"Ich bin etwas skeptisch gegen diese Tendenz, alles als Faksimile, im Original zu veröffentlichen", sagte Hoeres, der an der Universität Würzburg Neueste Geschichte lehrt. "Das ist ja auch keine journalistische Leistung mehr, das heißt, keine Einordnung und Frage der Relevanz."
Hoeres, zu dessen Forschungsschwerpunkten politischer Journalismus gehört, forderte eine Abwägung: zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit an Information und dem Interesse des Staates, dass vertrauliche Dokumente nicht an die Öffentlichkeit gelangen. "Ich denke nicht, dass es legitim ist, einfach alles zu veröffentlichen, was man auf welchem Wege auch immer erhält."
Kein Anrecht auf totale Transparenz
Es gebe nirgendwo ein Anrecht auf totale Transparenz und Öffentlichkeit. Wenn es etwa im Parlamentarischen Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste immer wieder zu Durchstechereien komme, sei es verständlich, dass Behörden reagieren. "Ob es in diesem Fall sinnvoll war, möchte ich bezweifeln", ergänzte Hoeres allerdings", "weil das, was veröffentlicht wurde, kaum als Staatsgeheimnis zu bezeichnen ist." Im Grundsatz sei es aber legitim, dass solche Durchstechereien verfolgt werden.
Warum Vertraulichkeit in der Politik wichtig ist, erläuterte der Historiker am Beispiel der Atomverhandlungen mit dem Iran. Wären alle Schritte im Voraus öffentlich gemacht worden, wären die Verhandlungen nie zum Abschluss gekommen, weil es keinen Spielraum für Verhandlungen mehr gegeben hätte. Vertrauliche Gespräche seien daher in der Außenpolitik gang und gäbe und auch notwendig. Innenpolitisch sei zudem die Piratenpartei mit ihrem Anspruch auf totale Transparenz gescheitert. "Indem alles öffentlich gemacht wurde, konnte keine vernünftige Politik mehr gemacht werden", sagte Hoeres. "Ich plädiere nicht für totale Geheimhaltung, die Öffentlichkeit muss unterrichtet werden. Sondern für eine Balance."
Das komplette Interview können Sie noch für mindestens fünf Monate in unserem Audio-on-Demand-Bereich hören.