Archiv

Straßenbau-Milliardenprogramm
"Ein Betrug am Wähler"

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann hat im DLF das milliardenschwere Straßenbau-Programm des Bundes kritisiert: "in der Summe zu wenig und zu spät". Zudem handele es sich um Mittel, die schon länger bereitstünden und deren Verteilung jetzt lediglich konkretisiert werde.

Winfried Hermann im Gespräch mit Thielko Grieß |
    Winfried Hermann, baden-württembergischer Verkehrsminister, sitzt während eines Interviews in seinem Büro im Ministerium.
    "Für Insider nichts Neues": Baden Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) zu den Investitionsplänen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). (imago/Lichtgut)
    Halte man die schwarze Null im Haushalt und benutze stattdessen privates Kapital, so müsse der Steuerzahler durch die Rendite der Investoren letztlich mehr Geld bezahlen, betonte Hermann im Interview mit dem Deutschlandfunk. Darüber hinaus sprach er sich für eine Ausweitung der Lkw-Maut aus. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe die Zeit mit der Planung einer Pkw-Maut "verplempert", statt die Maut für Lkws auszubauen, kritisierte Hermann.
    "Probleme der Kommunen völlig vergessen"
    Zudem sei es Bundesverkehrsminister Dobrindt gelungen, den Anschein zu erwecken, dass es bei den Investitionsplänen für den Straßenbau um neue Milliarden gehe, sagte der Grünen-Politiker. Tatsächlich handele es sich aber um Mittel, die schon länger bereitstünden und deren Verteilung jetzt lediglich konkretisiert werde. Auch die Summe liege weit hinter dem zurück, was die Verkehrskommissionen der Länder geplant hätten, kritisierte Hermann. Eigentlich würden 7,2 Milliarden pro Jahr gebraucht.
    Der CSU-Politiker Dobrindt will heute offiziell verkünden, wofür das Geld konkret ausgegeben wird. 1,5 Milliarden Euro stehen für Lückenschlüsse bei Autobahnen und Bundesstraßen bereit, 700 Millionen Euro für Neubauprojekte und 500 Millionen Euro für Modernisierungen. Zudem wird das Brückensanierungsprogramm von einer auf 1,5 Milliarden Euro aufgestockt.

    Das Interview in voller Länge:
    Thielko Grieß: Wenn Sie häufiger mit dem Auto zum Beispiel auf der A99 bei München unterwegs sind oder im Norden auf der A7 bei Hamburg und den Stau dort fürchten gelernt haben, dann könnte diese Nachricht helfen, zumindest der Stimmung: In diesen Abschnitten und noch einigen anderen soll schon bald gebaut werden. Ausbau, Sanierung, das sind die Stichworte. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU hat gestern bekannt gegeben, diese Projekte würden nun mit Milliarden Steuergeldern und Geldern aus der ausgeweiteten Lkw-Maut angegangen. Aber das sind keine neuen Steuermilliarden, diese Töpfe waren schon geplant. Am Telefon ist jetzt Winfried Hermann, grüner Verkehrsminister Baden Württembergs. Guten Morgen, Herr Hermann!
    Winfried Hermann: Guten Morgen!
    "Es ist in der Summe zu wenig, es kommt zu spät"
    Grieß: Ich habe es gesagt, die Töpfe waren schon geplant. Ist die Luft damit raus aus der Nachricht?
    Hermann: Na, es ist ihm zumindest gelungen, dem Bundesverkehrsminister, in den Medien den Anschein zu erwecken, als hätte er nochmals neue Milliarden. Tatsächlich hat er diesen sogenannten Investitionshochlauf schon seit über einem Jahr immer wieder verkündet. Und das sind ja jetzt nur die Umsetzungsvorstellungen der Haushaltsbeschlüsse des Bundestages. Also insofern für Insider nichts Neues, aber für viele erfreulich und irritierend, weil sie denken, jetzt kommt so richtig die große Geldlawine. So ist es aber nicht. Aus Sicht der Länder kann man sagen, endlich kommt es. Es ist in der Summe zu wenig, es kommt zu spät, es ist sehr straßenlastig und völlig vergessen worden, die Schwierigkeiten der Kommunen.
