Der Vorstoß von Argentinien, Peru, Kolumbien, Chile, Paraguay und Kanada ist ein Novum, wie ARD-Korrespondentin Anne-Katrin Mellmann berichtet: Bisher habe es in Den Haag lediglich Anzeigen gegen einzelne Machthaber und Diktatoren gegeben, nicht aber gegen ganze Staaten, eingereicht von anderen Staaten.
Die sechs Länder werfen Venezuela Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor und berufen sich dabei auf Ermittlungsergebnisse des UN-Hochkommissariat für Menschenrechte und auf einen Bericht von Amnesty International. Demnach verüben in Venezuela Nationalgarde, Armee und Geheimdienst außergerichtliche Hinrichtungen gegen vermeintliche Bandenmitglieder, insbesondere in den Armenvierteln der großen Städte. Während der großen Anti-Regierungsproteste 2017 soll es zudem zu willkürlichen Verhaftungen und Folter gekommen sein.
Ermittlungen gegen den Staat in Venezuela nicht mehr möglich
Die Demokratie in Venezuela sei abgeschafft, so Mellmann. Die sozialistische Regierung von Präsident Nicolas Maduro habe das oppositionsdominierte Parlament schrittweise entmachtet, Proteste niederschlagen lassen und eine verfassungsgebende Versammlung eingesetzt, die nur noch Entscheidungen zugunsten des Regimes treffe. Auch die Justiz funktioniere nicht mehr unabhängig. Spätestens seit die Generalstaatsanwältin Luisa Ortega wegen ihrer Ermittlungen gegen hochrangige Regierungsfunktionäre regelrecht über Nacht habe flüchten müssen, seien Ermittlungen gegen den Staat in Venezuela gar nicht mehr möglich.
"In Venezuela verhungern die Menschen"
Aus Sicht der sechs Staaten, die nun ein Verfahren gegen Venezuela am Internationalen Strafgerichtshof anstrengen, helfe daher nur noch Druck von außen. Es bestehe die Hoffnung, dass damit zumindest humanitäre Hilfe möglich werde. "Denn in Venezuela verhungern die Menschen, sie sterben an behandelbaren Krankheiten, es gibt weder Medikamente noch Lebensmittel", so Mellmann. "Das Regime in Caracas blockiert jede humanitäre Hilfe und lässt nichts ins Land." Auch die venezolanische Bevölkerung wünsche sich daher schon lange mehr internationalen Druck. "Sie sieht, dass die sozialistische Partei die Macht so sehr an sich gerissen hat, dass keine andere Möglichkeit mehr besteht", sagt Mellmann.