Die belarussische Staatsmacht setzt die Protestierenden immer stärker unter Druck. Im ganzen Land finden Strafprozesse gegen Regimegegner statt. Zum ersten Mal wurden gestern auch zwei Präsidiums-Mitglieder des sogenannten Koordinierungsrats der Opposition verurteilt. Es traf die Juristin Olga Kowalkowa und Sergej Dylewskij, Vertreter der Streikenden im Minsker Traktorenwerk. Ihnen wird vorgeworfen, einen nicht genehmigten Streik organisiert zu haben. Sie müssen für zehn Tage ins Gefängnis.
Anführer werden herausgepickt
Der amtierende Präsident Alexander Lukaschenko gehe jetzt gezielt gegen wichtige Personen der Protestbewegung vor, sagt Andrzej Poczobut, Korrespondent des TV-Senders Belsat in Grodno im Westen von Belarus:
"Langsam aber sicher zieht er jetzt die Schrauben an. Die Sicherheitskräfte picken sich punktgenau die Anführer heraus. Das gilt für Grodno, aber auch für das ganze Land. Im Fokus stehen diejenigen, die bei Demonstrationen öffentlich aufgetreten sind, die im Internet aktiv waren. Sie werden festgenommen und eingeschüchtert, sie und auch ihre Familien."
"Langsam aber sicher zieht er jetzt die Schrauben an. Die Sicherheitskräfte picken sich punktgenau die Anführer heraus. Das gilt für Grodno, aber auch für das ganze Land. Im Fokus stehen diejenigen, die bei Demonstrationen öffentlich aufgetreten sind, die im Internet aktiv waren. Sie werden festgenommen und eingeschüchtert, sie und auch ihre Familien."
Auch die prominentesten Protestteilnehmer können sich nicht sicher fühlen. So hat die Staatsanwaltschaft für heute die Literatur-Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch zum Verhör bestellt. Die 72-Jährige ist ebenfalls Mitglied im Präsidium des Koordinierungsrats. Da Lukaschenko diesem unterstellt, er plane einen Staatsstreich, droht Alexijewitsch eine mehrjährige Haftstrafe.
Tichanowskaja: "Keine geopolitische Revolution"
Die Opponentin von Lukaschenko bei der Präsidentenwahl, Swetlana Tichanowskaja, wurde gestern einer Sitzung des EU-Parlaments per Internet zugeschaltet. Sie sagte: "Am vergangenen Sonntag fand die größte öffentliche Demonstration in der belarussischen Geschichte statt. Mehr als 200.000 Menschen waren in der Hauptstadt Minsk auf der Straße. Belarus ist erwacht. Wir sind nicht mehr die Opposition, wir sind die Mehrheit. Hier findet eine friedliche Revolution statt."
Tichanowskaja dankte der EU für deren Unterstützung. Die Staats- und Regierungschefs hatten in der vergangenen Woche beschlossen, Lukaschenko nicht als Sieger der gefälschten Präsidentschaftswahl anzuerkennen. Trotz der Unterstützung aus dem Westen stellte Tichanowskaja klar: "Die Revolution in Belarus ist keine geopolitische Revolution. Sie ist weder prorussisch noch antirussisch. Sie ist weder anti-EU, noch pro-EU, sie ist eine demokratische Revolution."
Damit widersprach Tichanowskaja den Behauptungen von Präsident Lukaschenko und von führenden Politikern der russischen Regierung. Diese hatten erklärt, der belarussischen Opposition gehe es darum, das Land nach Westen zu wenden. Sie warfen der EU zudem vor, die Proteste organisiert zu haben und sogar Blutvergießen zu provozieren. Belege für diese Vorwürfe führten weder Lukaschenko noch der Kreml an.
Auch wenn die Lage für die Protestierenden immer schwieriger wird: Gestern Abend feierten sie einen Erfolg. Dutzende aufgebrachte Bürger versammelten sich vor einem Polizeigefängnis in Grodno. 28 Arbeiter des örtlichen Chemiekonzerns waren zuvor festgenommen worden. Sie waren nach der Arbeit einfach schweigend durch die Innenstadt gezogen. Gegen 21 Uhr Ortszeit ließ die Polizei sie wieder frei.
Auch wenn die Lage für die Protestierenden immer schwieriger wird: Gestern Abend feierten sie einen Erfolg. Dutzende aufgebrachte Bürger versammelten sich vor einem Polizeigefängnis in Grodno. 28 Arbeiter des örtlichen Chemiekonzerns waren zuvor festgenommen worden. Sie waren nach der Arbeit einfach schweigend durch die Innenstadt gezogen. Gegen 21 Uhr Ortszeit ließ die Polizei sie wieder frei.