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Strafverfolgung
Streit um erweiterte DNA-Analyse

Die Große Koalition möchte das Strafverfahren modernisieren und erwägt dabei auch eine Erweiterung der DNA-Analyse, um Aussagen über Haar-, Augen- und Hautfarbe zu treffen. Allerdings ist strittig, wie aufschlussreich solche Methoden sind und bei welchen Straftaten sie eingesetzt werden sollen.

Von Michael Stang |
Ein Wissenschaftler nimmt per Pipette eine DNA-Probe.
„Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass durch die erweiterte forensische DNA-Analyse die Persönlichkeitsrechte und der Persönlichkeitsschutz stärker in den Fokus rücken", sagt Lutz Roewer von der Berliner Charité (imago / Science Photo Library)
Die Strafprozessordnung in Deutschland sieht bei der DNA-Analyse bisher nur die Feststellung des Geschlechts und der Identität vor. Das Bundeskabinett plant diese DNA-Analyse zu erweitern und zwar hinsichtlich äußerlich sichtbarer Merkmale. Das betrifft die Haar-, Augen- und Hautfarbe, zudem das Alter.
"Wir begrüßen, dass die Politik auf die geänderten Möglichkeiten der molekularbiologischen Techniken reagiert, auch das große Interesse der Strafverfolgung an Informationen über unbekannte Täter, die schwere Straftaten begangen haben, das begrüßen wir."
Sagt Lutz Roewer, Leiter der Abteilung forensische Genetik an der Berliner Charité. Die Reduzierung auf einzelne Merkmale bei der DNA-Analyse sieht er als nicht zielführend an, da genetische Eigenschaften wie etwa die Pigmentierung von Haut und Haaren miteinander zusammenhängen. Peter Schneider von der Uniklink Köln hingegen bedauert, dass die Analyse der biogeografischen Herkunft nicht direkt mit in die Strafprozessordnung aufgenommen werden soll.
"Aus meiner Sicht ist die Analyse der sogenannten biogeografischen Herkunft, also feststellen, wo jemand seine genetischen Wurzeln hat, das leistungsfähigste Werkzeug, das wir haben."
Teilweise können sie die biogeografische Herkunft mit einer Quote von mehr als 99 Prozent korrekt vorhersagen", so der Leiter der Forensischen Molekulargenetik vom Institut für Rechtsmedizin.
Persönlichkeitsschutz rückt in den Fokus
"Die Ermittlung ist typischerweise ja in einem Stadium, wo man an einem Punkt anlangt und nicht mehr weiter weiß. Es gibt keinen Treffer in der nationalen DNA-Datenbank, es gibt keine Zeugenaussagen, man weiß nicht, aus welcher Region ein unbekannter Straftäter kommt. Und dann überlegt man sich, welche Möglichkeiten habe ich, jetzt noch Ermittlungshinweise zu bekommen, um gezielte Ermittlungen vornehmen zu können. Und dann ist die Frage: Hilft es mir weiter, wenn ich weiß, wie diese unbekannte Person aussieht, wo sie herkommt oder wie alt sie ist? Und wenn man diese Fragen bejahen kann und dadurch einen Kreis potenzieller Tatverdächtiger besser eingrenzen, dann kann man das machen."
Vor allem blaue oder braune Augenfarben lassen sich genetisch mit einer Genauigkeit von mehr als 90 Prozent bestimmen. Wer aber etwa eine genetische Anlage für blonde Haare zeigt, kann im Laufe des Lebens stark nachdunkeln und im Alter ergrauen. Solche Veränderungen gibt die genetische Analyse nicht an. Für die Altersbestimmung hingegen braucht es nicht nur ein paar Hautschuppen, die für die Erstellung des genetischen Fingerabdruckes ausreichen, sondern Blut, auch das gilt es zu berücksichtigen.
Generell gilt: "Die Methoden sind wissenschaftlich validiert und anwendbar." In der Debatte, welche Analysen erlaubt werden können oder sollen und welche nicht, gehen die Meinungen weit auseinander, so Lutz Roewer.
"Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass durch die erweiterte forensische DNA-Analyse die Persönlichkeitsrechte und der Persönlichkeitsschutz stärker in den Fokus rücken. Gleichzeitig ist das Interesse der Strafverfolger, mit den modernesten Methoden an der Fallklärung zu arbeiten, ebenfalls sehr stark."
Ethikkommission gefordert
Um das Dilemma zu lösen, schlägt Lutz Roewer im Fachblatt "Rechtsmedizin" ein sogenanntes Leitplankenprinzip vor. Dieses erlaubt grundsätzlich bestimmte Untersuchungsmethoden, etwa den genetischen Fingerabdruck, die Geschlechtsbestimmung und auch die Bestimmung der Augenfarbe. Gleichzeitig soll strikt verboten bleiben, dass Informationen über mögliche Krankheiten einer unbekannten Person in die Hände der Strafverfolger gelangen.
"Und dazwischen liegen sehr gut untersuchte Charakteristika einer Person, speziell die Herkunft, weil Genetik ist Herkunft. Es ist nichts anderes als die Vererbung bestimmter Merkmale von den Vorfahren an uns und wir plädieren dafür, dass wir auf Antrag der Ermittler eine Aussage durch eine Ethikkommission treffen können und müssen, die die Verhältnismäßigkeit dieser Methodik einschätzt."
Diese Ethikkommission soll sich aus Juristen, Polizeivertretern, Ethikern und Wissenschaftlern zusammensetzen. Der Kölner Rechtsmediziner Peter Schneider findet den Vorschlag einer Ethikkommission interessant. Weiter ungeklärt, aber entscheidend ist für ihn die Frage, wann die erweitere DNA-Analyse überhaupt zum Einsatz kommen soll.
"Ich fände es zum Beispiel auch nicht gut, wenn man diese Methoden flächendeckend für jegliche Straftat freigeben würde. Ich denke schon, dass das ein Mittel ist für Fälle, die sich auf anderem Wege nicht weiter ermitteln lassen und dass man das beschränken sollte auf schwere Straftaten."