Archiv

Stolzer Soldat, kranker Pilger
Ignatius von Loyola und die Jesuiten

Jorge Bergoglio ist Jesuit. Als Papst hat er sich allerdings Franziskus genannt. Dennoch ist er zutiefst in seinem Orden verwurzelt, der von Ignatius von Loyola gegründet wurde - und der wie kaum ein anderer Kirchengeschichte geprägt hat: Mit den Ignatianischen Exerzitien hat er seiner Nachwelt etwas hinterlassen, das die Jahrhunderte überdauerte.

Von Burkhard Schäfers |
    Der katholische Ordensstifter der Jesuiten, Ignatius von Loyola auf einem reproduzierten Ölgemälde. Er wurde 1491 geboren und verstarb am 31.07.1556 in Rom.
    Der katholische Ordensstifter der Jesuiten, Ignatius von Loyola: Nicht ich habe diese Gemeinschaft gegründet, sondern Jesus selber (Imago / Michael Westermann)
    Er wird geboren als 13. Kind. Kurz nach der Geburt stirbt seine Mutter. Der Vater bringt den Säugling zu einer Amme. Dort wächst er auf. Unvorstellbar damals, dass er später einmal christliche Religionsgeschichte schreiben wird, dass sie ihn einen Visionär nennen werden. Eigentlich soll er – dem Adelsstand seiner Familie gemäß – Soldat werden.
    Zunächst sieht auch alles danach aus: Ignatius, geboren 1491 auf Schloss Loyola im spanischen Baskenland, stammt aus wohlhabendem Adel. Nach einigen Jahren bei der Amme kehrt Ignatius ins väterliche Schloss zurück. Der Heranwachsende genießt eine erstklassige, höfische Erziehung – der Weg als Kriegsheld scheint vorgezeichnet. Später schreibt Ignatius über sich selbst:
    "Hauptsächlich fand er aus einem unbändigen und eitlen Verlangen, sich Ruhm zu gewinnen, sein Gefallen an Waffenübungen."
    "Ich glaube, er war ein engagierter, ein leidenschaftlicher, ein ehrgeiziger, skrupulöser Mann. Ein Mensch, der Leben in vollen Zügen genossen hat. Und dann ein Mann, der nach und nach an seine tieferen Schichten kam. Der von einer gewissen Oberflächlichkeit in die Tiefe kam."
    Für die Münchner Theologin Gabriela Grunden ist Ignatius ein faszinierender Mensch. Zeitgenossen beschreiben ihn als höflich und liebenswürdig. Er habe Durchhaltevermögen besessen und einen starken Willen. Aber kein Licht ohne Schatten.
    Voller innerer Zweifel
    "Seine Schwächen waren sicherlich ein zum Teil überzogener Ehrgeiz. Sowohl im Spirituellen später wie auch zu Anfang. Sehr kopflastig in manchen Dingen. Und ich glaube, er hat erst nach und nach gelernt, in die anderen Dimensionen seiner ganzen Menschlichkeit abzusteigen."
    Ignatius von Loyola ist der Gründer des Jesuitenordens, oder richtiger: der Gesellschaft Jesu. Ein überzeugter Christ, ein Heiliger. Doch was heißt das?
    Der baskische Adlige, nicht einmal ein Meter 60 groß, erfüllt nicht das Klischee vom erhabenen, heiligmäßigen Leben. Er ist im Gegenteil ein Mensch voller innerer Zweifel, gezeichnet durch Verletzung und Krankheit, sagt Gabriela Grunden.
    "Sicherlich hatte er eine suizidale Einstellung. Auch depressive Seiten. Etwas sehr Selbstzerstörerisches und in tiefster Verzweiflung: Jetzt ist alles zu Ende. Es ist so rundum gescheitert, da gibt es keinen Lichtstrahl mehr, keinen Punkt wo ich den Eindruck habe, da hab ich Halt."
    Es geschieht im Mai 1521 in Pamplona: Der stolze Soldat wird von einer Sekunde auf die andere zum Krüppel. Als der 30-jährige mit seinen Truppen versucht, die Festung gegen die Franzosen zu verteidigen, zertrümmert eine Kanonenkugel sein Bein.
