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Strahlendes Gepäck

Sicherheit.- Die Gefahr eines nuklearen Terroranschlags ist nach Meinung vieler Experten eine der größten Sicherheitsbedrohungen weltweit. Aber wie lässt sich verhindern, dass Terroristen früher oder später genügend strahlendes Material für den Bau einer improvisierten Kernwaffe in die Finger bekommen?

Von Ralf Krauter | 12.04.2010
    Auf den ersten Blick sieht die mannshohe weiße Säule in der Versuchshalle in Euskirchen unscheinbar aus. Aber sie hat es in sich. Spezielle Kristalle darin senden Lichtblitze aus, sobald Gammastrahlen darauf fallen, erklärt der Physiker Dr. Wolfgang Rosenstock vom Fraunhofer-Institut für naturwissenschaftlich-technische Trendanalysen INT.

    "Sobald ich in einem gewissen Abstand mit radioaktivem Material hier vorbeikomme, wird die Strahlung da registriert. Da ist ein sehr großer Natrium-Iodid-Detektor drin. Im Prinzip ist das so, dass durch Strahlung dort dann ein Leuchten erzeugt wird, was von Photomultipliern oder Photodioden gemessen wird."

    Wolfgang Rosenstock ist Spezialist fürs Aufspüren strahlender Schmuggelware. In einem EU-Projekt arbeitet er daran, Europas Grenzen zur Ukraine dicht zu machen für illegale Transporte radioaktiver Fracht. Portalscanner, wie jene Säule, die er kürzlich getestet hat, stehen mittlerweile an vielen Flughäfen und Grenzübergängen. Ihre Aufgabe: Bösewichte mit nuklearem Sprengstoff im Gepäck aufspüren, bevor sie Schaden anrichten können.

    "Wir haben Untersuchungen durchgeführt, dass mit einer normalen Gammaprüfquelle, die in einem Fahrzeug war, das auch noch gemessen wird, wenn das Fahrzeug mit Geschwindigkeiten von 40 bis 60 Stundenkilometern in einem Abstand von zwei Metern daran vorbei fährt. Ist also relativ empfindlich. Daher kommt eben auch die Problematik mit den Bananen. Weil: Bananen sind ja nicht so radioaktiv, dass man sagt, ich muss mich davor schützen."

    Auch Bananen emittieren Gammastrahlen, genau wie Kunstdünger und Keramikprodukte. Heutige Portalscanner schlagen deshalb häufig bei harmloser Fracht Alarm. Für effiziente Grenzkontrollen ein Handicap. Dazu müssten die Strahlenscanner harmlose Fracht automatisch von gefährlicher - wie hoch angereichertem Uran oder Plutonium – unterscheiden können. Unter dem Schlagwort Advanced Portal Monitors werden solche intelligenten Portalscanner derzeit entwickelt, erklärt der Nuklearsicherheitsexperte Adam Bacheller von der internationalen Atomenergiebehörde.

    "Die zusätzliche Information wird aus dem Energiespektrum der Gammastrahlung gewonnen. Empfindliche Halbleiterdetektoren können dieses Spektrum präzise messen. Weil es wie eine Art strahlender Fingerabdruck ist, lässt sich daraus ablesen, welches Material vorliegt. Sie können also nicht nur feststellen: Da ist etwas, das strahlt, sondern sie können genau sagen, was da strahlt. So lassen sich überflüssige Kontrollen vermeiden."

    Aber noch halten die Geräte nicht, was die Hersteller versprechen. So das Ergebnis eines 2008 durchgeführten Tests in den USA, wo man große Hoffnungen in die neue Technologie gesetzt hat. Bis 2015 sollten weltweit 100 Containerhäfen damit ausgestattet werden, um die Hälfte aller Frachtboxen weltweit auf strahlenden Stoff zu prüfen.

    "Es klingt vielversprechend, aber das Screenen von Containern ist eine extreme Herausforderung. Versuchen Sie mal zu erraten, was in einem Weihnachtspäckchen steckt, indem sie es nur anschauen. Das ist sehr schwierig. Die intelligenten Portalscanner, die das ermöglichen könnten, sind leider noch nicht ausgereift."

    Selbst wenn die Technik so weit verfeinert wäre, dass sie zuverlässig und bezahlbar wäre: Schlaue Schurken könnten auch die neuen Strahlenmesser irgendwie austricksen, zum Beispiel indem sie die radioaktive Fracht clever abschirmen, warnt Fraunhofer-Forscher Wolfgang Rosenstock.

    "Eine 100-prozentige Lösung ist es nicht. Weil, man muss sich auch überlegen: Wenn ein Täter schon den Bau einer schmutzigen Bombe, also mit radioaktivem Material, überlegt oder gar den Einsatz einer selbst gebauten Kernwaffe, der wird auch noch ein Bisschen mehr nachdenken. Und ob das da hilfreich ist? Da möchte ich ein extrem großes Fragezeichen dahinter setzen."