Das Unvorstellbare ist passiert. Das Kölner Stadtarchiv - eingestürzt. Zwei Menschen sterben dabei. Etliche verlieren ihr zu Hause. Was ist passiert? Einen Tag nach dem Unglück zeigt sich die Hilflosigkeit, auch anhand einer Aussage des damaligen Oberbürgermeisters Fritz Schramma am 4. März 2009: "Eines ist mir jetzt schon klar, nämlich die Frage, ob man in Zukunft U-Bahn-Bauten in einer bewohnten Stadt in diesem Maße durchführen kann und soll? Es ist ja nicht das einzige Haus, das Risse zeigt. Deswegen muss man hier grundsätzlich mal drüber nachdenken. Ich halte das eigentlich jetzt fast für unverantwortlich."
Prozess endet früher als erwartet
Diese Aussage hat dem Ex-OB viel Spott eingebracht. Jetzt, fast zehn Jahre später, ist der Prozess letztendlich viel schneller zu Ende gegangen, als erwartet. Ursprünglich waren Termine bis Anfang März 2019 angesetzt. Kurz bevor die Verjährung begonnen und somit, zehn Jahre nach dem Unglück, niemand mehr strafrechtlich hätte belangt werden können. Doch bereits jetzt, nach dem 47. Verhandlungstag, werden die Urteile gesprochen.
Der Staatsanwalt hatte in seinem Plädoyer unter anderem Bewährungsstrafen gefordert, sagt der Sprecher des Kölner Landgerichts Jan Orth: "Die Staatsanwaltschaft hat für zwei Bauleiter jeweils ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und für einen Bauüberwacher zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung verlangt, weil die ihren Kontroll- und Überprüfungspflichten nicht nachgekommen seien. Für eine Chef-Bauüberwacherin hat die Staatsanwaltschaft Freispruch beantragt."
Pfusch am Bau
Über Jahre rätselten nicht nur die Kölner, was die Ursache für den Einsturz war. Im Prozess ist sie deutlich geworden - durch ein Gutachten: Pfusch am Bau. In einer Betonwand bildete sich ein großes Loch, durch das später mehrere tausend Kubikmeter Erde, Kies und Wasser rutschten und sich dadurch unter dem Archivgebäude ein großer Hohlraum bildete. Maßgeblich für den Pfusch verantwortlich war der Polier, der in dem Prozess auch angeklagt war, wegen Verhandlungsunfähigkeit aber ausscheiden musste.
Er hatte laut Staatsanwaltschaft ein Hindernis im Boden nicht beseitigen können, aber trotzdem die Arbeiten fortgesetzt. Unter anderem aufgrund von Zeit- und Geldruck, denn der Bau musste weitergehen. Diese Fehler hätten die drei Angeklagten in dem Prozess bemerken müssen, sagt der Staatsanwalt. Möglicherweise hätte durch eine stärkere Kontroll- und Sorgfaltspflicht der Bauleiter und des Bauüberwachers das Unglück verhindert werden können.
Schadenersatz-Verfahren steht noch aus
Juristisch geht es dennoch weiter. Erstens ist zu erwarten, dass bei Verurteilungen die Verteidiger Revision einlegen und es geht noch um den Schadenersatz. Es sind Kosten entstanden für die Stadt Köln, die auf etwa 1,3 Milliarden Euro beziffert werden. Darunter fallen Entschädigungen für die Menschen, die ihre Wohnungen verloren haben, Kosten für die Archivgüter, die verschüttet und aufwändig restauriert werden müssen, und noch viel mehr.
Dieses Geld soll der Verursacher bezahlen, heißt es aus der Kölner Stadtverwaltung selbstbewusst. Doch das muss nun noch in einem Zivilprozess geklärt werden. Wenn die Bauleiter, die für namhafte große Baufirmen arbeiteten, tatsächlich verurteilt werden, heißt es noch nicht, dass die Unternehmen automatisch in der Pflicht sind, sagt Gerichtssprecher Jan Orth: "Grundsätzlich ist das so, auch wenn jemand strafrechtlich verurteilt wird, dass das nicht automatisch eine zivilrechtliche Haftung nach sich zieht. Die ist in einem separaten Verfahren durch die Zivilgerichtsbarkeit gesondert festzustellen." Und bis es in diesem Verfahren ein Ergebnis gibt, das kann nun wiederum Jahre dauern.