    Grieß: Sprechen wir im Einzelnen mal drüber: Bei Ihnen in Baden-Württemberg soll ja auch gebaut werden, das habe ich gerade nicht erwähnt, auf der A6 zwischen Krailsheim und Heilbronn. Das ist aber schon in Ordnung, da ein Schild aufzustellen?
    Hermann: Na, das soll ja nicht gebaut werden -
    Grieß: Ausgebaut, sechs Streifen.
    Hermann: - das soll ein Ausbauprojekt sein, dass er nicht finanzieren kann, deswegen versucht er das über die ÖPP-Methode, wie übrigens überhaupt der größte Teil der Finanzierungsprobleme versucht der Bundesverkehrsminister mit dieser ÖPP-Finanzierungsform zu realisieren. In der Summe muss ich einfach noch mal deutlich machen, was angekündigt ist, ist weit hinter dem zurückliegend, was die beiden Verkehrskommissionen der Länder in den letzten Jahren erarbeitet haben. Dort ist sehr deutlich herausgearbeitet und unwidersprochen vom Bund, dass wir eigentlich pro Jahr 7,2 Milliarden bräuchten, um nur zu erhalten und nachholend zu sanieren, was in den letzten 15 Jahren versäumt worden ist. Und das gilt für alle Verkehrsträger. Und meine Sorge ist, dass der Bundesverkehrsminister sich allzu sehr auf die Straßen konzentriert und vergisst, dass wir auch Wasserstraßen haben, Schleusen, die saniert werden müssen, dass im Schienenbereich saniert werden muss, vor allem im kommunalen Bereich. Da gibt es derzeit überhaupt keine Finanzierungsperspektive, denn die früheren Instrumente laufen alle aus, und die Koalition hat bisher ...
    "Die Länder haben einen konkreten Vorschlag gemacht"
    Grieß: Herr Hermann, wo soll das Geld denn herkommen? Haben Sie eine Druckerpresse in Stuttgart irgendwo im Keller?
    Hermann: Die Länder haben ja einen konkreten Vorschlag gemacht. Einerseits soll der Bund deutlicher die Mittel aus dem Haushalt erhöhen, denn man hat eben in den letzten Jahren zu wenig ausgegeben, vor allen Dingen im Vergleich zu dem, was die Last ist. Und die Steuern aus dem Verkehrsbereich bringen ja sehr viel mehr Geld ein, als der Bund ausgibt in diesem Bereich. Zweitens haben die Länder vorgeschlagen, die Lkw-Maut deutlich auszuweiten und aufs ganze Netz. Da ist der Bundesverkehrsminister schwer im Verzug und hat nur einen Teil der Strecken, einen sehr viel kleineren Teil der Strecken ausgewiesen. Und wenn man das zusammen konsequent machen würde, dann hätten wir schon ziemlich viel Geld und -
    "Über Jahre zu wenig ausgegeben"
    Grieß: Aber dann war es das mit der schwarzen Null im Bundeshaushalt.
    Hermann: Nein. Zum Teil hätte man es anders machen müssen. Übrigens, die Lkw-Maut hat mit der schwarzen Null gar nichts zu tun.
    Grieß: Nein, die nicht, aber Sie hatten ja auch Steuermilliarden verlangt, die müsste ja letztlich Wolfgang Schäuble bereitstellen.
    Hermann: Ja, 2,8 Milliarden haben wir zusätzlich verlangt -
    Grieß: Und der ist als anständiger Badener ja nicht so freigiebig.
