Die Luft flirrt vor Hitze, als die riesigen Räder des blaulackierten Traktors ganz langsam über die Sickter Hauptstraße rollen. Mit seinem gelben Anhänger, auf den die Worte: Niemals aufgeben!" gesprüht sind, ist er der erste von fast 150 Treckern, Kleinlastern, Motorrädern, Schleppern und Fahrrädern, die sich in einer langen Schlange gegenüber der Schule aufstellen. Der kleine Ort Sickte in Niedersachsen liegt nur fünf Kilometer entfernt von der Asse – dem maroden Atommülllager, das vor allem durch die vielen Pannen und Versäumnisse für Schlagzeilen gesorgt hat. An diesem Tag macht in Sickte der Anti-Atom-Treck Station. Viele Sickter haben sich zum Empfang an den Straßenrand gestellt, klatschen und winken. Die Schulband spielt, und unter einem blau-weiß gestreiften Zeltdach ist eine lange Tortentafel aufgebaut. Angelika Herzog hat zwei Zwetschgen-Kuchen beigesteuert.
"Das ist natürlich eine ganz tolle Sache, dass die sich die Zeit nehmen. Die sind seit 30 Jahren im Widerstand. Wir auch, aber nicht so populär wie die, und das ist ein klasse Vorbild. Und dass es sich lohnt. Dass vielleicht Gorleben jetzt kippt, und dass sich 30 Jahre gelohnt haben – wir empfangen Sie gerne. Wenigstens mit Kaffee und Kuchen heute."
"So, jetzt wollen wir mal ein bisschen aufbauen hier, die Bühne aufbauen."
Helmut Behning wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht und rückt die Brille zurecht. Seit dem Wochenende ist der 51-Jährige mit seinem grünen Trecker und der mobilen Kundgebungsbühne unterwegs. Jetzt gönnt er sich eine Pause in Sickte und ein Stück Kuchen. Behning ist schon lange bei den Gorleben-Protesten dabei, und wenn er darüber erzählt, dann grinst der schlanke große Mann schelmisch. Schon als der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht 1977 verkündete, im Wendland ein nukleares Entsorgungszentrum errichten zu wollen, ging er gemeinsam mit anderen auf die Straße. Und so war es auch selbstverständlich für den pharmazeutischen Kaufmann am vergangenen Sonnabend auf den Traktor zu steigen, als der Treck in Gorleben vor dem Erkundungsbergwerk gestartet ist.
"Ich bin heute mit dabei, weil ich die Hoffnung hab, dass wir so viel Druck aufbauen können, dass Frau Merkel sagen wird, Gorleben ist politisch nicht durchsetzbar. Es geht hier um meine Heimat. Ich bin gerne hier, und ich will hier auch bleiben, und ich will auch, dass meine Kinder hier bleiben – hier bleiben können."
Helmut Behning und seine Mitstreiter fordern seit Jahren den Stopp aller Atomkraftwerke und das Aus für die Pläne von CDU und FDP, den Salzstock in Gorleben eines Tages als Endlager für hoch radioaktives Material zu nutzen. Seit 2000 gilt für Gorleben ein sogenanntes Erkundungsmoratorium, das heißt, es wird derzeit auf seine Eignung hin untersucht. Geht es nach den Christdemokraten, soll das so schnell wie möglich aufgehoben werden, sagt Maria Flachsbarth Endlager-Expertin der Union.
"Es ist inzwischen viel Geld investiert worden, 1,5 Mrd. Euro, das Ganze kommt von den Stromkunden, also nicht von irgendwelchen namenlosen Menschen oder Konzernen, sondern letztendlich von den Kunden. Und es liegen bislang keine Ergebnisse vor, die die Nichteignung von Gorleben festschreiben würden und von daher sollte aus unserer Sicht dieser Salzstock tatsächlich weiter erkundet werden."
Das sehen die Atomkraftgegner anders. Jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, sind Dokumente aufgetaucht, wonach Zwischenberichte zur Eignung des Salzstockes geschönt worden sein sollen. Außerdem berichtet ein Geologe, der mit dem damaligen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht zu tun hatte, dass die Standortwahl Gorlebens nicht wissenschaftlich fundiert, sondern politisch motiviert gewesen sein soll. Treibstoff für die, die seit dem Wochenende mit Tempo 25 quer durch Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg nach Berlin tuckern. "Strahlst Du noch oder lachst du schon?", "Sicher ist nur das Risiko" oder "Atomkraft abwählen" steht auf den Transparenten der Treck-Fahrzeuge. Und auch Helmut Behnings Traktor schmückt ein selbst geschriebenes Plakat. Sinngemäß heißt es darauf, ruhige Bürger seien unnütze Bürger. Damit kann der 51-Jährige kaum sich gemeint haben. Ob Sitzblockade oder ans Gleisanketten beim Castor-Transport – der Kaufmann ist immer mit dabei, wenn es um den Gorleben-Widerstand geht. Dafür brennt das Thema zu sehr unter den Nägeln.
