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Strackeljan: Technik kommt nicht ohne Geisteswissenschaften aus

Der Rektor der Uni Magdeburg kann nicht nachvollziehen, dass die geisteswissenschaftlichen Faktultäten seiner Uni geschlossen werden sollen. Für den Erfolg von technischer Entwicklungen bedarf es neben Ingenieuren auch Geisteswissenschaftler.

Jens Strackeljan im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel |
    Ulrike Burgwinkel: Ein internes, also eigentlich nicht zur Veröffentlichung vorgesehenes Papier aus dem Hause des Wissenschaftsministers Hartmut Möllring in Sachsen-Anhalt hat doch den Weg nach draußen gefunden – und sorgt für Empörung unter den Betroffenen, denn es handelt sich um ein Papier mit radikalen Spar- und Kürzungsvorschlägen für Sachsen-Anhalts Hochschulen.

    Tausende Studienplätze würden wegfallen, Fachbereiche geschlossen, Stellen gestrichen. Besonders hart getroffen ist die Otto-von-Guericke-Uni in Magdeburg. Die gesamten Geisteswissenschaften sollten dort wegfallen. Meine Frage geht an den Rektor, Jens Strackeljan, guten Tag nach Magdeburg!

    Jens Strackeljan: Guten Tag!

    Burgwinkel: Herr Strackeljan, was bedeutet das denn eigentlich für Ihre Uni?

    Strackeljan: Das bedeutet erst mal, dass gut 3000 Studierende, wenn man also die Fakultät komplett schließen würde und wir einfach mal sagen, wir haben im Augenblick diese Zahl – und die hätten wir auch in ein paar Jahren, denn es ist ja ein Prozess über einen längeren Zeitraum –, die wären einfach weg.

    Wir würden also einen Gutteil – es ist die größte Fakultät – wir würden einen Gutteil unserer Studierenden verlieren, das ist ein Teil. Aber die Folgen sind viel weiter: Wir sind eine technisch profilierte Uni, aber jedermann – und da kann man also quer durch die Republik fahren – jedermann, der eine solche Uni mit einem weiteren Profil in den Wirtschaftswissenschaften gestalten möchte und zukunftsfähig ausbauen möchte, der braucht eine leistungsfähige Humanwissenschaft. Diese Gruppe von Studierenden ist einfach unabdingbar. Man kann darüber sprechen, welches Fächerspektrum, wie die Anknüpfungen sein müssen.

    Aber dieser radikale Schnitt, einfach zu sagen, die Fakultät wird in unseren Gedankenspielen einfach mal entfernt, der hat eben katastrophale Auswirkungen auf die Uni, und eben dann im Nachgang auch auf die Stadt, denn ein Großteil dieser Studierenden, die prägen auch ein Stück weit die kulturelle Entwicklung Magdeburgs.

    Burgwinkel: Sie müssen sich aber jetzt in Stellung bringen, falls im Oktober Hartmut Möllring seine Vorschläge auf die Tagesordnung setzt und veröffentlicht, seine Sparpläne, denn gespart werden wird ja wohl müssen.

    Strackeljan: Ja, wir haben ja auch immer gesagt, dass wir durchaus über einen längeren Zeitraum auch Einsparpotenziale sehen. Die sind nicht, das ist alles nicht trivial, denn wir haben ja steigende Kosten, also selbst, wenn unser Budget nur fortgeschrieben würde – und wir wollen es gar nicht erhöht haben –, dann ist das schon eine Kraftanstrengung. Energiekosten steigen, die Tarifsteigerungen tragen wir ein Stück weit mit, das sind ohnehin Lasten, die bei uns liegen. Aber wir haben immer gesagt, man sollte sich mal angucken, ob wir wirklich an allen Standorten auch alle Studiengänge vorhalten sollen.

    Und da gibt es sicherlich Doppelungen, die man beseitigen kann. Aber man kann auch nicht einfach nur sagen, der Standort Magdeburg ist komplett ohne die Geisteswissenschaften tragfähig.

    Burgwinkel: Ich könnte mir vorstellen, dass das bei anderen Universitäten und Rektoren schon ein bisschen anders klingen würde – wir profilieren unser naturwissenschaftliches Profil, und was brauchen wir die Geisteswissenschaften.

    Strackeljan: Ja, wir haben zum Beispiel, das ist auch nicht berücksichtigt in diesem Papier – deshalb sollte man es vielleicht auch gar nicht allzu hoch aufhängen –, das sind alle 39 Professoren aus der Humanwissenschaft, dazu gehören zum Beispiel bei uns vier Professuren aus dem Bereich der Psychologie, wo wir im Bereich der Umweltpsychologie ein attraktives Studienprogramm haben, und kein Mensch glaubt doch, dass heute bestimmte technische Entwicklungen nur von den Ingenieuren auch tatsächlich Verbreitung in der Gesellschaft finden, da brauchen wir nur Immobilität als Beispiel nehmen.