    Hermann: Ja, aber jetzt nochmals: Es ist so, dass wir über Jahre weg zu wenig ausgegeben haben aus diesem Bereich. Und der Bund hat natürlich auch Wahlmöglichkeiten. Im Übrigen hat der Bundesverkehrsminister jetzt ein Jahr verplempert mit seiner Pkw-Ausländermaut. Er hätte sich konzentrieren müssen auf die Einnahmen, die im Lkw-Bereich zu holen sind und wo es einen klaren Konsens gibt, weil die Lkws tatsächlich unsere Straßen und Brücken ruinieren, belasten und kaputt fahren und da ist es auch sehr berechtigt, das ist auch von jedem einsichtig. Und die Länder haben sich übrigens tatsächlich schon Gedanken gemacht, wie man die Nutzungsfinanzierung verbessern kann, aber wir haben uns nicht auf eine Pkw-Maut verständigen können.
    "Es geht auch anders, und es geht auch verlässlich"
    Grieß: Sie haben es gerade angesprochen. Alexander Dobrindt will auch einige Projekte auf den Weg bringen, die Private mit reinholen, privates Kapital. Sie sind kategorisch dagegen. Ich verstehe überhaupt nicht, warum.
    Hermann: Ich bin nicht kategorisch dagegen, sondern ich weise, wie auch übrigens der Bundesrechnungshof und zahlreiche Landesrechnungshöfe, darauf hin, dass es irgendwie ein Betrug am Wähler ist, wenn man auf der einen Seite sagt, wir wollen die schwarze Null im Haushalt, und andererseits dann eine Privatisierungswelle anschiebt, die da lautet, wir geben Privaten auf 30 Jahre hinaus eine garantierte Einnahme über die Maut, und gleichzeitig können die dann das ganze Projekt finanzieren, sicher finanzieren, verlässlich finanzieren, und sie haben noch Gewinne.
    Und da ist halt bei verschiedenen Berechnungen herausgekommen, dass, wenn Private das finanzieren, dann müssen sie erstens mehr Zinsen bezahlen als die öffentliche Hand, und zweitens wollen sie auch noch eine Rendite haben. Und insofern ist es in der Summe für den Steuerzahler sehr viel teurer, als wenn der Staat selber aus Fonds - wir haben ja auch als Länderminister vorgeschlagen, der Bund soll Fonds bilden, aber dann selber sozusagen Fondsmanager werden, also die öffentliche Hand als Fondsmanager, und nicht Private, die dann eben private Rendite erzielen. Also, es geht auch anders, und es geht auch verlässlich. Was mir vor allem sehr wichtig ist aus Ländersicht: Diese ständigen Ankündigungen, dann Programm ein, zwei, drei Jahre, das ist für uns schwer handelbar. Die Länder brauchen eine verlässliche, mindestens auf zehn, 15 Jahre angelegte Sanierungsperspektive, damit sie das Personal aufbauen können.
    Grieß: Ja. Aber Sie haben ja bei Ihnen in Baden-Württemberg auch Haushaltspolitiker, die werden Ihnen sagen, wir können hier nicht für 15 Jahre Straßen planen und die Finanzierung. Wir wissen ja noch nicht einmal, wie der Haushalt in zwei Jahren aussieht.
    Hermann: Deswegen sagen wir ja schon lange, im Verkehrsbereich brauchen wir überjährige Finanzierungsinstrumente, die nicht der Jährlichkeit von Parlamentsentscheidungen unterliegen, weil eben zwanghaft die Kosten im Bereich der Infrastruktur anfallen. Deswegen ja auch die Überlegung, dass man überjährige Fonds hat, die durchaus auch von den Parlamentariern mit kontrolliert werden können. Also das ist ja alles schon längere Zeit in der Diskussion. Und davon macht er keinen Gebrauch.
    Grieß: Sagt Winfried Hermann, grüner Verkehrsminister in Baden-Württemberg, zur Verkehrspolitik seines Kollegen im Bundesverkehrsministerium, Alexander Dobrindt von der CSU. Herr Hermann, Danke schön für dieses Gespräch heute Morgen, einen schönen Tag!
    Hermann: Ja, gleichfalls. Tschüs!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.