    "Die tollen Pläne, die man sich macht, die Karrierepläne. Und dann auch noch an vorderster Front: Er meinte also, obwohl die Situation militärisch, soweit ich das verstehe, absolut unsinnig war, hat er sich in Pamplona nochmal an die vorderste Seite gestellt. Das zeugte nicht von seiner Weitsicht in diesen Bezügen. Er ist real gescheitert. In dem Moment war alles das – seine Karriere, seine Schönheit, seine Ideen, die er hatte von seinem Leben – buchstäblich zerschossen."
    Bericht des Pilgers
    Pamplona ist ein Wendepunkt im Leben des Ignatius. Es folgen Monate im Krankenbett. Anstatt wie sonst Ritterromane zu lesen, vertieft sich der Verletzte in ein Werk über Heilige. Besonders Franz von Assisi und Dominikus, so die Überlieferung, sollen es ihm angetan haben. Ignatius schreibt über sich selbst in seinem geistlichen Hauptwerk, dem "Bericht des Pilgers":
    "Er begann, ernster über sein vergangenes Leben nachzudenken, und er erkannte, wie notwendig es für ihn wäre, Buße dafür zu tun."
    Allerdings: Der gescheiterte Soldat hat keine Erweckungserfahrung über Nacht, kein Damaskus-Erlebnis, die Erkenntnis trifft ihn nicht wie ein Blitz. Der Jesuit Andreas Batlogg, Chefredakteur der Zeitschrift "Stimmen der Zeit", spricht von einem langen Prozess.
    "Die Rekonvaleszenz fast ein Jahr. Dann eine Zurückgezogenheit in Manresa in Spanien und auf dem Montserrat. Selbstmordgedanken. Und dann durch Lektüre am Krankenbett die Sehnsucht: Ich will dorthin, wo Jesus gelebt hat, ins Heilige Land. Da steigen Sie heute in München in einen Flieger und sind in vier Stunden in Tel Aviv. Das war damals ein Unternehmen, wo Sie nicht wussten, komme ich überhaupt in Venedig an? Wenn ich dort einschiffe, komme ich übers Mittelmeer? Und komme ich dann wieder zurück?"
    Der Pilgerfahrt nach Jerusalem will sich Ignatius voll und ganz verschreiben – sein Leben radikal ändern. Im Kloster auf dem Montserrat nahe Barcelona legt er seine Waffen ab und kleidet sich als Pilger. Nicht mehr weltliche Großtaten, sondern Taten für Gott sollen jetzt sein Leben bestimmen.
    "Das hat natürlich mit Sehnsucht zu tun. Im Wort Sehnsucht steckt ja auch das Wort Sucht. Ich muss auf Teufel komm raus was erfahren haben. Bekehrung ist kein punktuelles Ereignis, das ist ein Prozess."
    Ein Leben zum Nutzen der Seelen
    Das merkt alsbald auch Ignatius, sagt Andreas Batlogg. Um den Glauben zu durchdringen, studiert er Philosophie und Theologie in Spanien und Frankreich.
    "Das waren lange Jahre des Studiums. Und erst 1537 dann die Priesterweihe mit 45 Jahren. Ein bemerkenswertes Detail: Er wurde im Juni 1537 zum Priester geweiht, aber seine Primiz, die erste Messe, die war Weihnachten 1538. Er war von einer Ehrfurcht gepackt, dass er lange, lange wartete, bis er selber zelebrierte. Und diese Primiz war in Santa Maria Maggiore in Rom an einem Altar mit einer Krippe."
    Eine starke Symbolik: Jesus, geboren in einem Stall in Bethlehem, wird für Ignatius zur Leitfigur. Und er wählt für den von ihm gegründeten Orden einen exklusiven Namen.
    "Der hieß ja nicht – wie Benediktiner, Dominikaner oder Franziskaner – Ignatianer – sondern Gesellschaft Jesu. Und er wollte nur einen Orden mit diesem Namen haben, was natürlich an der Kurie in Rom als arrogant empfunden wurde. Es gab massiven Widerstand dagegen. Aber er meinte: Nicht ich habe diese Gemeinschaft gegründet, sondern Jesus selber."
    Der Wunsch, einen Orden zu gründen, entsteht während des Studiums an der Pariser Sorbonne. Dort lernt Ignatius Gleichgesinnte kennen. An Mariä Himmelfahrt, am 15. August 1534, legt er gemeinsam mit sechs Gefährten in der Marienkapelle auf dem Montmartre ein Gelöbnis ab.
