Stoltenberg sagte vor dem Beginn eines zweitägigen Treffens der Außenminister der NATO-Staaten in Prag, was die Mitgliedsstaaten bislang für die Ukraine getan hätten, sei nicht genug gewesen. In den vergangenen Monaten habe man etwa große Defizite bei der Bereitstellung von Luftverteidigungssystemen und Munition gesehen.
Der NATO-Generalsekretär warb zudem für eine Aufhebung von Beschränkungen für die Nutzung westlicher Waffen für Angriffe auf militärische Ziele in Russland. Der Charakter des Krieges habe sich geändert, erklärte Stoltenberg. Russland beschieße die Ukraine mittlerweile von eigenem Staatsgebiet aus, etwa im Großraum Charkiw. Daher sei es an der Zeit, bislang geltende Auflagen für Kiew zu überdenken.
Mit den Äußerungen setzte Stoltenberg einmal mehr Länder wie Deutschland und die USA unter Druck, die die Abgabe von Waffen an die Ukraine bislang an strenge Auflagen für deren Nutzung gekoppelt haben. Diese sehen zum Beispiel vor, dass mit ihnen keine Angriffe auf Ziele in Russland ausgeführt werden dürfen. Hintergrund ist die Befürchtung, dass die NATO zur Kriegspartei werden könnte.
"New York Times": USA stehen kurz vor Waffenfreigabe für Ziele in Russland
Von US-Außenminister Blinken war zuletzt zu hören, die Vereinigten Staaten hätten ihre Unterstützung für die Ukraine immer wieder den Gegebenheiten angepasst und würden das auch weiterhin tun. Wie die "New York Times" meldet, prüft die US-Regierung gerade ein Aufweichen der Beschränkungen, sodass der Ukraine ein Beschuss von Militärzielen auf russischem Gebiet erlaubt werden könnte.
Auch der französische Präsident Macron will bestehende Beschränkungen aufheben. Der tschechische Außenminister Lipavsky teilte im Vorfeld des Außenministertreffens in Prag mit, die Ukraine solle über eine neue Initiative seines Landes gelieferte Artilleriegeschosse ohne Einschränkungen auch gegen militärische Ziele in Russland nutzen können. Auch der dänische Außenminister Rasmussen erklärte, die Ukraine dürfe die 19 F-16-Kampfjets, die ab Sommer von seinem Land geliefert werden, gegen innerrussische Ziele einsetzen.
Die Regierung in Moskau warnte den Westen erneut vor den Folgen eines solchen Vorgehens.
SPD-Politiker Roth fordert Erlaubnis, Parteikollege Stegner widerspricht
Die Bundesregierung ist bislang zurückhaltend. Der SPD-Außenpolitiker Roth sprach sich im Deutschlandfunk hingegen klar für eine Erlaubnis aus. Wenn Waffendepots in Russland angegriffen würden, gehöre das zum Verteidigungsrecht der Ukraine, betonte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses. Die rote Linie sei das Völkerrecht und dieses werde nicht überschritten. Das ganze Interview mit Michael Roth können Sie hier nachlesen.
Der SPD-Politiker Stegner, der dem Ausschuss ebenfalls angehört, erklärte dagegen, der Kanzler habe bisher aus gutem Grund gesagt, dass Deutschland bei seiner Zurückhaltung bleibe. Der Kanzler brauche in dieser Frage keine öffentlichen Ratschläge, auch nicht von Roth, sagte Stegner ebenfalls im Deutschlandfunk.
US-Aufgaben sollen in Prag neu verteilt werden
Auf dem NATO-Treffen in Tschechien sollen Aufgaben zu Unterstützung der Ukraine, die bislang von den USA übernommen wurden, auf andere NATO-Partner verlagert werden. Beschlossen werden sollen die Vorschläge bei einem Spitzentreffen der Allianz im Juli in Washington. Hintergrund des Vorhabens ist auch das Szenario einer möglichen Rückkehr des republikanischen Kandidaten Trump ins US-Präsidentenamt. Dessen Äußerungen hatten in der Vergangenheit Zweifel daran geweckt, ob die USA die Ukraine weiter im Abwehrkrieg gegen Russland unterstützen würden.
Diese Nachricht wurde am 31.05.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.