Welcher Sportverband und welche Städte sich wann für Großveranstaltungen wie Welt- oder Europameisterschaften bewerben, dafür gibt es in Deutschland bisher keine übergreifende politische Strategie, obwohl auch Steuergeld in die Organisation solcher Veranstaltungen fließt.
Auch deshalb haben Bundesinneministerium und Deutscher Olympischer Sportbund die "Nationale Strategie Sportgroßveranstaltungen" vorgestellt – nach vielen Monaten Diskussionen zwischen den Beteiligten.
"Gemeinsam. Mehr. Wirkung." Dieser Slogan soll das Ziel der Strategie verdeutlichen. Deutschland soll weiterhin einer der führenden Austragungsorte für Welt- und Europameisterschaften bleiben.
Gleichzeitig wird in der Strategie formuliert, warum das überhaupt wünschenswert sein soll: Sportgroßveranstaltungen sollen zum Beispiel Impulse im Breiten- und Spitzensport setzen, das Ansehen Deutschlands in der Welt verbessern und Nachhaltigkeitsziele unterstützen.
Sportgroßveranstaltungen für den Zusammenhalt der Gesellschaft
Auch wie eine Bewerbung in Zukunft ablaufen sollte, wird skizziert. Wichtiger Baustein hier: der Dialog mit der Öffentlichkeit, um die "Begeisterung für Sportgroßveranstaltungen zu steigern", wie es in dem Papier heißt.
Die Strategie und auch finanzielle Hilfen für Sportgroßveranstaltungen machten Sinn, "weil ich der Überzeugung bin, dass Sportgroßveranstaltungen wie vielleicht kaum andere Ereignisse in unserer heterogenen und pluralen Gesellschaft noch in der Lage sind, einerseits den innerlichen Zusammenhalt einer Gesellschaft zu stärken (...) aber auch ein positives Bild unseres Landes ins Ausland zu tragen", sagt der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer.
Sinnvoll auch ohne Olympiabewerbung
Olympia und andere große Meisterschaften müsse man allerdings trennen, meint Mayer: "Diese nationale Strategie hat auch nicht das Ziel, dass wir uns am Ende für Olympische Spiele bewerben. Es kann das Ergebnis sein, aber es muss nicht das Ergebnis sein."
Wichtig sei ihm bei der Erarbeitung gewesen, dass die Strategie auch ohne eine Bewerbung um Olympische Spiele Sinn mache. Im Papier sind Spiele in Deutschland auch nicht als Ziel genannt - obwohl im Koalitionsvertrag das Ziel, Olympische Spiele nach Deutschland zu holen, explizit genannt wird.
Entscheidende Punkte bleiben in der Strategie offen: Vor allem, wie die Strategie umgesetzt werden soll, ist unklar. In Kanada, Großbritannien und Dänemark kümmern sich zum Beispiel nicht mehr die einzelnen Sportverbände um eine Bewerbung. Stattdessen werden alle Bewerbungen bei einer zentralen Organisation gebündelt, die durch die jeweilige Regierung kontrolliert wird. Gegen eine zentrale, staatliche Stelle für Bewerbungen wehrt sich hierzulande aber der organisierte Sport.
Mayer betont, dass er keinen vom Innenministerium geleiteten "Staatssport" wolle. Für ihn sei es wichtig, die Autonomie des Sports zu wahren. Die Strategie solle einen Instrumentenkasten bieten, den Sportfachverbände nutzen könnten, aber nicht müssten.
Olympische Spiele 2036 haben "großes Verhetzungspotenzial"
Wo eine Servicestelle, die die Fachverbände unterstützen soll, angesiedelt wird und wer sie bezahlt, steht noch nicht in der Strategie. Das solle in einem weiteren Schritt zum Ende des Jahres geklärt werden, sagt Mayer.
Trotz der ungeklärten Fragen hält der Sportökonom Holger Preuß das Papier für vergleichbar mit Strategien anderer Länder. Andere Expertinnen und Experten kritisieren die Vorlage hingegen. Sylvia Schenck von Transparency International nennt das Papier ein "bürokratisches Monstrum". Und andere Sachverständige haben im Bundestag sogar gefordert, das Dokument nochmal komplett neu zu überarbeiten.
Nicht mehr zur Anwendung wird das Papier für die Spiele 2032 kommen - das IOC hat bereits eine Vorentscheidung für Brisbane und die australische Region Queensland getroffen, die Bewerbung der Rhein-Ruhr-Initiative hat sich damit faktisch erledigt.
NRW-Ministerpräsident Laschet und auch die Rhein-Ruhr-Initiative sagen allerdings: 'Wir können uns Spiele 2036 vorstellen'. Das wären hundert Jahre nach den Nazi-Spielen in Berlin. Das müsse man sich gut überlegen, sagt Mayer. Die Idee, ein anderes, demokratisches, weltoffenes, gastfreundliches Deutschland zu präsentieren habe auf den ersten Blick Charme. "Auf der anderen Seite muss man natürlich auch mit ins Kalkül ziehen, dass das Verhetzungspotenzial mit Sicherheit sehr, sehr groß ist."