    "Zu dieser Zeit hatten sie sich schon alle entschlossen zu dem, was sie zu tun hatten. Nämlich nach Venedig und nach Jerusalem zu gehen und ihr Leben zum Nutzen der Seelen zu verbringen. Und wenn man ihnen nicht die Erlaubnis erteilte, in Jerusalem zu bleiben, dann wollten sie nach Rom zurückkehren und sich dem Stellvertreter Christi vorstellen, damit er sie dort verwende, wo sie nach seinem Urteil am besten zur Ehre Gottes und zum Nutzen der Seelen wirken könnten."
    Was dieser "Nutzen der Seelen" ist, soll der Papst entscheiden. Vom Gelöbnis bis zur offiziellen Gründung des Ordens dauert es indes noch sechs Jahre. Die politische Lage im Heiligen Land ist so unsicher, dass Ignatius und seine Gefährten nicht nach Jerusalem reisen können. Stattdessen wirken sie unter anderem in Venedig und Rom: Helfen in Hospitälern, kümmern sich um Waisenkinder und um Konvertiten aus anderen Religionen, die auf die Taufe vorbereitet werden.
    Die Gemeinschaft der Jesuiten
    In dieser Zeit macht Ignatius tiefe religiöse Erfahrungen. Er berichtet von geistlichen Visionen und übernatürlichen Heimsuchungen. Gleichwohl pflegt er in seinen Berichten einen nüchternen Stil, sagt die Münchner Theologin Gabriela Grunden.
    "Er war sehr zurückhaltend in der Beschreibung dessen, also keiner, der das sehr eloquent hervorhebt oder auf seine mystischen Erfahrungen sich zurückzieht. Im Gegenteil: Er nutzt ganz vorsichtig Metaphern von Licht, von Erkenntnis, aber das hat nichts mit Erleuchtung in unserem sprachlichen Sinne zu tun. Er ist sehr zurückhaltend in der Formulierung, weil es so schnell zu missdeuten ist, wenn man das beschreibt."
    Auch die Ordensgründung ging nicht auf einen einzelnen Moment zurück – das habe sich vielmehr entwickelt, in einem längeren Prozess.
    "Er war kein lonesome cowboy, keiner, der ein alleiniger Held war. Sondern er hat Gefährten gesucht, war in gewisser Weise ein Teamplayer. Er hat sich nicht von Anfang an vorgestellt: Ich gründe jetzt einen Orden. Nein, er wollte – in seiner Sprache – den Seelen helfen. Heute würde man sagen: Ich will mich um Menschen kümmern, ich will, dass Menschen glücklich werden, zufrieden leben – und das hat was mit Gott zu tun."
    Es dauert bis ins Jahr 1540 – dann bestätigt Papst Paul der Dritte mit der Bulle "Regimini militantis Ecclesiae" die Gründung der Gesellschaft Jesu.
    Die Gemeinschaft unterscheidet sich massiv von allen anderen Orden jener Zeit. Davon ist Stefan Kiechle überzeugt. Wie sich die Gesellschaft Jesu unterscheidet, das beschreibt der Leiter der Deutschen Provinz der Jesuiten so.
    "Sie ist, wie in der Biografie von Ignatius grundgelegt, ganz auf Seelsorge ausgerichtet. Seelsorge im weitesten Sinne – dazu gehört sehr stark auch ein Bildungsauftrag. Und das Besondere an der Gemeinschaft ist, dass sie keine klösterlichen Merkmale hat: feste Klöster, in denen man wohnt, ein gemeinsames, tägliches Stundengebet, ein Mönchsgewand. Alle diese klösterlichen, mönchischen Formen fallen weg. Die Jesuiten leben mehr wie in Wohngemeinschaften zusammen und sind sehr nach außen orientiert, eben auf die Arbeit für die Menschen hin."
    Heute sind die Jesuiten der größte Orden in der katholischen Kirche – mit knapp 17.000 Mitgliedern ist er weltweit aktiv. In Asien und Mittelamerika treten am meisten Männer ein. In Europa und den USA hingegen geht die Zahl der Mitglieder am stärksten zurück. Zur Deutschen Provinz – mit Dänemark und Schweden – gehören rund 350 Jesuiten, sie sind im Schnitt 65 Jahre alt. Das Engagement des Ordens ist vielfältig: In der Flüchtlingshilfe, im interreligiösen Dialog, in der geistlichen Begleitung. Ein Schwerpunkt sind Universitäten, Schulen, Jugend- und Erwachsenenbildung.
