten in den neuen Bundesländern mit Erfolg eingesetzt. Der Charme des Verfahrens liegt darin, dass die Matten nur noch ausgerollt, im Boden fixiert und gegossen werden - der Rest läuft automatisch ab. Dieses Verfahren ist weit kostengünstiger als die üblichen Reisig-Wabenstruktur, in die gezielt Gras gesät wird. Beim zweiten Beispiel steht der Umweltschutz im Mittelpunkt.

    Wir haben ein Verfahren entwickelt zur Herstellung einer groben Matte aus Polypropylen, die geeignet ist, Pflanzen auf Gewässern zu tragen, und die Pflanze entwickeln dann Wurzeln und die Wurzeln reinigen dann das Wasser. Das sind also Wasserreinigungstextilien.

    Diese Matten sind enorm belastbar: Schilf beispielsweise wächst bei stickstoffreichem Wasser - bei der Beseitigung von Gülle etwa - bis zu drei Meter in die Höhe. Als zweite Variante zur Wasserreinigen setzen Ingenieure Muscheln ein. Zunächst werden sie auf Textilien angesiedelt und anschließend in Teiche oder Flüsse ausgesetzt, wo sie als natürliche Filter arbeiten - vorausgesetzt die Muscheln sterben in der Giftbrühe nicht gleich ab. Wahlweise nutzen die Chemnitzer Textiltechniker unverrottbares oder verrottbares Material. Bei Böschungen finden sich nach einem Jahr kaum noch Spuren der Textilien, die Wasserreinigungsmatten dagegen halten viele Jahre. Langlebig sollten auch - drittes Beispiel - textile Sonnenkollektoren sein. Hilmar Fuchs:

    Wir können Wärmetauscherstrukturen herstellen mit Schläuchen im Durchmesser von zwei bis drei Millimeter oder auch von zehn Millimeter. Die sind in der Lage, Wärme aus der Atmosphäre aufzunehmen und diese Wärme weiterzuleiten über ein Medium - meist Wasser - zu einem Punkt wo die Wärme gebraucht wird, zum Beispiel bei Gewächshäusern, wenn man die Wärme, die man an der Gewächshauswand gewinnt, in den Wurzelbereich führt, dann haben Sie im Wurzelbereich eine Erwärmung des Erdreiches und damit eine Ernteverfrühung.

    "Grobe Raschel" heißt die Maschine, mit der die Chemnitzer Textilforscher textile Sonnenkollektoren herstellen - obwohl bei genauem Hinhören nichts raschelt...

    Ortswechsel: Pfinztal-Berghausen bei Karlsruhe, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie. Ein schöner Herbstag, die Sonne scheint, malerisch liegen die Dörfer im Tal. Ein Anblick über den Frank Henning, Leiter der Abteilung Polymertechnik, noch nach Jahren schwärmt:

    Ich sage ja, manche Kunden vermitteln uns immer den Eindruck den sie gewonnen haben, als hätten wir hier fast schon Gegebenheiten wie im Sanatorium. Das liegt aber daran, dass hier 50 Prozent Verteidigungstechnik ist und wir liegen deshalb auf so einem schönen Hügel, weil die Versuchen mit Treibstoffen, die Druckwellen, die da erzeugt werden, nicht die Dörfer direkt betreffen sondern darüber hinweg gehen.

    Mittlerweile hat Frank Henning - er bearbeitet übrigens ausschließlich zivile Projekte - die neue Werkshalle erreicht. Von innen öffnet sich ein großes Tor.

    Vor uns sehen sie das neue Pressentechnikum, dass wir vor zwei Wochen eingeweiht haben. Dieses Pressentechnikum beherbergt eine Hochleistungspresse und ein Direktverfahren, das wir mit einigen Partnern aus der Industrie entwickelt haben, in diesem Technikum stehen wir der Industrie für industrienahe Versuche zur Verfügung, das heißt Prototypen, Materialentwicklung vor allem, dann aber auch Musterbauteile und Prüfplatten, um dann diese Materialien weiter zu entwickeln und zu charakterisieren.

