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Straßenmusik in London
"Wenn du nicht gut bist, bekommst du keine Lizenz"

Straßenmusiker in London gehören eigentlich zum Stadtbild. Doch Lizenzen für Street Performer sind rar. Rund 4000 Musiker bewerben sich alle zwei Jahre auf die begehrten Plätze.

Von Friedbert Meurer |
    London
    Straßenmusiker in einer U-Bahnstation in London. ( imago/Xinhua)
    Der U-Bahnhof South Kensington, von hier führt ein unterirdischer Gang direkt zum Victoria and Albert Museum. In der Mitte der Passage spielt heute George O'Kai, ein Veteran der Londoner Straßenmusiker. Er kommt ursprünglich aus Ghana, ist schwarz und über 70 Jahre alt. Das Lied "Ein treuer Husar" hat er während seiner Zeit in Deutschland kennengelernt.
    "Ich war in Düsseldorf, Wuppertal und Köln. Ich war in Neuss am Rhein, Remscheid, Koblenz. Ich spielte damals Klavier. Auch in Berlin, ich bin Berliner."
    Das mit dem Berliner ist natürlich ein Scherz. George, graue Stoffhose, graue Blousonjacke, schwarze Schirmmütze, kam als Kind nach London, als die Briten Ghana in die Unabhängigkeit entließen.
    "Das ist schon lange her, als ich nach London kam aus der britischen Kolonie, sie hieß damals Goldküste. Aus der Zeit habe ich meinen britischen Pass. Ich bin ziemlich herumgekommen."
    Viele Bewerber, wenig Lizenzen
    Das Publikum, das hier Richtung Museen strömt, ist international. George passt seine Musik den vielen Nationen an. Er gehört zu den nur 280 Straßenmusikern, die eine Lizenz der TfL haben, der Transport for London, die die U-Bahnen betreibt. Verteilt auf die U-Bahnhöfe gibt es nur 39 Pitches, Plätze, halbkreis-förmig sind sie auf den Boden gemalt. Alle zwei Jahre werden einige Lizenzen frei, dafür bewerben sich dann bis zu 4000 Musiker, die vorspielen müssen.
    "Ich hab diese Lizenz. Wenn du die nicht hast, musst du dir irgendwo in der Stadt einen Platz suchen. Sie laden gute Musiker zum Vorspielen ein, wenn du nicht gut bist, bekommst du keine Lizenz."
    Eine Lizenz hat auch Matthew, der nahe der Themse am Bahnhof Embankment Gitarre spielt. Den Slot am späten Abend, es ist schon 22 Uhr, hat er für zwei Stunden gebucht. Matthew ist auch dunkelhäutig, Anfang 30, in London aufgewachsen – er heißt auch nicht Matthew, seinen richtigen Namen will er aber nicht sagen.
    "Ich sage nie, wie ich heiße. Es geht nicht um das Ego oder die Person oder welche Biographie jemand hat. Ich spiele nur Musik, das ist es. Ich will ein wenig Freude bereiten. In dieser Zeit, wo die Welt verrückt ist und in Aufruhr, da will ich einfach etwas Schönes spielen. Das Stück eben, das hat jemand in Deutschland 1975 aufgenommen."
    Einnahmen variieren häufig
    Ein junges Paar kommt vorbei und wirft Matthew ein paar Münzen in seinen Gitarrenkoffer. Wenn es gut läuft, kann man bis zu 20 Pfund die Stunde verdienen – wenn es schlecht läuft, wird einem das Geld geklaut. Der junge Mann, der gerade ein paar Münzen gespendet hat, entpuppt sich selbst als Straßenmusiker. Alex heißt er, aus Southwark südlich der Themse. Großes Hallo, Matthew leiht ihm seine Gitarre aus. Alex spielt anders als Matthew bekannte Titel. Wenn man dazu singt, bekäme man auch mehr Geld von den Leuten.
    "Ich spiele freitags und samstags an der London Bridge." "Findest du das sicher?" fragt Matthew. "Die Leute passen auf mich auf", entgegnet Alex. "Ich hatte noch nie Probleme da. "Das kann schon ein bisschen schwierig sein", erzählt Matthew, "pass auf die Kerle mit den Pitbulls auf."
    Jetzt fachsimpeln Matthew und Alex über ihre Musik. Klassikmusik laufe auch gut. "Der Typ damals an einem heißen Nachmittag. Ich dachte, wau!" Alex meint: "Deswegen mache ich das gerne, auf der Straße. Wie kann ich noch besser werden und mehr Geld verdienen." Matthew entgegnet: "Das sehe ich absolut anders. Es geht nicht ums Geld. Wie kann ich noch besser Gitarre spielen, das ja. Das zählt."