    Gehorsam gegenüber dem Papst
    In den so genannten Konstitutionen, den Ordensregeln, scheint die militärische Vergangenheit des Ignatius durch. So kommt der Ordensgründer immer wieder auf den Gehorsam zu sprechen, den die Mitglieder ihrem jeweiligen Leiter schulden. Denn die Entscheidungen der Oberen gehen, so versteht es Ignatius, auf die Weisheit Gottes zurück. Bei den Jesuiten gibt es im Gegensatz zu anderen Orden keine Wahlämter. Die Leiter werden ernannt, erklärt Provinzial Stefan Kiechle.
    "Eine strenge Hierarchie gibt's bis heute. Wir werden zentral geleitet, und genau da ist der bekannte strenge jesuitische Gehorsam anzusiedeln. Es ist ein Sendungsgehorsam: Der Obere sendet einen Jesuiten in eine bestimmte Aufgabe. Natürlich schaut er, was sind dessen Begabungen und auch dessen Schwächen. Dann sendet er ihn dahin und die Erwartung ist, dass er diese Sendung annimmt, dahin geht und das auch macht."
    Neben den drei Gelübden Armut, Keuschheit und Gehorsam kennen die Jesuiten noch ein viertes Versprechen: das gegenüber dem Papst.
    "Weiterhin legt die durch ihre Ordensgelübde konstituierte Gesellschaft, außer den genannten drei Gelübden, dem Obersten Bischof in seiner Eigenschaft als amtierendem Stellvertreter unseres Herrn Jesus Christus gegenüber ein ausdrückliches Gelübde ab: Nämlich sich ohne Ausrede, ohne ein Zehrgeld zu erbitten, auf den Weg zu machen, wohin immer Seine Heiligkeit sie zu gehen heißt, unter Gläubige oder Ungläubige, zu Aufgaben, die den göttlichen Kult und das Wohl der christlichen Religion betreffen."
    "Dieser Gedanke vom Anfang ist bis heute ein zentrales Moment unseres Selbstverständnisses."
    Natürlich entscheidet der Papst nicht über jeden einzelnen Jesuiten. Aber bestimmte Schlüsselpositionen in der römischen Kurie oder an der Päpstlichen Universität Gregoriana sind mit Mitgliedern des Ordens besetzt. Weltweit gibt es rund 80 Jesuiten-Bischöfe, außerdem einige Kardinäle. Und mit Jorge Mario Bergoglio wurde im Jahr 2013 zum ersten Mal ein Jesuit zum Papst gewählt.
    Der Jesuiten-Papst und die kirchlichen Hierarchien
    "Er ist ein Mensch, der den Dienst für die Armen in den Mittelpunkt stellt. Das ist sehr jesuitisch seit Jahrhunderten. Es ist ein Mensch, der die Kirche erneuern will von Erstarrungen, von Klerikalismus, von Machtdenken. All das sind Anliegen, die sehr stark aus unserem Geist her kommen. Aber die sind auch biblisch letztlich. Und da ist er sicher vom Orden geprägt und bringt das ein in die Kirche."
    Hier wird es widersprüchlich. Auf der einen Seite betont Ignatius den Gehorsam, im Orden herrscht eine strenge Hierarchie. Auf der anderen Seite versucht ein Jesuiten-Papst kirchliche Hierarchien aufzubrechen, etwa den römischen Zentralismus, die Machtfülle der Kurie. Innerhalb der katholischen Kirche gelten die Jesuiten oft als links, als besonders kirchenkritisch. Provinzial Stefan Kiechle erklärt die Zuschreibung.
    "Die kommt sicher daher, weil wir auch einen kritischen Blick haben. Weil wir uns selber kritisch reflektieren und auch andere und weil wir versuchen, dunkle Seiten anzusprechen und zu verbessern. Deshalb gelten wir vielleicht als kritisch und als links, weil wir mit dem Bestehenden oft noch nicht zufrieden sind und voran machen wollen – hin zu mehr Offenheit und auf ein kirchliches Leben in der modernen Welt."