    Im Pressentechnikum des Fraunhofer Institutes für Chemische Technologie produzieren die Pfinztaler Ingenieure Verbundwerkstoffe: Glasfasern plus Kunststoffe, Kohlenstofffasern plus Kunststoffe - klassische Sandwich-Strukturen, wie sie im Automobil- und Flugzeugbau angewendet werden: Faserverstärkte Verbundwerkstoffe zählen zum Stand der Technik! Zukünftig - prophezeien Experten - werden Sandwich-Materialien aber auch viele anderen Bereiche eingesetzt: Vom Fahrrad bis zum Kühlschrank, vom Schreibtisch bis zum Fensterrahmen - die beliebig formbaren und gleichzeitig stabilen Materialien sind wahre Tausendsassa. Vereinfacht gesagt ist für die Produktion von Verbundwerkstoffen dreierlei erforderlich: Textile Fasern etwa aus Glas oder Kohlenstoff, ein Matrixmaterial aus Kunststoff und eine Presse, die Textilien und Kunststoffe unter hohem Druck zum neuen Werkstoff vereint. Frank Henning:

    Hinter der Presse angeordnet ist ein Infrarotfeld, dieses Feld dient der Erwärmung des technischen Textils. Das technische Textil wurde gewebt aus so genannte Hybridrowings. Die Hybridrowings - das sind die Glasfäden wohlgemerkt - bestehen in diesem Fall nicht nur aus Glasfäden, sondern auch aus Kunststoffeinzelsträngen, im Mikrometerbereich, so um die 20 Mikrometer. Unter dem Einfluss der Infrarotenergie wird dieses Kunststoff aufgewärmt, schmilzt und benetzt das angrenzende Glasfaserfilament. So ist der Imprägniervorgang in kürzester Zeit realisierbar, weil das hochviskose Matrixmaterial, das sonst sehr schlecht fließt, jetzt schon neben der Glasfaser positioniert ist. Dieses Gewebe wird nun mittels einer Transferrahmeneinheit in die Presse eingefahren ohne das kalte Werkzeug zu berühren. Gleichzeitig wird in die Mittelschicht das langfaserverstärkte Material mittels Nadelgreifer eingebracht, beide Automationsaggregate ziehen sich aus dem Pressraum zurück, die Presse schließt, und das sehen wir jetzt gleich, wenn die Presse sich schließt. Wir haben jetzt eine gewisse Zeit, in der dieser Kunststoff sich abkühlt und erstarrt, die Presse öffnet sich wieder und wir können das Sandwichbauteil entnehmen...

    Die Qualität der Verbundwerkstoffes hängt von mehreren Faktoren ab: Druck und Temperatur gehören dazu, die Materialien selbst und die Länge der Fasern. Allerdings auch stehen auch hier die Ingenieure vor Zielkonflikten. Henning:

    Wir haben hier viele verschiedene Fasern und viele Matrixmaterialien und haben festgestellt, dass die Länge eine entscheidende Rolle spielt: Je besser sie ankoppeln, je besser die Fasern binden, desto kürzer darf die Faser sein. Da das aber in Realität nie ne Hundertprozent-Kopplung ist und immer durch viele Faktoren beeinflusst wird, spiegelt sich eben ne längere Faser in besseren Eigenschaften wider. Wir haben festgestellt, es geht so bis 25 manchmal auch bis 35 Millimeter, wo aber auch schon mechanische Verhakungen sich positiv beim Crash oder beim Durchstoß auswirken. Es gibt ne Grundregel, die besagt, die Steifigkeit hat man schnell bei 100 Prozent, da ist man schon unter zehn Millimeter bei dem Wert, manchmal auch bei 15 Millimeter, wohin die Schlagzähigkeit, da kommt es wieder drauf an, wie gut sind wir gekoppelt, da wollen wir vielleicht, dass die Faser an den kleinen Verbindungsstellen herausgezogen wird und Energie vernichtet, da sollte sie natürlich möglichst lang sein.

    Der Automobilbau wäre ohne technische Textilien undenkbar, wobei sich in letzter Zeit dramatische Veränderungen angebahnt haben: Verbundwerkstoffe finden auch Einsatz als tragende Teile, ja sie rücken immer mehr Richtung Motor. Technikfreaks träumen gar schon vom Kunststoffmotor. Frank Henning ist da skeptisch.