"Das Zeug wird einfach verbuddelt und aus den Augen, aus dem Sinn. Und in 40 Jahren fällt der Mist zusammen und dann heißt es: Ja, hätten die mal – damals! Genau, wie es heute in der Asse ist. Da wurde Versturztechnik probiert, weiß keiner wofür, und heute hat da keiner mehr Verantwortung. Dann sollen die bitteschön den Mist abschalten. Wir brauchen die Atomenergie nicht."
Klar, dass Helmut Behning mitmacht, als die Anti-Atom-Treck-Teilnehmer kurzerhand eine Straße am Schacht Konrad bei Salzgitter blockieren, dem bisher einzigen genehmigten Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall in Deutschland. Und als sie am nächsten Tag für eine Stunde den Förderturm des Atommülllagers Asse besetzen, gehört der grauhaarige drahtige Mann auch nicht zu denen, die sich zurückhalten. Doch Ausbrüche zivilen Ungehorsams sind beim Anti-Atom-Treck eher symbolischer Natur, die meiste Zeit geht es regelkonform zu, schließlich wollen die Atomkraftgegner auf ihrem Weg nach Berlin möglichst viele Unterstützer finden. Bis zu 700 Teilnehmer umfasst der Treck an manchen Tagen.
"Der hinter mir fährt, ist Arzt, der einen weiter fährt, hat ein Sanitätshaus, der nächste ist bei der Raiffeisen-Waren-Genossenschaft, es sind Schlosser dabei, es sind Bauern dabei, aus allen Berufsschichten, aus allen Altersgruppen von 18 bis 80 – alle haben dasselbe Problem."
Und dieses Problem – Atomkraft – treibt nicht nur die Menschen aus dem Wendland um. Während der Fahrt entlang an den Endlagern Schacht Konrad, Asse und Morsleben treffen die Anti-Atom-Trecker auf viele Mitstreiter, die sich ebenfalls konfrontiert sehen mit der ungelösten Frage der Endlagerproblematik. Der Zuspruch ist groß, hat Helmut Behning festgestellt. Nach ein paar Tagen auf dem Trecker, teilweise während glühender Hitze, und ein paar Nächten im Zelt ist dem 51-Jährigen die Anstrengung zwar anzusehen, doch das mache ihm nichts aus, versichert der Wendländer. Jetzt geht's zum Endspurt nach Berlin, wo nach Erwartung der Bürgerinitiativen und Umweltverbände am Samstagmittag Zehntausende vor dem Brandenburger Tor gegen Atomkraft protestieren sollen.
"Jetzt haben wir den Schrott am Schacht Konrad gesehen, den größeren Schrott an der Asse, den noch größeren Schrott in Morsleben und jetzt kann es eigentlich nur noch heißen: Auf nach Berlin und der Kanzlerin sagen: 'Keine weitere Produktion von Atommüll mehr'."
"Das ist natürlich eine ganz tolle Sache, dass die sich die Zeit nehmen. Die sind seit 30 Jahren im Widerstand. Wir auch, aber nicht so populär wie die, und das ist ein klasse Vorbild. Und dass es sich lohnt. Dass vielleicht Gorleben jetzt kippt, und dass sich 30 Jahre gelohnt haben – wir empfangen Sie gerne. Wenigstens mit Kaffee und Kuchen heute."
"So, jetzt wollen wir mal ein bisschen aufbauen hier, die Bühne aufbauen."
Helmut Behning wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht und rückt die Brille zurecht. Seit dem Wochenende ist der 51-Jährige mit seinem grünen Trecker und der mobilen Kundgebungsbühne unterwegs. Jetzt gönnt er sich eine Pause in Sickte und ein Stück Kuchen. Behning ist schon lange bei den Gorleben-Protesten dabei, und wenn er darüber erzählt, dann grinst der schlanke große Mann schelmisch. Schon als der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht 1977 verkündete, im Wendland ein nukleares Entsorgungszentrum errichten zu wollen, ging er gemeinsam mit anderen auf die Straße. Und so war es auch selbstverständlich für den pharmazeutischen Kaufmann am vergangenen Sonnabend auf den Traktor zu steigen, als der Treck in Gorleben vor dem Erkundungsbergwerk gestartet ist.
"Ich bin heute mit dabei, weil ich die Hoffnung hab, dass wir so viel Druck aufbauen können, dass Frau Merkel sagen wird, Gorleben ist politisch nicht durchsetzbar. Es geht hier um meine Heimat. Ich bin gerne hier, und ich will hier auch bleiben, und ich will auch, dass meine Kinder hier bleiben – hier bleiben können."