    Adolfo Nicolás, der Generalobere des Ordens, definiert den idealen Jesuiten als jemanden, der stets fragt, was die Dinge zu bedeuten haben. Er solle einige Antworten parat haben, aber niemals mit ihnen zufrieden sein. Jesuiten studieren in der Regel lang und umfassend: Theologie und Philosophie, häufig noch weitere Fächer wie Wirtschaft, Medizin oder Astronomie. Sie gelten als Gelehrten-Orden, manchmal als elitär. Ordensvertreter suchten und suchen exklusive Zugänge: Zu Wirtschaftsführern, einflussreichen Wissenschaftlern und Herrschern. Das hat Tradition, etwa bei den Missionaren im asiatischen Raum:
    "Und so haben sie dann Könige und Kaiser beeindruckt. Am chinesischen Kaiserhof standen den Jesuiten Tor und Tür offen."
    Die christliche Mission geht zurück auf die Anfänge des von Ignatius gegründeten Ordens. In Lateinamerika gründeten die Jesuiten im 17. und 18. Jahrhundert so genannte Reduktionen, um die einheimische Bevölkerung vor den europäischen Kolonialherren zu schützen. Aber ihr Engagement war den Herrschenden ein Ärgernis. Und so gelang es 1773, Papst Clemens XIV. dazu zu bewegen, den Orden aufzuheben. Erst 40 Jahre später machte Papst Pius VII. den Schritt rückgängig. Die vorübergehende Aufhebung war ein tiefer Einschnitt in der Geschichte des Ordens. Aber die von Ignatius entwickelte Spiritualität überlebte: Gott suchen und finden in allen Dingen.
    Exerzitien - ignatianische Form der Innenschau
    "Das ist so ein Kernsatz von ihm. Was für ihn auch wichtig ist: Gute Dinge in die Werke zu legen, praktisch zu werden, es umzusetzen."
    Eine zentrale Methode, die Ignatius hinterlassen hat, sind die Exerzitien. Gabriela Grunden leitet solche geistlichen Übungen.
    "Viele sagen: Wie treffe ich eine richtige Entscheidung? Stimmen die Beziehungen, in denen ich lebe? Wie geht's mir beruflich? Welche Lebensform stimmt? Und nicht fremdbestimmt irgendwas zu leben."
    Ein Ziel der Exerzitien ist es, Kontrolle über die vielen inneren Stimmen zu gewinnen: Was ist gut, was weniger? Ignatius nennt das "Unterscheidung der Geister".
    "Die Verschiedenheit der Geister zu erkennen, die dabei tätig waren, nämlich einmal der Geist des Teufels und das andere Mal der Geist Gottes."
    Ignatius selbst dürfte den Kampf seiner inneren Stimmen durchaus als Qual empfunden haben. Auch auf seinem Weg als Pilger erlebt er immer wieder innere Rückschläge, Erschütterungen. Der Ordensgründer leidet unter depressiven Phasen, die sich durch Fieberschübe und Gallenkoliken auch körperlich auswirken. Gleichzeitig aber perfektioniert er die Beobachtung dessen, was in seiner Seele vorgeht. Und so ist die ignatianische Form der Innenschau bis heute beliebt. Nicht nur bei frommen Christen, sondern selbst in Manager-Kreisen, sagt Gabriela Grunden.
    "Es sind Menschen oftmals in Führungspositionen, die viel erreicht haben und sagen, aber noch mehr geht nicht.
    Mit den Exerzitien hat Ignatius seiner Nachwelt etwas hinterlassen, das die Jahrhunderte überdauerte. Ein großer Theologe war der kleine Mann hingegen eher nicht. Ignatius führte ein Leben mit Brüchen, erst als Soldat, später als Pilger. 1556 starb er im Alter von 65 Jahren. Viele Jesuiten sind froh, dass sie keinen glatten, allzu frommen und populären Ordensgründer haben. Er wurde dennoch 1622 von Papst Gregor XV. heiliggesprochen.
    "Heilig ist man nicht, weil man perfekt ist und alles kann, und alles gut macht, und immer nur gute, heilige Gedanken im Herzen hat und gute heilige Taten hat." (Kiechle)
    "Ignatius ist kein volkstümlicher Heiliger, aber für Nüchterne, Intellektuelle und für diejenigen, die an der ignatianischen Spiritualität Gefallen gefunden haben, ist er eine Leitfigur." (Batlogg)
    "Er ist für mich vor allem ein wahrhaftiger Heiliger, den ich nicht einfach verehre und auf einen Sockel stelle, sondern der ein leidenschaftlicher Gottsucher war. Und auch wie er sich hat wandeln können. Also der hat ja eine enorme Entwicklung hinter sich. Das sind für mich Vorbilder." (Grunden)