Energy in = Energy out, auf diesen Satz trifft man im Zusammenhang mit Stoffwechselforschung immer wieder. Wer das Gewicht halten möchte, darf nicht mehr Kalorien zu sich nehmen, als er oder sie verbraucht. Aber wie viele Kalorien verbraucht ein Mensch eigentlich am Tag - und welche individuellen Unterschiede gibt es dabei? Das fragen sich auch Fachleute, die an den Ursachen von Übergewicht forschen.
- Was ist der Stoffwechsel?
- Wie wird der individuelle Grundumsatz gemessen?
- Welche Unterschiede gibt es beim Stoffwechsel zwischen den Menschen?
- Kann man den Stoffwechsel und damit den Grundumsatz anregen?
- Wie ist der Zusammenhang von Stoffwechsel und Übergewicht?
- Wird der Kalorienverbrauch mit dem Alter immer geringer?
Was ist der Stoffwechsel?
Beim Begriff "Stoffwechsel" denken die meisten Menschen an die Verdauung. Eigentlich bezeichnet er aber die gesamte Zellaktivität im Körper. Alles, was Energie verbraucht. Herzschlag, Immunaktivität, Denken und natürlich: Bewegung.
Viele kennen wahrscheinlich die 2.000 Kilokalorien, die als “Referenzmenge für einen durchschnittlichen Erwachsenen” auf vielen Lebensmittelverpackungen stehen. Für die meisten Menschen ist das aber zu wenig. Moderne Messergebnisse setzen den durchschnittlichen Kalorienbedarf eher bei 2.500 Kilokalorien an.
Wie wird der individuelle Grundumsatz gemessen?
Den größten Teil unseres täglichen Energie-Budgets geben wir für den Grundumsatz aus. Das ist die Energie, die der Körper in 24 Stunden verbraucht, um alle überlebenswichtigen Funktionen am Laufen zu halten, und zwar in Ruhe, also ohne Bewegung.
Bei Menschen mit Bürojob macht diese Grundlast im Schnitt schon 70 Prozent des gesamten Energiebedarfs aus. Wie viele Kalorien man persönlich braucht, hängt mit Gewicht und Größe zusammen. Je größer, desto mehr Körperzellen, die versorgt werden wollen, desto höher der Energiebedarf.
Es gibt aber eine Einschränkung: Wichtig ist nur die fettfreie Masse. Das ist der Körper minus Fettgewebe. Fett wird abgezogen, weil Fettzellen nicht sehr aktiv sind, also kaum Energie verbrauchen.
Welche Unterschiede gibt es beim Stoffwechsel zwischen den Menschen?
John Speakman arbeitet an der Universität Aberdeen und am Shenzhen Institutes of Advanced Technology. Er sagt: “Wenn man die Körperzusammensetzung berücksichtigt, verringert sich die Varianz natürlich ziemlich stark. Aber tatsächlich sind es immer noch etwa plus oder minus zehn Prozent. Also ungefähr 250 Kilokalorien.“
Woher die individuellen Unterschiede in der Höhe des Grundumsatzes kommen, weiß man nicht genau. Was auch daran liegt, dass man nur von ungefähr 60 bis 70 Prozent der verbrauchten Energie wirklich weiß, wofür sie eingesetzt wird.
2022 hat John Speakman sich in einer Studie sehr schlanke Menschen angesehen, mit einem BMI unter 18,5. Deren Grundverbrauch fiel höher aus, als er auf Grund ihres Gewichts erwartet hätte. Es schien damit zusammenzuhängen, dass sie etwas mehr Schilddrüsenhormone hatten. Der Anstieg ihrer Stoffwechselrate hat mit den erhöhten Schilddrüsenwerten korreliert. Die Schilddrüsenwerte waren nicht krankhaft erhöht, sondern lagen nur etwas über dem Durchschnitt. Individuell unterschiedliche Hormonlevel könnten also ein Grund sein, wieso Menschen mit gleicher fettfreier Masse einen unterschiedlich hohen Grundumsatz haben.
Auch die Größe bestimmter Organe könnte eine Rolle spielen, zum Beispiel, wenn jemand eine ungewöhnlich große Leber hat. Deren Zellen verbrauchen besonders viel Energie, meint Guy Plasqui von der School of Nutrition and Translational Research in Metabolism, an der Universität Maastricht, einem großen Zentrum für angewandte Stoffwechselforschung beim Menschen. Weder er noch Speakman wollen aber die Begriffe “guter” oder “schlechter” Stoffwechsel verwenden.
Kann man den Stoffwechsel und damit den Grundumsatz anregen?
Es gibt ein paar Lebensmittel, bei denen in einzelnen Studien eine leicht stoffwechselsteigernde Wirkung nachgewiesen wurde. Chilis zum Beispiel, und grüner Tee. Die Steigerung, die man sich hier versprechen kann, ist minimal, und die Studienlage ist insgesamt nicht eindeutig.