    Man soll niemals nie sagen, es haben sich schon manche getäuscht, aber mit den heutigen Technologie ist der Kunststoffmotor Utopie. Es wird viele Anbauteile geben, es gibt ja schon Krümmer, Ansaugstutzen, es gibt andere Teile, die sehr nahe am Motor dran sind, wo Kunststoff trotz seiner thermischen Ausdehnungen, die ganz andere sind als bei Stahl, doch zum Einsatz kommt, aber das sind sagen wir Anbauteile und nicht der wesentliche Teil, und da würde ich sagen, macht Kunststoff keinen Sinn.

    Sinn machen textilverstärkte Kunststoff überall dort, wo Gewicht gespart werden soll. Das ist beim Auto der Fall, aber auch im Flugzeugbau. Kein Airbus, keine Boeing, die ohne diese Technik auskommt. Allerdings zeichnet sich hier zwischen Automobilbau und der Luft- und Raumfahrt eine interessante Entwicklung ab. Frank Henning:

    Das heißt, wir gehen hier von Highperformance-Materials, wie es im Neudeutschen so schon heißt, zu den Commodity-Materials, also den Massenwerkstoffen, Glas und Polyamid, während man dann in der Luft- und Raumfahrt bei Kohlenstofffasern ist, die den Brandanforderungen, die im Flugzeug einen sehr hohen Stellenwert haben, erfüllen. Also hier haben wir sehr viel hands on, sehr viel Handarbeit, sehr viel Tape legen, sehr viel Diaphragma formen, wo der Sauerstoffgehalt an der Oberfläche unterdrückt wird, so dass es sich hier eigentlich mehr um ein Verfahren handelt mit einer sehr langen Zykluszeit, mit einer günstiger Verfahrenstechnik, aber sehr hochwertigen Materialien. Und unsere Aufgabe ist es eigentlich diese Idee, die da geboren werden, durch eine angepasste Verarbeitungstechnologie und durch eine angepasste Werkstoffauswahl für die Automobilindustrie zu transferieren, um hier die Synergie von Wissen aus der Luft- und Raumfahrt und Anforderungen aus dem Automobilbau zu verknüpfen, um auch hier Lösungen in Verbundwerkstoffen anzubieten.

    Mit einem Wort: Die Luft- und Raumfahrt hat kostengünstige Verfahren aber teure Werkstoffe, der Automobilbau dagegen billige Werkstoffe dafür aber teure Verfahren. Eine Ausnahmen gibt es: Die Formel 1-Boliden sind materialtechnisch wie Flugzeuge konstruiert. Aber erstens fliegen Schumacher und seine Kollegen mehr als sie fahren, und zweitens ist Formel 1 ein anderes Thema...

    Beim Keramikkünstler Enno Jäkel beginnt die entscheidende Phase.

    So, jetzt wird das Porzellan aufgetragen, das ist verflüssigtes Porzellan, so abgestimmt, dass es sich mit dem Ton verträgt und auch beim Trocknen und Brennen nicht abblättert. Wie ich das genau machen, bleibt allerdings mein Geheimnis! So dann nehme ich jetzt einen Pinsel und trage das von oben nach unten auf während das Gefäß sich dreht...

    ...der nass-graue Ton wird porzellanweiß...

    ...dann nehme ich ein passendes Stück Gewebe, das annähend so groß ist wie das Gefäß und lege es hier dran,... ich nehme ein Werkzeug,... dieses Werkzeug kommt eigentlich aus der Gynäkologie (lacht), ist aber ideal von der Form her und das reibe ich jetzt hier drüber, und dann drückt sich das Gewebe durch die Porzellanschicht...

    ...ein Muster druckt sich ab, kleine weiße Quadrate, die wie Noppen aus dem Ton herausragen...

    ...so, da gehe ich jetzt mit dem Schwamm rein ohne von außen dagegen zu halten, sonst würde ich ja da Muster verschmieren und drück das vorsichtig von innen raus...

    ...langsam wölbt sich die Wand nach außen auf, wird bauchig und vergrößert so das Textilmuster. Je länger Enno Jäkel die Vase dreht, desto stärker verschieben sich die Quadrate zu elegant geschwungenen Linien. Ein paar Griffe noch und die Vase ist fertig...

    ...da wird jetzt nichts mehr dran gemacht, nur der Rand und der Fuß wird nachgearbeitet, sonst ist das Gefäß schon fertig!