    Dinge werden so einfach noch nicht gekauft, da sind Akzeptanzfragen zu klären, die ganze Interaktion mit Technik, Human Factors, das sind Fragen, die die Ingenieure alleine nicht klären können. Wir brauchen Soziologen, die uns helfen an diesen Fragen, also eine Ausbildung von Technikern mit dem Blick, was sind die Fragen, die in 20 Jahren zu beantworten sein werden, die wir zum Teil gar nicht kennen, die können die Ingenieure alleine nicht leisten. Und deshalb brauchen wir das. Das ist so einfach und trivial, dass es eigentlich gar nicht lohnt, mit dem Ministerium darüber zu sprechen.

    Burgwinkel: Insgesamt schließe ich aus Ihren Bemerkungen so das Motto: Es wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

    Strackeljan: Nein, also, es sollte uns schon in eine Position großer Wachsamkeit bringen. Denn wenn man sich das mal anguckt, egal ob das der Stand Ende August war oder es war ein Stand Anfang August, und es waren einfach nur Aufwärmübungen:

    Ende September, Anfang Oktober soll ein Konzept vorgelegt werden. Wenn man weiß, wie ein Ministerium arbeitet, dann ist natürlich genau die Arbeitsebene, auf der dieses Papier kommt, die arbeiten daran. Ich glaube doch nicht, dass Herr Möllring sich am Ende, selbst, wenn er damit unzufrieden wäre, hinsetzt und ein neues Konzept schreibt. Also das Ding hat schon einen gewissen Stand, und das sollten wir auch nicht einfach zur Seite schieben. Wir müssen aufpassen. Aber wir müssen vor allem selber ein attraktives Angebot schaffen, einen Strukturplan, am besten mit dem Ministerium auch mal diese Belange, die wir ja auch berechtigt vorbringen können. Weiter so wird es nicht geben, das ist völlig klar, das haben wir auch immer gesagt, aber eine vernünftige Entwicklung, auch eben eine Humanwissenschaft mit Anknüpfung, die wollen wir starten, und da ist ein Schnitt, ein Streichen, das ist die unintelligenteste Lösung, die man präsentieren kann.

    Burgwinkel: Ist es nicht vielleicht auch Aufgabe der Landesrektorenkonferenz, also von Ihnen und Ihren Kollegen, gemeinsam da vorzugehen?

    Strackeljan: Ja, wir sind ja im ganz engen Schulterschluss und haben auch in den vergangenen Monaten natürlich auch Gespräche mit dem Ministerium geführt, dann war aber die Strategie von unserer Seite und auch der Auftrag des Landtages, dass das Wissenschaftsministerium nun mal einen Vorschlag präsentiert, vielleicht ein zweiter Punkt, den man jetzt sozusagen als Positives daraus ableiten kann.

    Die 50 Millionen Euro, die dort mal festgelegt wurden – das ist ja ein Kabinettsbeschluss –, die sind nicht realisierbar, denn die Absurdität der ganzen Maßnahmen, ich glaube, das spricht für sich, das hat Herr Möllring auch gesagt, das ist zum Teil absurd, das ist schwachsinnig, was da aufgeschrieben wurde, und selbst das würde Schwierigkeiten bringen, die 50 Millionen einzusammeln. Da können wir aber sagen, daran sollten wir uns gar nicht orientieren. Vergessen wir doch einfach mal das Geld und versuchen für das Hochschulsystem in Sachsen-Anhalt was Gutes, Nachhaltiges auf die Beine zu stellen. Und ich bin sicher, dann kann man auch den einen oder anderen Euro noch einsammeln. Aber das ist dann nachrangig, wir sollten es im Augenblick erst mal tun aus Profilierungsüberlegung, wir sollten den Wissenschaftsratsbericht als eine Orientierung nehmen, wir haben doch jetzt so viel Material, und da ist dieses Paper einfach nicht adäquat. Und von daher hoffe ich auch, dass es dann wieder in der Versenkung verschwindet.

    Burgwinkel: Vielen Dank für das Gespräch!

    Strackeljan: Bitte schön!

    Burgwinkel: Professor Jens Strackeljan, Rektor der Uni Magdeburg, über die internen, aber jetzt doch veröffentlichten Sparideen des Wissenschaftsministeriums Sachsen-Anhalt.


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