Ein Faktor, dem tatsächlich eine stoffwechselanregende Wirkung zugeschrieben wird, ist Kälte. Wouter van Marken Lichtenbelt, der an der Universität Maastricht arbeitet, hat vor einigen Jahren gezeigt, dass Erwachsene über sogenanntes braunes Fett verfügen. Das sind spezielle Fettzellen, die Wärme produzieren können, und zwar, ohne dass wir dabei zittern. Wer sich öfter in Räumen aufhält, die leicht unter der Wohlfühltemperatur liegen, hat mehr braunes Fett - und einen höheren Energieumsatz.
Weder Guy Plasqui noch Wouter van Marken Lichtenbelt glauben jedoch, dass der erhöhte Energieumsatz durch Frieren Menschen beim Abnehmen helfen kann. Die beste Möglichkeit, den täglichen Gesamtbedarf an Energie zu beeinflussen, ist laut Guy der Aktivitätsumsatz. Der macht im Schnitt immerhin 30 Prozent unseres täglichen Energieverbrauchs aus.
Wie ist der Zusammenhang von Stoffwechsel und Übergewicht?
Unklar ist, ob Menschen dick werden, weil sie besonders gute Kompensierer sind oder ob sich durch eine Gewichtszunahme die Art und Weise verändert, wie Energie im Körper verteilt wird. Im ersten Fall würde es bedeuten, dass manche Menschen quasi dazu prädestiniert sein könnten, dick zu werden. Im zweiten Fall, dass extrem übergewichtige Menschen in einem „Teufelskreis“ gefangen sind. Je dicker sie werden, desto schwerer ist es für sie, ihren Kalorienumsatz mit Sport zu erhöhen. Welcher dieser beiden Fälle zutrifft, weiß man leider nicht.
Eine Studie hat gezeigt, dass die Teilnehmende mit besonders hohem Körpergewicht insgesamt bis zu 50 Prozent der Energie, die sie am Tag durch Bewegung verbrauchten, mit Einsparungen an anderen Stellen ausglichen.
Nicht alle sind von der Kompensationstheorie überzeugt. Was sicher auch daran liegt, dass bisher noch völlig unklar ist, welche Prozesse im Grundumsatz eigentlich heruntergefahren werden, um den erhöhten Energiebedarf durch Bewegung auszugleichen. Eine Hypothese ist, dass der Körper die Aktivität des Immunsystems reduziert.
Wird der Kalorienbedarf mit zunehmendem Alter geringer?
Um die Stoffwechselrate zu ermitteln haben Forschende für eine Studie Einzeldaten von 6.421 Menschen, die zwischen acht Tagen und 95 Jahren alt waren, zusammengefasst. Daraus wurde dann eine Kurve erstellt, die zeigt, wie sich die Stoffwechselrate eines Menschen über die verschiedenen Lebensphasen hinweg verändert.
Von den Ergebnissen war auch John Speakman überrascht: Zwar konnte ab 60 ein Abfall in der Stoffwechselrate gezeigt werden. In der Mitte des Lebens - zwischen Pubertät und Rentenalter - passiert aber gar nichts. Das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen. Denn beide Geschlechter haben bei gleicher fettfreier Masse im Schnitt auch den gleichen Energiebedarf. Der Stoffwechsel von Männern und Frauen funktioniert also prinzipiell gleich.
Selbst während der Schwangerschaft haben Frauen keinen überdurchschnittlich hohen Energiebedarf. Es ist zwar nicht falsch, dass schwangere Frauen “für zwei” essen. Aber die zweite Person ist eben sehr klein. Die Studie zeigt: Der Energieumsatz von Frauen geht während der Schwangerschaft nur so weit hoch, wie sie und ihr Fötus an fettfreier Masse zulegen.
Kleinkinder haben im Vergleich zu ihrem Körpergewicht dagegen den höchsten Energiebedarf überhaupt. Je älter Kinder werden, desto mehr geht der Energiebedarf im Verhältnis zur Körpermasse runter, bis sie um das Alter von 20 auf dem eines normalen Erwachsenen ankommen. Der hohe Energiebedarf von kleinen Kindern ist laut John Speakman durchaus plausibel. Schließlich sind sie im Wachstum und rennen außerdem den ganzen Tag herum.
Körperzusammensetzung, Körpergröße und die körperliche Aktivität ändern sich aber im Laufe des Lebens, und zwar oft gemeinsam. Deshalb ist es auch sehr schwer, den Energieverbrauch eines Menschen über längere Zeit zu messen. Wenn es um die Details des Stoffwechsels geht, ist also noch immer einiges unklar.
Quellen: Sophia Wagner, tei