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Strafrecht
Praxis für Stadionverbote rechtswidrig?

Der Ausschluss aus Stadien ist für die betroffenen Fans oft nicht nachvollziehbar. Meist wird er schon dann ausgesprochen, bevor die Staatsanwaltschaft überhaupt Ermittlungen aufgenommen hat. Ein Gerichtsurteil in Köln sagt jetzt, dass vorher keinerlei Daten an einen Fußballverein weitergegeben werden dürfen.

Von Thorsten Poppe |
    Polizei steht vor Spielbeginn am Weserstadion
    Hier ist für Fans mit Stadionverbot Schluss - Einsatzkräfte am Stadion (picture alliance / dpa, Carmen Jaspersen)
    "Ein Stadionverbot soll die Sicherheit und Ordnung bei Spielen in der Bundesliga gewährleisten und hierbei zukünftig Ausschreitungen unfriedlicher Personen verhindern." So steht es fest in den DFB-Statuten. Ein guter Ansatz, denn gewalttätige Ausschreitungen haben im Stadion nichts verloren. Allerdings reicht schon der Verdacht auf eine Straftat aus, um Fans vom Stadionbesuch auszuschließen.
    Und dieser Verdacht wird den Vereinen seitens der Polizei schon nach jedem Spieltag angetragen. So die bisherige Praxis, wie Dr. Björn Schiffbauer von der Universität Köln erklärt. "Wenn die Vereine nun Stadionverbote aussprechen möchten gegen Störer zur Verhinderung zukünftiger Gewalthandlungen, dann brauchen sie auch Informationen darüber, warum denn Stadionverbote ausgesprochen werden können. Und solche Informationen hat typischerweise die Polizei", erklärt der Jurist, der sich unter anderem intensiv mit Sportrecht befasst. "Eine dieser Informationen ist die Angabe darüber, ob gegen Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Also: Ob ein strafrechtlicher Anfangsverdacht besteht. Dann sagen nämlich die DFB-Richtlinien zur Verhängung von Stadionverboten, dass der Verein ein Stadionverbot verhängen muss."
    Polizei informiert Vereine
    Wenn es also ausgesprochen wird, sind die Betroffenen oft noch gar nicht rechtskräftig verurteilt. Im Gegenteil: Überwiegend ist noch nicht einmal ein Ermittlungsverfahren gegen sie seitens der Staatsanwaltschaft eröffnet. Dennoch gibt die Polizei vorab Daten der beschuldigten Fußballfans an die Vereine als Spielbetriebsveranstalter weiter, damit die Klubs zeitnah nach der angeblichen Tat ein Verbot aussprechen können.
    Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte kritisiert genau diese Vorgehensweise, die sich in der alltäglichen Praxis in den letzten Jahren wohl verselbständigte, wie Rechtsanwalt Frank Hatlé erläutert: "In der Regel war es wohl so, dass die szenekundigen Beamten regelmäßig montags bei den Spielbetriebsveranstaltern anrufen und sagten: ‘Sicherheitsbeauftragter, die, und die, und die, haben das, und das, und das gemacht. Erteilt doch mal Stadionverbote.‘
    Einsatzkräfte untersuchen einen Fußballfan.
    Einsatzkräfte untersuchen einen Fußballfan. (picture alliance / dpa, Alexander Heinl)
    Am wildesten hat es zeitweise die Polizei in Leverkusen getrieben, die mit den Vereinsverantwortlichen zusammen am Schreibtisch saß. Während die Polizeibeamten die Personalien von vermeintlichen Beschuldigten aufnahmen, wurden dann diese Daten sofort an den Nachbartisch gegeben, und die Verantwortlichen des Spielbetriebsveranstalters haben sofort per Wisch Stadionverbote erteilt."
    Klage gegen breitwillige Auskunft von Daten
    Deshalb hat der Rechtsanwalt nun für einen betroffenen Mandanten vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen diese Praxis geklagt. Auch in dem verhandelten Fall ging es um eine Datenweitergabe der Polizei, die bereits im Jahr 2013 telefonisch erfolgte. Hier an den 1. FC Köln. Darin informierten die Beamten den FC darüber, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wegen gewaltsamer Auseinandersetzungen eingeleitet worden sei. Da dies jedoch nie der Fall war bzw. die Staatsanwaltschaft auch niemals eines einleitete, war für das Gericht diese Datenübermittlung der Polizei an den 1. FC Köln rechtswidrig.
    Für Rechtsanwalt Frank Hatlé ein fahrlässiger Umgang mit Persönlichkeitsrechten von Fußballfans: "Die Tatsachen, dass gegen sie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet oder eben nicht eingeleitet wurde, stellt ein Dienstgeheimnis dar. Es gibt kaum intimere Bereiche zwischen Bürger und Staat, als die Frage, ob Ermittlungen gegen eine Person laufen", erklärt Hatlé. "Die Bereitwilligkeit, mit der hier die Polizeibehörde einem privatwirtschaftlichen Unternehmer systematisch bereit ist Auskunft zu erteilen, verstößt gegen alle Grundsätze des Datenschutzrechtes."
    Polizei will in Berufung gehen
    Genaue Zahlen darüber, wie viele Personen zurzeit ein Stadionverbot hierzulande besitzen, existieren nicht. In den Jahren 2012 und 2013 wurden laut einer Studie der Uni Bochum über 2.700 Personen damit belegt. Davon waren rund 70 Prozent als "vorbestraft" registriert, weil sie zuvor wegen einer Straftat verurteilt wurden. Diese Statistik sagt aber letztendlich nichts über die Qualität der verhängten Verbote aus. Auch weil sie eben nicht explizit ausweist, ob später auch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren bzw. sogar eine Verurteilung für den vom Stadionverbot betroffenen Anhänger erfolgte.
    Das wird sich nun mit dem Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts ändern können. Zwar ist es eine Einzelfallentscheidung ohne bindenden Charakter für andere Verbotsverfahren dieser Art. Doch Dr. Björn Schiffbauer von der Universität Köln sieht dadurch eine neue Qualität im Umgang mit dieser Maßnahme. Vor allem die Polizei müsse nun ihre gängige Praxis ändern, und mehr Sorgfalt an den Tag legen. "Das heißt, sie muss immer Rücksprache mit der zuständigen Staatsanwaltschaft nehmen. Wie sieht es aus? Wurde ein Verfahren eingeleitet oder nicht? Und wenn die Staatsanwaltschaft dann die Information an die Polizei gegeben hat, dann ist die Polizei auch berechtigt, diese Information an die Vereine zur Gefahrenabwehr weiterzugeben.
    Er habe da keine Bedenken, so Schiffbauer, denn nach der Strafprozessordnung sei allein die Staatsanwaltschaft Herrin des Ermittlungsverfahrens. "So steht es übrigens auch wörtlich im Urteil des Verwaltungsgerichtes Köln. Deshalb muss sich die Polizei hier ihrer Rolle fügen, und Rücksprache halten." Die Polizei Köln wollte sich auf unsere Anfrage hin nicht äußern. Die Behörde hat sich dazu entschlossen, einen Antrag auf Zulassung zur Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster zu stellen.