Helmut Behning und seine Mitstreiter fordern seit Jahren den Stopp aller Atomkraftwerke und das Aus für die Pläne von CDU und FDP, den Salzstock in Gorleben eines Tages als Endlager für hoch radioaktives Material zu nutzen. Seit 2000 gilt für Gorleben ein sogenanntes Erkundungsmoratorium, das heißt, es wird derzeit auf seine Eignung hin untersucht. Geht es nach den Christdemokraten, soll das so schnell wie möglich aufgehoben werden, sagt Maria Flachsbarth Endlager-Expertin der Union.
"Es ist inzwischen viel Geld investiert worden, 1,5 Mrd. Euro, das Ganze kommt von den Stromkunden, also nicht von irgendwelchen namenlosen Menschen oder Konzernen, sondern letztendlich von den Kunden. Und es liegen bislang keine Ergebnisse vor, die die Nichteignung von Gorleben festschreiben würden und von daher sollte aus unserer Sicht dieser Salzstock tatsächlich weiter erkundet werden."
Das sehen die Atomkraftgegner anders. Jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, sind Dokumente aufgetaucht, wonach Zwischenberichte zur Eignung des Salzstockes geschönt worden sein sollen. Außerdem berichtet ein Geologe, der mit dem damaligen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht zu tun hatte, dass die Standortwahl Gorlebens nicht wissenschaftlich fundiert, sondern politisch motiviert gewesen sein soll. Treibstoff für die, die seit dem Wochenende mit Tempo 25 quer durch Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg nach Berlin tuckern. "Strahlst Du noch oder lachst du schon?", "Sicher ist nur das Risiko" oder "Atomkraft abwählen" steht auf den Transparenten der Treck-Fahrzeuge. Und auch Helmut Behnings Traktor schmückt ein selbst geschriebenes Plakat. Sinngemäß heißt es darauf, ruhige Bürger seien unnütze Bürger. Damit kann der 51-Jährige kaum sich gemeint haben. Ob Sitzblockade oder ans Gleisanketten beim Castor-Transport – der Kaufmann ist immer mit dabei, wenn es um den Gorleben-Widerstand geht. Dafür brennt das Thema zu sehr unter den Nägeln.
"Das Zeug wird einfach verbuddelt und aus den Augen, aus dem Sinn. Und in 40 Jahren fällt der Mist zusammen und dann heißt es: Ja, hätten die mal – damals! Genau, wie es heute in der Asse ist. Da wurde Versturztechnik probiert, weiß keiner wofür, und heute hat da keiner mehr Verantwortung. Dann sollen die bitteschön den Mist abschalten. Wir brauchen die Atomenergie nicht."
Klar, dass Helmut Behning mitmacht, als die Anti-Atom-Treck-Teilnehmer kurzerhand eine Straße am Schacht Konrad bei Salzgitter blockieren, dem bisher einzigen genehmigten Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall in Deutschland. Und als sie am nächsten Tag für eine Stunde den Förderturm des Atommülllagers Asse besetzen, gehört der grauhaarige drahtige Mann auch nicht zu denen, die sich zurückhalten. Doch Ausbrüche zivilen Ungehorsams sind beim Anti-Atom-Treck eher symbolischer Natur, die meiste Zeit geht es regelkonform zu, schließlich wollen die Atomkraftgegner auf ihrem Weg nach Berlin möglichst viele Unterstützer finden. Bis zu 700 Teilnehmer umfasst der Treck an manchen Tagen.
"Der hinter mir fährt, ist Arzt, der einen weiter fährt, hat ein Sanitätshaus, der nächste ist bei der Raiffeisen-Waren-Genossenschaft, es sind Schlosser dabei, es sind Bauern dabei, aus allen Berufsschichten, aus allen Altersgruppen von 18 bis 80 – alle haben dasselbe Problem."
Und dieses Problem – Atomkraft – treibt nicht nur die Menschen aus dem Wendland um. Während der Fahrt entlang an den Endlagern Schacht Konrad, Asse und Morsleben treffen die Anti-Atom-Trecker auf viele Mitstreiter, die sich ebenfalls konfrontiert sehen mit der ungelösten Frage der Endlagerproblematik. Der Zuspruch ist groß, hat Helmut Behning festgestellt. Nach ein paar Tagen auf dem Trecker, teilweise während glühender Hitze, und ein paar Nächten im Zelt ist dem 51-Jährigen die Anstrengung zwar anzusehen, doch das mache ihm nichts aus, versichert der Wendländer. Jetzt geht's zum Endspurt nach Berlin, wo nach Erwartung der Bürgerinitiativen und Umweltverbände am Samstagmittag Zehntausende vor dem Brandenburger Tor gegen Atomkraft protestieren sollen.
"Jetzt haben wir den Schrott am Schacht Konrad gesehen, den größeren Schrott an der Asse, den noch größeren Schrott in Morsleben und jetzt kann es eigentlich nur noch heißen: Auf nach Berlin und der Kanzlerin sagen: 'Keine weitere Produktion von Atommüll mehr'."