Eine verwinkelte Kellertreppe führt hinunter zur Zwipi-Underground-Bar. Mit einem Apéritif in der Hand werden die Gäste zu ihren Tischen gebracht. Liebevoll eingedeckt, mit Lichterketten geschmückt - hinter massiven Stahltüren. Denn dieses Dinner findet in historischen Tresorräumen statt. Veranstalter Gerald Garner erzählt:
"Eigentlich wollten wir nur ein kleines Café im Erdgeschoss eröffnen, aber dann haben wir von dem Tresor erfahren. Dieses Gebäude war mal eine Bank, 1904 erbaut, und der Tresor sieht noch ziemlich genau so aus, wie damals. Wir haben ihn so erhalten, damit auch Sie das Gefühl haben, einen vergessenen Tresor zu entdecken, der 40 Jahre lang nicht genutzt worden ist."
Ebenso in Vergessenheit geraten sind viele Geschichten, die der Autor mehrerer Bücher über Johannesburg im Lauf des Abends erzählt. Anekdoten von Einwanderern, die Johannesburg geprägt haben.
Johannesburg - Stadt der Migranten
Unter den Gästen sind weiße, schwarze, indisch-stämmige Südafrikaner, ein paar Expats und Touristen. Die Gruppe ist so multikulturell wie Johannesburg selbst. 1886, zu Beginn des Goldrausches, habe hier noch kaum jemand gelebt, so Garner, dessen eigene Vorfahren aus England und Deutschland stammen. Acht Jahre später sei die Bevölkerung der heutigen Millionenmetropole auf 80.000 angewachsen. Die bis dahin größte Einwanderungswelle der Welt.
"In kürzester Zeit trafen Neuseeländer und Australier ein, Menschen aus Hong Kong und Indien, England, Kanada und den USA. Keiner von ihnen hatte ein Visum für die damalige Buren-Republik, sie waren illegale Einwanderer. Das setzt sich bis heute fort: Johannesburg ist noch immer eine Stadt der Migranten. Offiziell kommen jeden Monat 3.000 neue hinzu, inoffiziell sind es jedoch eher 10.000."
Chinesische Hackbällchen und rassistische Gesetze
Nach der unterhaltsamen Einführung servieren Kellner die Vorspeise - inspiriert von der Migrationsgeschichte: Butternut-Suppe und Hackbällchen erinnern kulinarisch an asiatische Einwanderer, Zwangsarbeiter und Sklaven aus Indonesien, Indien und China. Letztere hatten die Briten während des Krieges gegen die Buren als Bergarbeiter nach Johannesburg gebracht. Kurz nach Kriegsende wurden die meisten wieder abgeschoben.
Von 70.000 Chinesen hätten vier Jahre später nur noch 3.000 in Johannesburg gelebt, erzählt Gerald Garner. Damals seien außerdem die ersten rassistischen Passgesetze in Kraft getreten.
Die meisten Gäste sind verblüfft, so wie Muzi Mkhize, ein junger Südafrikaner aus Soweto:
"Wir hören viel über die Ausweispflicht für Schwarze während der Apartheid. Aber zu erfahren, dass Inder und Chinesen schon vorher durch ganz ähnliche Gesetze diskriminiert wurden – darüber wird selten gesprochen."
"Geschichte geht durch den Magen"
Während die Gruppe noch tiefer in die Geschichte ihrer Stadt eintaucht, bereitet Köchin Princess Bulelwa Mbonambi ein Stockwerk höher den Hauptgang vor. Sadza, einen Maisbrei, den sie von der Familie ihres Vaters aus Simbabwe kennt, und Carapau, eine Makrele nach mosambikanischer Art. Das einfache Essen der Einwanderer aus den Nachbarstaaten.
"Man sagt ja, Liebe geht durch den Magen. Bei uns ist es die Geschichte. Wir gehen zurück an die kulinarischen Ursprünge. Es sind Rezepte, die schon unsere Großmütter gekocht haben und uns in ihrer Einfachheit an die bescheidenen Anfänge erinnern. Es ist eine Hommage an die Geschichte."
Beim Dessert – bei Mango-Lassi und Baklava – lassen die Gäste den Abend Revue passieren. Ihre Erwartungen seien übertroffen worden, sagt Vuyokazi Maselana, die wie ihr Partner ebenfalls in Soweto lebt.
"Es war interessant zu hören, wie Johannesburg eigentlich entstanden ist. All die Geschichten von Leuten aus aller Welt waren weitgehend neu für mich. Meine Generation der späten 80er-Jahre ist vielleicht zu sehr auf die Apartheid fixiert. Dabei vergessen wir die anderen Kapitel unserer Stadtgeschichte."
Johannesburg – die Stadt der Migranten – war nie nur schwarz-weiß. Es lässt sich nur erahnen, wie viele Geschichten noch immer, wie diese Tresorräume, unentdeckt im Untergrund schlummern.